Attendorn. Spannende Stadtführungen warten in der Hansestadt.
Die zwölf Nächte zwischen dem 24. Dezember, Punkt 24 Uhr, und dem 6. Januar haben eine mystische Bedeutung und sind geheimnisumwoben. Sie werden raue Nächte, Rauhnächte, Rauchnächte oder auch Heilige Nächte genannt. Vor allem in Bayern, Österreich und Südtirol sind diese magischen Nächte Schauplätze uralten Brauchtums. Mit unheimlichen Masken verkleidete junge Männer ziehen mit Schellen und Glocken durch die Orte, um die bösen Geister zu verjagen. Die Häuser und die Ställe der Bauern werden mit Weihrauch und Kräutern gesegnet, um Dämonen und das alte Jahr zu vertreiben.
Auch in Attendorn wird jahrhundertealtes Brauchtum gepflegt, ob an Karneval, Ostern oder Schützenfest. Die Stadtführungen durch die rauen oder rauhen Nächte zwischen Weihnachten und Silvester sind inzwischen ebenfalls in den Traditionskalender aufgenommen worden. Der Erfolg gibt den Organisatoren recht. So führte Nachtwächter Peter „Pittjes“ Höffer im vergangenen Jahr rund 600 Teilnehmer durch die abendliche Hansestadt und erzählte ihnen Geschichten und Dönekes, lustige und schaurige.
In Uniform durch die Innenstadt
Übernommen hat Höffer sein Amt vor zwei Jahren von Dieter Auert. Der kann sich noch gut an die Anfänge der Stadtführungen als Nachtwächter erinnern. Vor 20 Jahren zog Auert mit den Brüdern Raphael und Gregor Dattoli in der Uniform des 38. Landwehrbataillons, das 1838 in Attendorn stationiert war, durch die Innenstadt.
Aus der Turmstube des Sauerländer Doms blies Josef Hilleke mit dem Nachtwächterhorn die Zeit an. „Die Zeit ist das Kostbarste, was es auf der Welt gibt“, betont Auert. Deshalb sind für das Attendorner Original die geheimnisvollen zwölf Nächte um den Jahreswechsel auch die Zeit der Besinnung sowie zugleich des Rückblicks und des Blicks nach vorne. Mit dem Ursprung und der Bedeutung der geheimnisvollen Nächte hat sich Auert intensiv beschäftigt. So orientierten sich die Kelten bei ihrer Zeitrechnung nach dem Mondjahr, bestehend aus zwölf Mondzyklen und 354 Tagen. Zum neuzeitlichen Sonnenjahr fehlen damit elf Tage und zwölf Nächte: eine Zwischenzeit, die Rauhnächte.
Keine Dämonen
Dämonen werden bei den Stadtführungen am 27. und 28. Dezember in Attendorn aber nicht vertrieben. Die Teilnehmer müssen auch keine lauten „Überfälle“ maskierter Gesellen befürchten. Es geht in der Hansestadt ruhig und gesittet zu. „Deshalb ist eine Lautsprecheranlage auch fehl am Platz“, verweist Dieter Auert auf den Unterschied zu den Event-Stadtführungen, die ebenfalls immer beliebter geworden sind. Das Nachtwächtergewand, die Hellebarde, die Lüchte und das Horn hat Auert an seinen früheren Gesellen Peter „Pittjes“ Höffer weitergegeben. In seiner neuen Rolle „de Karl“ mischt der 85-Jährige aber weiter mit.
600 Lieder auf Akkordeon
Als Attendorner Kaufmann in blauem Tuch aus Leinen sowie mit Kappe, Halstuch und Stock begrüßt er die Teilnehmer auf dem Alten Markt. Seine „Quetsche“, ein kleines Akkordeon, hat er wieder dabei. Damit kann Dieter Auert 600 einprogrammierte Lieder erklingen lassen. In 2018 spielte er darauf in der Evangelischen Kirche Weihnachtslieder, Pfarrer Andreas Schliebener blies auf der Trompete.
Auf dem Weg zur Evangelischen Erlöserkirche kommt die Stadtführung mit dem Nachtwächter am altehrwürdigen Rivius-Gymnasium vorbei. Darauf freut sich Auert ganz besonders. Denn wenn der Hausmeister drinnen das Licht anmacht, ist das hell erleuchtete Jugendstilfenster zu sehen, das von den Bombenangriffen im 2. Weltkrieg verschont blieb.
Wann finden Führungen statt?
Treffpunkt für die kostenlosen Stadtführungen durch die „Rauhnächte“ ist am 27. und 28. Dezember jeweils um 19 Uhr auf dem Alten Markt, Anmeldungen sind nicht erforderlich.
Neben Nachwächter Peter „Pittjes“ Höffer, Dieter Auert als „de Karl“ sind mit dabei: der Ritter Günther von der Werth, Marktfrau Hulda, Ausrufer Tobias Schrottke und sein Vater Manfred als Polizist Hubert, die Valberter Jäger und das Sauerländer Halbmond-Bläserkorps „Horrido“.