Olpe. Manfred Gerkrath streift seit zwei Wochen durch die Wälder im Olper Stadtgebiet. Dabei findet er allen Unkenrufen zum Trotz jede Menge Steinpilze.

Das Areal, in dem er Pilze sammelt, will er nicht verraten. „Dann kommen die Leute in Scharen, das wäre nicht so gut“, sagt Manfred Gerkrath. Seit etwa zwei Wochen streift der gebürtige Olper und Wahl-Dahler durch Wald und Gehölz, in der Hand einen Weidenkorb und ein Nickelchen, auf der Suche nach der schmackhaften Speise aus dem Forst.

Und allen Unkenrufen zum Trotz - noch Anfang des Monats prophezeiten Experten für Deutschland, respektive Südwestfalen, aufgrund des immensen Regendefizites und der gestressten Wälder ein weitgehend pilzfreies Jahr - sind seine Spaziergänge so erfolgreich wie selten zuvor. „So viele Steinpilze habe ich noch nie gesehen. Selbst direkt am Wegesrand stehen sie“, schwärmt der 65-Jährige von einem momentan unglaublichen Vorkommen eines der wohl edelsten Speisepilze in unseren Breiten.

Ein Riesenexemplar

In der vergangenen Woche hat er ein Riesenexemplar davon nach Hause getragen. Aber auch Maronen, Pfifferlinge, Birken- und Butterpilze hat er gefunden. Und natürlich jede Menge Fliegenpilze gesehen. Sie stehen in großen Kolonien im Fichten- und Birkengehölz.

Wildpilze sind geschützt

Wildpilze sind geschützt und dürfen nur für den Eigenbedarf gesammelt werden.

Ganz junge und alte Exemplare und solche, die durch Maden angefressen sind, lässt man stehen. So sichert man den Fortbestand.

Vorsichtig herausdrehen, ohne dass ein Loch entsteht, oder noch besser schneiden. Dabei bleibt das Myzel unbeschädigt

Manfred Gerkrath sammelt seit vielen Jahren Pilze. Das Wissen hat er von seinem Schwiegervater. Zumindest ein wenig. Viel hat er sich selbst beigebracht. Zu verschiedenen Tageszeiten ist er im Wald und geht gerne auch am frühen Morgen los. „Das ist nicht nur eine gute Zeit zum Sammeln, sondern auch eine besonders schöne Zeit mit viel Atmosphäre. Und man begegnet so einigen Waldbewohnern“, sagt Manfred Gerkrath und betont gleich die wichtigsten Regeln beim Pilze sammeln: „Sachgerecht ernten, ausschließlich für den Eigenbedarf und nur die mitnehmen, die man wirklich kennt.“ Er persönlich lasse zum Beispiel gerne die Hände von Lamellenpilzen wie dem Champignon, denn da gebe es die meisten nicht so guten von.

Vorsichtig und achtsam sein

Friedrich Prinz, Apotheker aus Hünsborn und Mitglied der Mykologischen Gesellschaft, kann nur bestätigen, dass es ein selten großes Angebot an Pilzen gibt. „In dem Maße habe ich es noch nicht erlebt. Mit dem Regen und der Wärme gibt es ideale Wachstumsbedingungen.“ Prinz ist zwar kein zertifizierter Pilzberater, nichts desto trotz faszinierter Pilzkenner mit großer Erfahrung, der auch Wanderungen in Zusammenarbeit mit dem Naturschutzbund unternimmt. Dabei geht es dann nicht um die Speisepilze, sondern insgesamt um die Organismen, die neben den Pflanzen und Tieren eine weitere Kategorie von Lebewesen sind. „Man sollte vorsichtig und achtsam mit Pilzen umgehen. Pilze müssen generieren, ihre Verbreitung und ihr Wachstum sind eine komplizierte Angelegenheit. Wenn alles rausgerupft wird, ist das Myzel, also das Fadengeflecht im Boden und damit der eigentliche Organismus so geschädigt, dass nichts mehr nachkommt.“

Von einem „immer noch grottenschlechten Pilzjahr“ spricht Volker Walther vom Pilzmuseum in Bad Laasphe. „Ich habe das Gefühl, dass die Pilze bei der jetzigen Witterung nochmal verzweifelt alle Möglichkeiten nutzen, um Fruchtkörper zu bilden.“ Bei ihm, so Volker Walther, kämen die Leute mit Bananenkisten voll vorbei. Dass man jedoch fast alles mitnehme, was zu finden sei und nichts mehr in der Natur lasse, sei schon fast gruselig. Schließlich müsse der Pilz Sporen verbreiten, damit neue Myzelien wachsen.

Über 100.000 Pilzarten

Weit über 100.000 Pilzarten sind weltweit bekannt. Dabei erwartet man das zehnfache an noch nicht gelisteten und unbekannten Pilzen. An Großpilzen, also Pilzen, bei denen man den Fruchtkörper sehen kann, gibt es etwa 6000 Arten, in NRW rund 4000. Darunter sind 200 gute Speisepilze.

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„Vor 20 Jahren war spätestens Mitte Oktober Schluss mit der Pilzzeit. Die letzten Jahre geht es bis in den November, weil wir keine Fröste mehr haben“, sagt Volker Walther und spricht von einer auffälligen Klimaverschiebung. „Trockenphasen gab es schon immer. Was aber passiert mit den Myzelien, wenn wir mehrere trockene Jahre hintereinander haben?“ Zwar seien Pilzgeflechte recht widerstandsfähig, eine Antwort für die Zukunft könne momentan aber niemand geben. „Die Bäume trifft es noch härter. Sie brauchen in tieferen Schichten Feuchtigkeit. Wenn die Fichte hier irgendwann verschwindet, und so wird es wohl sein, stellt sich die Frage, ob zum Beispiel der Steinpilz einen neuen Partner findet oder auch verschwindet.“

Dass ausgerechnet der Steinpilz momentan ein immenses Wachstum zeige, könne er indes auch nicht erklären. „Das ist ja das Schöne an Pilzen. Man weiß nie, was wann kommt und kann sich freuen, wenn es dann so ist.“ Aber es seien nicht nur die Steinpilze, die im Moment wahre Blüten treiben, sondern etliche andere Pilze, für die sich jedoch nur wenige Menschen interessierten. So zum Beispiel die kleinen Hämlinge, eine große Gattung mit mehreren hundert Arten, die im Augenblick überall zu finden seien. „Das ist zwar nichts zum Essen, aber es ist eine große Freude, sie in den Mengen zu sehen.“