Attendorn. Die kuriose Geschichte eines wirklichen Oldtimer-Fans: Paul Sanders aus Wellington.

Eine Oldtimer-Rallye lebt von Typen. Zuschauer werden jetzt zustimmen und an die mehr als 130 unterschiedlichen Modelle von 41 Marken denken, die am Donnerstag in Attendorn zur Sauerland Klassik (SK) 2019 an den Start rollen. Aber genauso interessant wie die Fahrzeuge sind die Typen hinter dem Lenkrad oder auf dem Beifahrersitz, die für ihr Hobby bisweilen eine bemerkenswerte Leidensfähigkeit an den Tag legen.

Eine Beispiel ist Paul Sanders aus Wellington bei Birmingham in England. Er und sein Sohn Tom sind das, was das deutsche Strafrecht Wiederholungstäter nennt. Sie haben die Sauerland Klassik schon kennen gelernt. Allerdings nicht 2015, als gut gelaunte Oldtimer-Freunde den Teams aus den Gartenplätzen der Eiscafés zuwinken konnten, sondern 2017, als gleich nach der ersten Wertungsprüfung ein von Regen und Sturm entwurzelter Baum auf der Straße lag und es auch in den folgenden Tagen jede Menge Sauerland-Wetter gab: nass und immer von vorne.

Lieblingsmotiv der Fotografen

Paul (Navigator) und Tom Sanders waren ein Lieblingsmotiv der Fotografen, weil sie unerschrocken dem Wetter trotzten und den kleinen und hoffnungslos offenen Austin so entschlossen über die Berge trieben. Auffällig, dass Paul Sanders auf jedem Foto und in jeder Kurve in der immer gleichen Haltung im Auto saß: „Wir haben das“, erinnert er sich an 2017, „ehrlich gesagt erst eine Woche, bevor wir losgefahren sind, ausprobiert. Die einzige Möglichkeit, wie wir beide ins Cockpit gepasst haben, war, dass ich meine rechte Schulter hinter Toms linker Schulter hatte und mich rechts hinter ihm am Auto festgehalten habe. Zusätzlich erschwert wurde alles, weil es beim Probesitzen warm gewesen war, und wir keine wasserdichte Kleidung gebraucht hatten. Im Sauerland war das ein bisschen anders.“

„Ein bisschen anders“ ist bestes englisches Understatement: „30 Minuten, nachdem ich mich ins Auto gesetzt hatte, waren mein rechter Arm und meine Beine so taub, dass ich die Kälte nicht mehr gespürt habe und mich deshalb entspannen konnte. Als wir uns dem Möhnesee näherten, war ich so relaxt, dass ich eingeschlafen bin.“

Begeistert von Sturm und Regen

Tom hatte nicht mitbekommen, dass sein Vater schlief und weckte ihn mit ein paar deutschen Flüchen, die er in Attendorn im Zusammenhang mit dem Wetter gelernt hatte. Aber irgendetwas an ihren Schilderungen von „kalt“, „umgefallene Bäume“, „Sturm und Regen“ war für englische Ohren so begeisternd, dass Sanders/Sanders nicht nur selbst umgehend für die Sauerland Klassik 2019 gemeldet haben, sondern auch Tony Wrighton, einen Jugendfreund von Paul Sanders, zu einer Anmeldung bewegen konnten. Somit machen sich dieses Jahr zwei Teams von der Insel auf den Weg ins Sauerland.

Tony Wrighton scheint übrigens aus dem gleichen Holz wie sein Freund Paul geschnitzt. Er kommt mit einem Aston Martin DB 6, dem Nachfolgemodell des berühmten James-Bond-Dienstfahrzeugs, das optisch vom Sean Connery-Mobil allerdings kaum zu unterscheiden ist. Ein Auto, dessen Wert weit im sechsstelligen Bereich liegt und das Wrighton täglich auch als Brot-und-Butter-Auto bei Wind und Wetter nutzt. Unnötig zu erwähnen, dass der DB 6 nicht im Anhänger nach Attendorn kommt, sondern auf eigener Achse anreist. Apropos James Bond: Paul Sanders und Tony Wrighton erwägen, im Smoking zum Galaabend am Samstag zu erscheinen. Der Aston verpflichtet...

Startnummer 1

Das Team Sanders wird in diesem Jahr mit der Startnummer 1 auf dem Alten Markt stehen. Gibt es sonst noch Veränderungen? „Ja“, sagt Paul Sanders, „wir haben ein paar zusätzliche Löcher in den Boden gebohrt, dann fließt das Wasser schneller ab.“ Wer das herzlos findet, dem sei gesagt, dass Löcher in die Bodenbleche bohren eine durchaus übliche Vorgehensweise bei offenen Vorkriegsoldtimern war und ist. Regen, der gleich wieder rausläuft, schwappt einem nicht in die Schuhe. Herzlos im Zusammenhang mit dem Austin wäre sowieso unmöglich. Der hat so viele Krisen überstanden…

Die erste gleich am Anfang. Als Paul Sanders den Austin kaufen konnte, stand er vor der Wahl: entweder den Austin oder eine neue Küche. „Mittlerweile“, sagt er, „haben wir aber auch eine neue Küche.“ Geht doch.

Vor Regen keine Angst

Vor Regen haben die Engländer also auch in diesem Jahr keine Angst, vor dem deutschen Benzin möglicherweise schon. 2017 mussten Sanders/Sanders nach dem zweiten Tag die Segel streichen, weil sie Benzin getankt hatten, für das der Motor aus dem Jahr 1930 eigentlich nicht gemacht ist, und Paul vergessen hatte, den Zündzeitpunkt zu verstellen. Der folgende Motorschaden verdiente das Prädikat „kapital“ und machte eine Weiterfahrt unmöglich. Knapp zwei Jahre tuckerte ein Ersatzmotor im Austin, der hat aber kürzlich ebenfalls seinen Dienst quittiert und deshalb sorgt jetzt wieder der reparierte Originalmotor für Vortrieb.

Hoffentlich! Denn bis zu dem Zeitpunkt, da diese Zeilen geschrieben werden, hat er sich noch keinen Meter bewegt.