Kreis Olpe. Der Bürgerproteste im Kreis Olpe zum Trotz: Die umstrittenen Straßenbaubeiträge bleiben bestehen. CDU/FDP verteidigen die abgespeckte Belastung.
Der Showdown zu den umstrittenen Straßenausbaubeiträgen begann am Mittwoch Nachmittag um 14.30 Uhr im nordrhein-westfälischen Landtag, gegen 17 Uhr lief dann die Vollzugsmeldung über die Ticker: Das Gesetz, das viele Bürger auf die Palme bringt, ist durch, mit den Stimmen von CDU und FDP, die die Beiträge zwar gesenkt, aber nicht abgeschafft haben. Worum es geht? Für Gemeindestraßen, die nach 20, 30 oder mehr Jahren in so miserablem Zustand sind, dass sie erneuert werden müssen, wird der Bürger auch im Kreis Olpe nach wie vor zur Kasse gebeten. Beispiele aus fast allen Städten und Gemeinden im Kreis Olpe sorgten für politisch heftige Diskussionen. Einige Kommunen griffen zu Ausnahmeregelungen oder verzichteten zunächst auf die Gebühr bis zur endgültigen Klärung.
Protest in Flape
Und die liegt nun auf dem Tisch und wird nicht zur Erheiterung beitragen. Aktuelles Beispiel: der Flaper Schulweg in Kirchhundem. Dort will die Gemeinde auf 640 Metern zusammen mit dem Kanalbau die marode Straße und den Gehweg erneuern, Kosten: 1,02 Millionen Euro.
Entlastung in Höhe von 65 Millionen Euro
Mit dem Gesetzentwurf, so die Landesregierung, soll unter anderem für die Kommunen festgeschrieben werden, transparente Straßen- und Wegekonzepte aufzustellen. Zudem sollen künftig Grundstückseigentümer frühzeitig durch die Kommunen durch verpflichtende Anliegerversammlungen in die Planung von Straßenausbaumaßnahmen einbezogen werden.
Der Gesetzentwurf sehe ferner Regelungen zur Vermeidung einer wirtschaftlichen Überforderung von Beitragspflichtigen vor. Er führe ferner eine „räumliche Beschränkung der erschlossenen Fläche ein und schafft einen Ermäßigungstatbestand für Eckgrundstücke.
Zur Flankierung der Regelungen des Gesetzentwurfs legt die Landesregierung zur Entlastung der Beitragspflichtigen ein Förderprogramm von jährlich 65 Mio. Euro auf.
Davon müssten die Anlieger nach dem bisherigen KAG 346.800 Euro an Beiträgen bezahlen. Weil der Beitragssatz in der Gemeinde Kirchhundem bereits am unteren Limit liegt, würden die Bürger nach dem neuen KAG nur 46.000 Euro einsparen, ca. ein Euro pro Quadratmeter veranlagter Grundstücksfläche. Deshalb fordern die Anlieger die Straße nach dem Kanalbau nur zu flicken und auf einen kompletten Neubau zu verzichten. Sie untermauerten das mit einer Unterschriftenliste mit fast 90 Namen an die Verwaltung. Ihre Hoffnung ist, dass die Beiträge „unter dem Druck der Straße“ doch noch komplett abgeschafft werden.
Diskussionen in der Gemeinde Wenden
Heiß diskutiert wurde das Thema auch in der Gemeinde Wenden. Die UWG hatte gemeinsam mit dem VdK Unterschriften gesammelt gegen die Straßenbaubeiträge, mehrere Bürger stellten Anträge in die gleiche Richtung. Wendens UWG-Chef Thorsten Scheen begründet die ablehnende Haltung an einem simplen Beispiel: „Die Ortsdurchfahrt Römershagen wird täglich vielleicht von 50 Autofahrern befahren und ist als Kreisstraße beitragsfrei, der Peter-Dassis-Ring in Wenden fällt unter die Straßenbaubeiträge und wird von mehreren hundert Autos genutzt, weil die Schule dort ist. Das ist nur ein Beispiel, das den Sinn der Beiträge in Frage stellt.“
Abrechnungen stehen noch aus
Die Gemeinde Wenden reagierte seinerzeit und setzte Anfang 2019 die Abrechnung des bereits fertig gestellten „Hammerwäldchens“ aus. Olav Quast von der Kämmerei Wenden erklärte auf Anfrage, dass man nach der Beschlussfassung im Landtag auf die detaillierten Regelungen aus Düsseldorf warte, bevor jetzt Abgabenbescheide verschickt werden könnten: „Unter anderem stellt sich die Frage, ob das Hammerwäldchen dann unter das alte oder das neue Recht fällt.“ In 2019 hatte die Gemeinde Wenden auch die Marienstraße in Altenhof und den Südring in Hünsborn (beides KAG-Maßnahmen) in Angriff genommen. Deren Abrechnung steht ebenfalls noch aus. Laut Quast sei in 2020 keine KAG-Maßnahme geplant, lediglich Straßenbauten nach Baugesetzbuch, die von der Diskussion nicht betroffen seien.
Bund der Steuerzahler preschte vor
Zur Erinnerung: Der Bund der Steuerzahler NRW (BdSt) hatte in Sachen Straßenbaubeiträge eine Volks-Initiative gestartet und 440.000 beglaubigte Unterschriften für die komplette Abschaffung gesammelt. Wie Janine Bergendahl von der Pressestelle des BdSt. auf Anfrage versicherte, sei diese Volksinitiative zwar beendet , aber: „Wir werden weiter kämpfen.“ BdSt-Gebührenexperte Harald Schledorn klärte im Gespräch mit unserer Zeitung allerdings auf, dass ein Volksbegehren und ein daraus resultierender Volksentscheid über die umstrittenen Beiträge nicht zulässig sei: „Das lässt die Landesverfassung nicht zu.“ Tatsächlich. Wörtlich heißt es auf der Homepage des Innenministers: „Über Finanzfragen, Abgabengesetze und Besoldungsordnungen ist ein Volksbegehren nicht zulässig. Auch ein aus anderen Gründen verfassungswidriges Gesetz darf mit einem Volksbegehren nicht erstrebt werden.“
Beiträge auch in Lennestadt ausgesetzt
Wie in Wenden hatte auch die Stadt Lennestadt Ende 2018 angesichts der unsicheren politischen Lage die Erhebung von Straßenbaubeiträgen ausgesetzt. Nach Einwendungen von Bürgern aus Langenei („An der Lith“) gegen den Vollausbau ihrer Straße war es im Stadtrat zum einstimmigen Beschluss gekommen, bis zur endgültigen Klärung die Finger von den Beiträgen zu lassen.
Ritter begründet Gesetz
Der Kreis Olpe wird im NRW-Landtag von Jochen Ritter (CDU) aus Olpe vertreten, den ausgerechnet die UWG Wenden noch am Dienstag in Düsseldorf besucht und mit ihm über die Straßenbaubeiträge diskutiert hatte. Wir baten Ritter aus aktuellem Anlass um eine Stellungnahme: „Wir haben die Angelegenheit in der eigenen Fraktion und in der Koalition intensiv – auch kontrovers – diskutiert, haben Experten nach Düsseldorf eingeladen und sind nach Bayern gefahren, wo die Beiträge zuletzt abgeschafft worden sind.“ Danach habe man sich dafür entschieden, „das seit 50 Jahren praktizierte System nicht in Bausch und Bogen über Bord zu werfen, sondern da, wo es zu Schwierigkeiten geführt hat, zu entschärfen.“
Keine neuen Schulden
Betroffene würden früher informiert und hätten Anspruch auf Ratenzahlungen. Mit Eckgrundstücken könne künftig anders umgegangen werden, und die finanziellen Lasten für die Anlieger würden halbiert. Dafür stelle die Landesregierung im Haushalt 65 Millionen Euro zur Verfügung. Der politische Mitbewerber habe in seiner Regierungszeit nichts getan, fordere jetzt die Abschaffung, sage aber nicht konkret, wie das finanziert werden solle. Ritter: „Neue Schulden machen wir dafür wie auch für andere Zwecke nicht.“
Kompromiss
Zudem wolle die CDU weder die Grunderwerbssteuer erhöhen noch dafür sorgen, dass die Grundsteuern steigen. Viele Bürgermeister wollten beim Straßenausbau nicht von Zuweisungen des Landes abhängig werden und schafften es auch, die Beiträge mit überschaubarem Aufwand zu erheben. Ritters Fazit: „Wir sind uns klar, dass wir so nicht alle Erwartungen erfüllen, aber auch sicher, dass wir damit einen Kompromiss anbieten, mit dem alle leben können, jedenfalls deutlich besser als mit dem, was bisher war und was an Alternativen auf dem Tisch lag.“