Olpe. Die Friseurmeisterin Birgit Gerhard-Hoberg aus Oberveischede fertigt Perücken, die Krebs-Patientinnen Lebensmut verleihen. Die Arbeit erdet sie.

Todkrank. Von jetzt auf gleich. Wer die Diagnose Krebs bekommt, dem wird im ersten Moment der Boden unter den Füßen weggerissen. Birgit Gerhard-Hoberg erlebt das oft. Ungefähr dreimal die Woche. Dabei ist die Oberveischederin weder Ärztin noch Seelsorgerin – die 55-Jährige ist Friseurin und Kosmetikerin. Und seit neun Jahren bietet sie in ihrem Salon „Schnittstelle Hautnah“ nicht nur die klassischen Frisuren, sondern auch personalisierte Perücken für krebskranke Menschen an. Anlässlich des Brustkrebsmonats Oktober haben wir die Friseurmeisterin in ihrem Salon besucht.

Mehr als nur Haare schneiden

„Diese Arbeit ist etwas anderes als einfach nur Haare schneiden“, sagt Birgit Gerhard-Hoberg. „Ich setze den Menschen auch nicht nur eine Perücke auf. Ich möchte ihnen ein neues Lebensgefühl geben. Diese Arbeit hat mich geerdet.“ Ihre Tätigkeit erfüllt die Oberveischederin, obwohl sie nicht selten zu Tränen gerührt wird. Gerhard-Hoberg erinnert sich: Vor rund einem Jahr kam eine Frau, die an Bauspeicheldrüse erkrankte, drei Wochen lang täglich in den Friseursalon. „Sie ließ sich von mir immer die Haare föhnen, weil ihr das so gefallen hat. Sie hatte immer lange Haare, ging aber vorher nie zum Friseur“, sagt die 55-Jährige.

Beim Kosmetikseminar der DKMS
Beim Kosmetikseminar der DKMS "look good feel better“ bringt die Friseurmeisterin und Kosmetikerin Birgit Gerhard-Hoberg der Teilnehmerin Ramona Raschka bei, wie der Lidschatten richtig aufgetragen wird. © Jana Wehmann

Irgendwann kam die Frau nicht mehr. Birgit Gerhard-Hoberg sah die Todesanzeige in der Zeitung. „Ihr Mann hat mir vor Weihnachten Kopien aus dem Tagebuch seiner verstorbenen Frau geschickt. Sie schrieb darin, wie gerne sie hier hinkam und wie gut ihr das getan hat“, erzählt Gerhard-Hoberg. Für die Friseurmeisterin war das die höchste Anerkennung für ihre Arbeit. „Das hat mir gezeigt, wie wichtig meine Tätigkeit ist. Man trägt dazu bei, dass Frauen in dieser schwierigen Phase ein tolles Lebensgefühl bekommen.“

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Das Thema Krebs ist Gerhard-Hobergs Familie nicht fremd. Ihre Mutter sowie ihr Bruder haben den Kampf gegen die schwere Krankheit ebenfalls verloren. Viel zu früh. Als mehrere Kundinnen die Oberveischederin vor neun Jahren auf Perücken für Betroffene der Krankheit ansprachen, wuchs in ihr schließlich der Entschluss, sich zu spezialisieren. Allerdings war die Arbeit schwieriger als gedacht.

Zwei Jahre lang spezialisiert

Zwei Jahre lang besuchte die selbstständige Friseurmeisterin Wochenend-Seminare und bildete sich zur Zweithaarspezialistin weiter. „Man muss das richtige Modell für die Kundin finden, ob Kunsthaar oder Echthaar. Wie schneidet man die Perücke ein? Wie passt man sie an? Wie pflegt man sie? Mit diesen Fragen muss man sich beschäftigen. Das lernt man in der Friseurlehre nicht“, sagt Gerhard-Hoberg.

Im Durchschnitt bekommt die Oberveischederin drei neue Kundinnen pro Woche. Beim ersten kostenlosen Beratungstermin, nimmt sie sich rund eine Stunde Zeit. Dabei betont Gerhard Hoberg: x-beliebige Perücken von der Stange gibt es nicht. „Ich zeige keine Kataloge, alles ist personalisiert. Ich unterhalte mich mit der Kundin und bestelle nach meinem Empfinden fünf bis sieben Perücken. Die sind dann in der Regel nach 48 Stunden da.“ Beim zweiten Termin probiert die Kundin die Perücken und schaut, was ihr gefällt. Birgit Gerhard-Hoberg erklärt, wie man die Perücke richtig aufsetzt, damit sie nicht vom Wind weggepustet wird, und wie man das Zweithaar pflegt.

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Die Perücken kosten in der Regel zwischen 700 und 900 Euro. Wie viel die Krankenkassen von den Kosten übernehmen, ist unterschiedlich. „Manche erstatten 340 Euro, andere 360“, sagt Gerhard-Hoberg. Ein wenig Kritik an den Krankenkassen kann sie sich nicht verkneifen: Seitdem sie als Zweithaarspezialistin tätig ist, sind die Preise für Perücken gestiegen, allerdings erstatten die Krankenkasse dieselben Beträge wie bereits vor neun Jahren. „Die scheinen nicht mitbekommen zu haben, dass die Perücken teurer geworden sind“, merkt die Friseurmeisterin an.

Schminkseminare der DKMS

Vor einigen Jahren hat sich Birgit Gerhard-Hoberg zudem in dekorativer und pflegender Kosmetik weitergebildet. Die 55-Jährige ist Partnerin der gemeinnützigen Organisation DKMS Life und leitet Kosmetikseminare, die sieben bis achtmal im Jahr in der Region stattfinden. In den zweistündigen Schulungen gibt sie Tipps zur Gesichtspflege und zum Schminken. Dabei sei die Stimmung stets ausgelassen. „Es wird immer richtig viel gelacht“, sagt Birgit Gerhard-Hoberg. „Die Frauen genießen es dort, untereinander zu sein und Neues zu lernen.“

Der Brustkrebsmonat

Der Brustkrebsmonat Oktober rückt die häufigste Krebserkrankung bei Frauen ins Blickfeld: In Deutschland liegt die Zahl der Neuerkrankungen pro Jahr bei 72.000. Die Deutsche Krebshilfe rät Frauen zur Vorbeugung viel Bewegung. Das Risiko für eine Brustkrebserkrankung sinke bei regelmäßiger körperlicher Aktivität um 20 bis 30 Prozent. Experten raten dazu, sich täglich mindestens 30 Minuten moderat zu bewegen und dabei etwas ins Schwitzen zu kommen.