Attendorn/Neu-Listernohl. Einmaliger Fund in einem Baugebiet am Petersburger Weg in Neu-Listernohl. Gebäudegrundriss ist die wohl bedeutendste Entdeckung der Experten.
Die Geschichte der Hansestadt Attendorn muss nicht umgeschrieben werden. Auch das Stadtjubiläum im Jahr 2022 ist nicht in Gefahr. Aber die fast 800-jährige Historie ist um ein spannendes Kapitel reicher. In einem Baugebiet am Petersburger Weg bei Neu-Listernohl haben Archäologen die Spuren eines über 2000 Jahre alten Hofes aus der Eisenzeit entdeckt. Ausgrabungen förderten den bisher ältesten Grundriss eines Wohngebäudes im Sauerland zu Tage.
„Wir wussten, dass in der Eisenzeit hier viel los war. Aber eine Siedlung hat uns noch gefehlt“, berichtete Prof. Dr. Michael Baales am Mittwoch vor Ort. Der Leiter der Außenstelle Olpe der LWL-Archäologie für Westfalen informierte mit seiner Kollegin Dr. Eva Cichy an der Ausgrabungsstelle über den bedeutenden Fund. „Es ist uns hier in Neu-Listernohl gelungen, für das gesamte Sauerland erstmals Gebäudegrundrisse aus der Urgeschichte freizulegen“, erläuterte Prof. Dr. Baales.
Die Fachleute des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) überwachen und dokumentieren die Arbeit der archäologischen Fachfirma von Dr. Georg Eggenstein aus Dortmund. „Wir wissen mittlerweile ganz genau, wo wir den Bagger ansetzen müssen“, kann laut Dr. Cichy von einem Zufallsfund keine Rede sein. Die Lage an einem Mittel-Hang und die Nähe zu Wasser sprachen laut der wissenschaftlichen Referentin „für eine relativ hohe Trefferquote“.
Pfostengruben noch erhalten
„Die Grabungen haben zahlreiche sehr aussagekräftige Befunde ergeben. Die bedeutendste Entdeckung ist ein Gebäudegrundriss“, freute sich am Mittwoch auch Grabungsleiter Jonathan Nekes. Erhalten sind von dem Gebäude aus Holz, das hier einst für 20 bis 25 Jahre gestanden hat, nur noch die Gruben für die Pfosten. „Zwei Reihen von Pfostengruben lassen Rückschlüsse auf ein größeres Gebäude zu“, erläuterte Nekes.
Für den Laien sind die Bodenverfärbungen kaum zu erkennen, der Fachmann entdeckt sie sofort. Zahlreiche Pfostenlöcher auf der über einen Hektar großen Ausgrabungsfläche deuten auf Nebengebäude hin, unter anderem Stallungen für das Vieh oder Speicherbauten für Getreide. Gewohnt haben hier wohl ein bis zwei Familien. „Wir haben also nicht nur ein einzelnes Gebäude, sondern einen umfangreichen Hof vorliegen“, schließt Grabungsleiter Jonathan Nekes aus den bisherigen Ergebnissen der Funde.
Wie der Hof bzw. Gebäudekomplex ausgesehen hat, das wissen die Archäologen auch noch nicht genau. Wichtige Aufschlüsse liefern Keramikscherben aus der Eisenzeit. Diese mehr als 2000 Jahre alten Scherben stammen auch von großen tonnenförmigen Vorratsgefäßen, die typisch für diese Epoche sind. Darüber hinaus stießen die Wissenschaftler auf dem ehemaligen Feld bei Neu-Listernohl auf Gruben, die zur Entnahme von Lehm, zum Verwahren von Vorräten und später zur Müllentsorgung angelegt worden sind. Auch ein bis 2,5 Meter Tiefe gut erhaltener Brunnenschacht wurde gefunden.
Reste von Feldbrandöfen
Als „Nebenprodukt“ der eisenzeitlichen Hofstelle entdeckten die Forscher auf der Ausgrabungsfläche Spuren einer späteren Nutzung. Aus der Neuzeit stammen die Reste von drei großen Feldbrandöfen, in denen Kalk gebrannt worden ist. Der Kalkstein konnte direkt vor Ort abgebaut werden. Mit dem so gewonnenen Kalk als Grundstoff für Kalkmörtel sind in der Umgebung der Fundstelle mit großer Wahrscheinlichkeit zahlreiche Gebäude errichtet worden. Als im Frühjahr die Bagger der archäologischen Fachfirma aus Dortmund anrollten, war im Laufe der vielen Jahrhunderte zwar schon viel Material verloren gegangen. Trotzdem stießen die Fachleute auf einen bemerkenswerten Fund. „Wir haben sofort ins Schwarze getroffen“, ist Dr. Eva Cichy auch ein halbes Jahr später noch immer begeistert. „Meistens graben wir dann, wenn wir oberflächliche Funde wie Scherben oder Steinwerkzeuge haben“, erklärte die LWL-Archäologin. „Hier in Neu-Listernohl hat uns jedoch die Geländesituation aufmerksam gemacht: Fruchtbare Böden und die Nähe eines Fließgewässers waren schon immer für Siedler attraktiv.“
Die Erschließung des neuen Baugebietes behindern die Funde aus der Eisenzeit nicht. Spätestens in zwei Wochen werden die Grabungen abgeschlossen. „Archäologisches Arbeiten hat immer auch mit Zerstörung zu tun“, wissen Dr. Eva Cichy und ihr Chef Prof. Dr. Michael Baales. Beide sind aber froh, dass sie auch in Folge einer Gesetzesänderung in die Vorplanungen von Baumaßnahmen einbezogen werden müssen.