Obermelbecke. Lisa Grau hat die Prüfung zur Besamungsbeauftragte bestanden. So sieht ihre Arbeit auf dem Islandpferdegestüt Falkenegg aus.

Es sieht ein bisschen aus wie ein Turnbock im Schulsport. Allerdings setzt hier kein Kind zum Sprung an, sondern ein Hengst. Der „Bock“ – in der Fachsprache auch „Phantom“ genannt -- stellt nämlich das Hinterteil einer Stute dar. Daneben steht Lisa Grau. Die Betriebswirtin und Reitausbilderin auf dem Islandpferdegestüt Falkenegg in Obermelbecke hält die künstliche Scheide, fängt den Samen auf. Sie hat kürzlich die staatliche Prüfung zur Besamungsbeaufragten absolviert. Künstliche Befruchtung beim Pferd? Wie das funktioniert hat uns die 35-Jährige zusammen mit ihrer Kollegin Lena Knigge erklärt.

Samen werden aufbereitet

Um den Hengst in Stimmung zu bekommen, steht ein paar Meter entfernt eine Stute. Die Pferdedame hat eigentlich nichts weiter zu tun, sie muss lediglich gut riechen. Animiert von den Düften der Stute kommt der Hengst seinem Trieb nach und bespringt das Phantom. In der künstlichen Scheide befindet sich ein Einmalschlauch. Dort wird der Samen aufgefangen. „Im nächsten Schritt wird das Sperma mit Nährstoffen aufbereitet wird, um es am Leben zu halten“, erklärt Lisa Grau. „Man braucht mindestens 35 Prozent vorwärtsbewegliche Spermien, um den Samen verwenden zu können. Das lässt sich unter dem Mikroskop prüfen.“

Lisa Grau (rechts) und Lena Knigge sind staatlich geprüfte Besamungsbeauftragte. Beide haben ihre Prüfung erfolgreich bestanden.
Lisa Grau (rechts) und Lena Knigge sind staatlich geprüfte Besamungsbeauftragte. Beide haben ihre Prüfung erfolgreich bestanden. © Verena Hallermann

Der Samen wird an eine Besamungsstation geschickt. In Deutschland gibt es lediglich ein Institut, das sich auf Islandpferde spezialisiert hat, es befindet sich in Lüneburg. Von dort gelangt das Sperma an die Empfänger. Also Pferdezüchter, die bei ihrer Zucht nicht auf den Natursprung setzen wollen. „Die künstliche Besamung bei Pferden hat einige Vorteile“, erklärt Lena Knigge. Die 26-Jährige hat ebenfalls eine Prüfung zur staatlich geprüften Besamungsbeauftragten abgelegt und arbeitet seit eineinhalb Jahren auf dem Islandpferdegestüt Falkenegg in Obermelbecke. „Nicht jeder Hengst passt zu jeder Stute. Es geht ja schließlich nicht einfach darum, Pferde zu produzieren.“

Züchter fahren daher teilweise viele Kilometer, um ihre Stuten von einem geeigneten Hengst besamen zu lassen. „Das fällt eben bei der künstlichen Besamung weg“, führt Lena Knigge aus. „Außerdem minimiert man das Ansteckungsrisiko mit Pferdekrankheiten.“

Es geht um die Samen-Qualität, den Gen-Hintergrund, die Qualität der Gang-Arten, den Körperbau und um den Charakter der Tiere, erklären die Expertinnen. „Der Charakter kann ganz unterschiedlich sein“, sagt Lisa Grau. „Man hofft natürlich, wenn man umgängliche, soziale und leistungsbereite Stuten und Hengste paart, dass dann auch die Nachzucht einen entsprechenden Charakter hat. Aber garantieren kann man das natürlich nie.“

Der Zyklus einer Stute

Die Besamung bei der Stute darf entweder ein Tierarzt oder eben ein ausgebildeter Besamungsbeauftragter durchführen. Der Zyklus einer Stute ist kaum anders, als der einer Frau, beträgt zwischen 21 und 28 Tagen. Hier gilt es, den richtigen Zeitpunkt – also den Eisprung – zu treffen, damit die Besamung auch wirklich klappt. Zwischen April und August sind Stuten eher fruchtbar, man spricht in der Fachsprache von „rossig“. „Das hängt viel vom Licht ab“, erklärt Lisa Grau und fügt schmunzelnd hinzu: „Der Hengst kann etwas wilder werden, wenn sich Frühlingsgefühle bemerkbar machen.“

Ein Hengst bespringt das „Phantom“.
Ein Hengst bespringt das „Phantom“. © Privat

Aber wie erkennt der Experte denn nun, ob die Stute rossig ist? Hier gibt es zwei Methoden. Entweder wird der Muttermund abgetastet, ob dieser geöffnet ist oder einfach die Reaktion der Stute beobachtet, sobald ein Hengst in der Nähe ist. „Entweder hebt die Stute den Schweif oder tritt nach dem Hengst, vereinfacht ausgedrückt“, erklärt Lisa Grau.

Sobald die Stute rossig ist, kann es also losgehen. Sowohl die Absamung beim Hengst, als auch die Besamung der Stute wird niemals alleine durchgeführt. „Das ist nicht ganz ungefährlich“, erklärt Lena Knigge. „Die Tiere sind groß und wild. Da muss man sich im Team aufeinander verlassen können.“ Ist die Vorbereitung getroffen, ist der Akt schnell durchgeführt. Mit einer rund 60 Zentimeter langen Pipette wird der Samen in den geöffneten Muttermund eingeführt.

Lisa Grau hat große Pläne. Langfristig möchte sie auf dem Islandpferdegestüt Falkenegg in Obermelbecke eine ganze Besamungsstation bauen lassen. Also mit Sprungraum, Labor zur Samenaufbereitung, Samenlager, Hygiene- und Reinigungsbereich und ein Hengststall mit Quarantänebereich. „Das wird aber noch dauern“, sagt die Reitausbilderin. „Im nächsten Jahr werden wir uns erstmal darauf konzentrieren, unsere Stuten zu besamen.“