Olpe. Dem Café Lüning gehen die Mitarbeiter aus. Erst einmal gibt es einen oder zwei Ruhetage, langfristig droht die Schließung des Cafébetriebs.
Wer bei schönem Wetter durch die Olper City flaniert und an der Ecke Winterbergstraße, Kölner Straße vorbeikommt, der weiß genau, dass bei Lünings ein gepflegtes Stück Kuchen mit leckerem Kaffee auf ihn warten. Das Café ist aus der Olper City eigentlich nicht wegzudenken. Zwischen Tradition und Kult irgendwie.
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Doch was die Zukunft des Cafébetriebs angeht, macht Konditormeister Maik Lüning aus seinem Herzen keine Mördergrube: „Die personelle Situation ist eine Katastrophe. Es betrifft ja viele Handwerke. Auf Dauer können wir keine 80-Wochenstunden machen.“ Zur Familie gehören natürlich auch Seniorchef Hermann Lüning, wie sein Sohn Maik Konditormeister und eine Stütze des Betriebs. Hermann Lüning hat das Café 1975 übernommen, stammt aus Dortmund und aus einer Familie, die seit 1890 zur Branche gehört.
Arbeitskräfte im Rentenalter
Aber anhaltend auf Arbeitskräfte im fortgeschrittenen Rentenalter zu setzen, ist für Maik Lüning keine Dauerlösung: „Es fehlen einfach qualifizierte und zuverlässige Leute.“ Und kurzfristige Absagen im Servicebereich träfen einen oft unvorbereitet. Um Kunden zufriedenzustellen und Wartezeiten nicht über zu strapazieren, brauche ein Café aber nun mal Personal. Lüning weiß, wovon er spricht, neben dem Café Lüning betreibt der 42-Jährige seit vielen Jahren auch das Café con Leche neben dem Krankenhaus, wo es auch warme Küche gibt. Seine Ehefrau Claudia (36) packt bereits mit ins Rad, obwohl zur Familie vier Kinder gehören: „Es kommt vor, dass wir die Kinder ins Bett bringen und dann noch fast bis Mitternacht zu tun haben“, beschreibt Lüning die Alltags-Realität. Fatal: Sowohl die Konditorei als auch der Cafébetrieb liefen hervorragend, aber: „Es regnet Brei, und wir haben keine Löffel.“ Mit der Konditorei beliefere man Kunden „von Sylt bis Rosenheim“. Der Konditorberuf im Traditionsbetrieb Lüning sei eine anspruchsvolle, kreative Qualitätsarbeit: „Wir machen alles selbst, auch die Pralinen. “
Ohne Eltern geht es nicht
Da keine Besserung in Sicht sei, macht er sich keine Illusionen: „Wenn die Eltern irgendwann nicht mehr mithelfen können oder wollen, wird der Cafébetrieb eingestellt. Ohne sie geht es nicht.“ Eigentlich seien sie nur mal ein oder zwei Tage eingeplant gewesen, jetzt arbeite der Vater regelmäßig in der Produktion.
Nicht nur Bedienungen fehlten, gerade Fachkräfte seien Mangelware: „Wir suchen aktuell einen Koch, eine Konditorei-Fachverkäuferin, eine Restaurant-Fachfrau. Wer Interesse hat, kann sich bei uns melden. 02761/2216.“ Dass er ans Telefon gehen muss, glaubt der Konditor allerdings nicht: „Der Markt ist leergefegt. Vom Arbeitsamt kommt auch nichts.“ Dabei sei die Bezahlung nicht schlecht. Lüning: „In diesem Jahr kam es knüppeldick, eine Hiobsbotschaft jagte die andere, was das Personal angeht.“
Allgemeines Problem
Dabei legt Lüning Wert auf die Feststellung, dass es ihm in erster Linie nicht um die eigene Situation gehe, sondern um das Gastro-Gewerbe im Allgemeinen und um das Handwerk überhaupt.
Wege aus der Krise?
Bleibt die Frage, was der Grund für die Misere ist und ob es einen Weg gibt, die verzwickte Situation wieder in den Griff zu bekommen: „Ich fürchte, dass das, was wir erleben, erst der Anfang ist.“ Viele junge Menschen hätten grundfalsche Vorstellungen von manchen Berufen, auch vom Cafébetrieb: „Die sehen im Fernsehen eine Romanze aus einem kleinen französischen Café, wo zwei bis drei Leute bedient werden, und dann stehen sie plötzlich mitten in der Realität. Müssen arbeiten, wenn andere frei haben.“ Die Freizeit spiele für junge Leute die Hauptrolle, samstags und sonntags wolle kaum jemand arbeiten. „Es kommt vor, dass einem gesagt wird: Dann ist black friday, da kann ich nicht arbeiten. Wir haben oft gezittert, dass die Leute auch wie vereinbart gekommen sind.“
Anspruchsvolle Qualitätsarbeit
Bisher seien die Olper gewohnt, dass das Café Lüning täglich geöffnet habe. Lüning: „Wir hatten bisher am 1. und 2. Weihnachtstag zu, Silvester und Neujahr, sonst nicht. Seit 1975.“
Ab dem 1. Januar werde mindestens ein Ruhetag eingeführt, wahrscheinlich zwei, montags und dienstags.
Es sei denn, scherzen wir gemeinsam, irgendwo backt einer noch zwei bis drei Fachkräfte oder Bedienungen. Aber damit ist wohl nicht zu rechnen. Bei den Bäckern sieht die Situation nicht viel anders aus.
Bernhard Schwermer: „Gastro-Sterben in vollem Gange“
Zum Thema führten wir ein Interview mit Bernhard Schwermer, Küchenmeister und Hotelier aus Kirchhundem-Heinsberg und Kreisvorsitzender des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA).
1. Wann haben sich die Probleme verschärft, geeignetes Personal zu finden?
Mit dem Einsetzen der Vollbeschäftigung, mit dem Absenken des Leistungsniveaus in der Schule und mit jeder Kochsendung, die die Realität in diesen Berufen völlig falsch darstellt.
2. Was ist das größte Problem für die Betriebe?
Es gibt zu wenig Bewerber, weil die Wertschätzung für diese Berufe fehlt. Der Imageschaden durch schlechte Bezahlung und Wochenendarbeit ist zweifelsohne vorhanden. Das Geld muss aber am Wochenende verdient werden, während in der Woche oft ein Zuschussgeschäft stattfindet. Die Geiz ist geil-Mentalität macht das Leben und Arbeiten für unsere Mitarbeiter und uns nicht lukrativer. Der letzten Pisa Studie konnte man entnehmen, wie es um die Leistungen jedes fünften Schülers bestellt ist. Ausgerechnet das Klientel, das sich bis vor wenigen Jahren noch nach der Schule gerne das Taschengeld in der Gastronomie dazu verdient hat und nicht, wie heute, als Influenzer Gastronomen zur Weißglut treibt. Unfallfrei Kopfrechnen im Zahlenraum bis 100 ist bei manchen Schülern schulsystemübergreifend nicht mehr möglich. Rechnen und schreiben sind aber Grundkompetenzen in unserem Gewerbe.
3. Ist eine Lösung in Sicht, und könnte die Politik helfen?
Mich stört immer, wenn irgend etwas schief läuft, die Politik verantwortlich zu machen. Hilfe zur Selbsthilfe sollte ein Thema sein. Das heißt, die Rahmenbedingungen bezüglich vermindertem Mehrwertsteuersatz und Dokumentationspflichten sollten gelockert werden. Schwarzgastronomen sollte die gleiche Steuer- und Reglementierungsvielfalt treffen wie uns. Eine Lösung wäre in Sicht, wenn sich die Wertschätzung und der Respekt vor den Leistungen der Gastronomiebetriebe zum Positiven ändern würde. Die beste Wirtschaftspolitik ist, wenn man die Betriebe nicht mit Verordnungen und Reglementierungen überzieht.
4. Steht ein Gastro-Sterben in größerem Ausmaß an?
Das Gastro-Sterben ist in vollem Gange. Meiner Ansicht nach werden familiengeführte Betriebe mit einer guten Nachfolgeregelung überleben. Personalengpässe werden heute schon mit Familienmitgliedern abgefedert. Wie betroffen andere Branchen sind, sieht man in der Landwirtschaft, in den Pflegeberufen und im Handwerk. Daher finde ich die Idee, ein soziales Jahr direkt nach dem Schulabschluss einzurichten, einen Schritt in die richtige Richtung. Das hilft vielleicht nicht der Gastronomie, aber in erster Linie dem gesellschaftlichen Zusammenhalt, der nach dem Abitur/Schulabschluss eben nicht in Australien, Neuseeland oder anderswo stattfindet.