Attendorn. Mit einer Eventführung hatte die Hansestadt Attendorn Besucher eingeladen, sich auf den Weg durch ihre Geschichte zu machen

Ausrufer Tobias Schrottke sollte Recht behalten. „Es könnte ziemlich laut werden“, begrüßte er die Teilnehmer der drei Event-Stadtführungen am Samstag im neuen Kino. Und es wurde wenig später ganz schön laut. Am Fuße der Attahöhe, im Eingangsbereich des alten Steinbruchs, wurden die Zeitreisenden von einem heftigen Explosionsknall empfangen.

Gerade hatten Arbeiter der Biggetaler Kalkwerke per Zufall die berühmte Höhle mit ihren Tropfsteinen entdeckt. Nachgespielt wurde die historische Szene vom 19. Juli 1907 von Mitgliedern der Karnevalsgesellschaft Isch kann’s. In die Rolle des Vorarbeiters war ihr Edelfan und ehemaliger Prinz Karneval Jochen Bundels geschlüpft. „Wir haben die Büchse des Böhmer entdeckt“, hatte einer der Steinbrucharbeiter schon die Zukunft fest im Blick.

Der Köhler und die Fürstin

Weiter ging es auf der Reise durch die jahrhundertealte Stadtgeschichte in Richtung Nordwall, wo der bei den Eventführungen erprobte Frank Theis - mit einem Strick um den Hals - die schaurige Sage vom Glockenguss zu Attendorn und einem vermeintlichen Goldschatz erzählte. Nur ein paar Meter weiter, neben dem Collegium Bernardinum (Konvikt), traf ein Köhler (Ulrich Selter) Fürstin Atta (Ulrike Pagon), die sich im Dornengestrüpp verirrt hatte und zeigte ihr den richtigen Weg. Zum Dank vermachte sie dem Mann ein Stück Land: Laut Sage war das der Ursprung der Stadt Attendorn.

Am Pulverturm empfing wie beim letzten Mal Leineweber Ferdinand Bellebaum (Peter Plugge) das staunende Publikum und röstete in den „schlechten“ Zeiten aus Zichorienwurzeln Muckefuck (Ersatzkaffee). Sein Traum, dass sich „die Attendorner irgendwann mal echten Bohnenkaffee vom alten Bellebaum leisten können“, sollte in Erfüllung gehen. Mit „Bellebaums Traum“ wird seit 2012 fair gehandelter Kaffee aus Mexiko verkauft.

Am Bieketurm war Karnevalist Frank Selter in die Rolle des Erzbischofs Engelbert II. von Berg geschlüpft, der Attendorn 1222 nach Soester Recht die Stadtrechte verliehen hatte. Die historische Verkleidung erinnerte stark an das Nikolauskostüm seines Poskebruders und Nachwächters Peter „Pittjes“ Höffer. Mit Blick auf den wegen der Sanierungsarbeiten verhüllten Bieketurm konnte sich Selter einen Seitenhieb nicht verkneifen. „Die Befestigung der Stadt scheint bis heute nicht fertig geworden zu sein.“

Schaurig-unheimlich wurde es vor dem Pfarrheim, wo an die dritte Pestepidemie erinnert wurde, die Attendorn heimgesucht hatte. Mit den Kranken ging man damals nicht zimperlich um. Im Einsatz waren wieder die KG Isch kann’s und Jochen Bundels. Der trug als Mönch verkleidet ein großes Kreuz vor sich her. Auf die Rückseite hatte der Hansestädter den Zettel mit seinem Text geklebt.

Danach hatte die Schützengesellschaft 1222 auf dem Alten Markt ihren großen Auftritt, angeführt von Hauptmann Sascha Koch und mit den amtierenden Königen Jürgen Nothard und Daniel Hunfeld in ihren Reihen. Nachgespielt wurde vor der Kulisse des Südsauerlandmuseums die Verleihung des goldenen Schützenadlers, genannt Kaiseradler, am 10. Juli 1910. Damals feierten die Schützen von 1410 ihr 500-jähriges Jubiläum. Inzwischen sind sie ja auch aus anderen Gründen ein paar Jahre älter geworden. Als Landrat Friedhelm Freusberg mit angeklebtem Bart war unschwer Martin Kraemer zu erkennen, der seiner Rolle entsprechend mit einer edlen Kutsche auf den Marktplatz gefahren wurde. „Gut, dass es schon 1910 Abwasserkanäle in Attendorn gegeben hat“, hatte Landrat Freusberg, alias Kraemer, die Lacher auf seiner Seite, als er schlagfertig das dringende Bedürfnis eines der beiden Pferde kommentierte.

Wasser schleppen

Beim abschließenden Einsatz der Feuerwehr mit einem historischen Spritzenwagen in der Wasserstraße durften auch die Teilnehmer dieser ganz besonderen Stadtführung mitmachen und Wassereimer schleppen. Zu diesem Zeitpunkt war Ausrufer Tobias Schrottke schon wieder in Richtung Kino unterwegs. Die nächste Gruppe wartete dort. „Wir sind ganz schön hinter der Zeit“, drückte Cheforganisator Frank Burghaus vom Stadtmarketing aufs Gaspedal.