Kirchhundem. Der emeritierte Kirchhundemer Kardinal Paul Josef Cordes sorgt mit einer Attacke gegen die Reformbewegung Maria 2.0 für harsche Kritik.

Eigentlich geht es nur um ein paar Sätze in einem Interview - aber die besitzen offenbar reichlich Sprengstoff. Und führen zu harscher Kritik. Die Rede ist von dem aus Kirchhundem stammenden Kardinal Paul-Josef Cordes (85), der im Interview mit der in Würzburg produzierten Tagespost die Reform-Bewegung „Maria 2.0“ ins Visier genommen hatte und den Frauen riet, sich besser an Johannes Paul II. zu orientieren als zum Kirchenstreik aufzurufen.

Reaktion kommt prompt

Die Reaktion auch in heimischen Reihen ließ nicht lange auf sich warten. Ansgar Kaufmann, Religionslehrer am Lennestädter Gymnasium Maria Königin und u. a. langjähriges Mitglied des Diözesan-Pastoralrates, eine Art Pfarrgemeinderat des Paderborner Bischofs, reagierte auf facebook öffentlich: „Ich schäme mich für diesen Kirchhundemer, der offensichtlich das Anliegen von Maria 2.0 überhaupt nicht verstanden hat.“

Cordes verweist auf Papst Johannes Paul II.

Der Kardinal reagierte auf unseren Hinweis, dass seine Aussagen im Kirchhundemer Land auch auf Unverständnis gestoßen sei, per Email mit den Worten: „Es ist sehr freundlich, … dass Sie mich über eine Reaktion von „Maria 2.0“ auf meine knappe Aussage informieren. Da werden die betroffenen Damen sich gewiss auch mit der wichtigen Enzyklika des Heiligen Papstes Johannes Pauls II. „Mulieris dignitatem“ befassen.“ Dort geht Johannes Paul II. ausführlich auf die „zwei einzelnen Dimensionen der Berufung der Frau im Licht der göttlichen Offenbarung“ ein, die der Mutterschaft und der Jungfräulichkeit. Beide fänden „ihren erhabensten Ausdruck“ in der Jungfrau und Gottesmutter Maria.

Original-Wortlaut des Interviews

Frage und Antwort in der Tagespost. Frage: „Dennoch gibt es auch in der Kirche Verwirrung um Vorbilder. Ein Beispiel: der Gebrauch des Namens der Mutter Jesu für die Aktion Maria 2.0. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?

Antwort Cordes: „Das Erbe Judith Butlers, der Prophetin des modernen Feminismus, in den Namen der Gottesmutter Maria hineinzudeuten, ist ein freches Lügenmanöver. Offenbar ist diesen Initiatoren zudem entgangen, dass ihre Urmutter inzwischen ins Lager der Moslems übergelaufen ist. Ob sie ihr immer noch nacheifern wollen? Sie sollten sich besser Johannes Paul II. zuwenden. Er hat ihnen und uns allen eine große Enzyklika geschrieben über die „Würde der Frau“ (1988). In ihr erhebt er aus der Botschaft des Engels Gabriel das Bild Mariens als Modell für das Frau-sein. Hier zeige sich der ganze Reichtum des eigenen Menschseins der Frau „so wie Gott sie gewollt hat, als eigenständige Person, die zugleich ,durch ihre aufrichtige Hingabe‘ sich selbst findet“. Aufrichtige Hingabe seiner selbst“ – welch kontradiktorischer Gegensatz zur ,Kirchenstreik’-Mentalität.“

Bischofskonferenz spricht mit Frauen

Ansgar Kaufmann, lange Jahre Vorsitzender des Diözesankomitees im Bistum Paderborn, schämt sich für Kardinal Cordes..
Ansgar Kaufmann, lange Jahre Vorsitzender des Diözesankomitees im Bistum Paderborn, schämt sich für Kardinal Cordes.. © Foto: Josef Schmidt

Im Gespräch mit unserer Zeitung machte Ansgar Kaufmann gestern deutlich, was ihn besonders an der Cordes-Attacke störe: „Das schadet der Kirche. Es hilft nicht, im Gestern zu verharren.“ Die Deutsche Bischofskonferenz habe die Zeichen der Zeit erkannt, anders als Cordes. Kaufmann: „Erzbischof Hans-Josef Becker hat beispielsweise signalisiert, sich mit den Frauen von Maria 2.0 und KFD-Vertreterinnen zusammenzusetzen. Die allermeisten Bischöfe haben verstanden, worum es geht. Wenn es in unserer Kirche nicht bald zu tiefgreifenden Reformen kommt, sehe ich schwarz. Die Menschen laufen uns in Scharen davon.“

Kaufmann sieht auch Verdienste Cordes’

Kaufmann verschweigt trotz aller Kritik nicht, dass sich Cordes in der Vergangenheit große Verdienste um die Kirche erworben habe, unter anderem in seinem erfolgreichen Bemühen für den Weltjugendtag. Dass er aber unter anderem strikt dem Verbot des Frauen-Priestertums von Johannes Paul II. folge, zeuge von einem veralteten und unhistorischen Bild: „Das ist theologisch höchst umstritten. Ich kann diese Position nicht nachvollziehen.“ Man solle sich vielmehr die Frage stellen, was Jesus in der heutigen Zeit zum Frauenthema und der Kirche sagen würde.

Butler-Verweis unangebracht

Ihn wundere es nicht, so Kaufmann, dass engagierte katholische Frauen entsetzt seien über die Cordes-Schelte. Insbesondere der Bezug zur angeblichen Vordenkerin der Frauenbewegung Judith Butler sei völlig daneben. Gemeint ist die Passage von Cordes’: „Das Erbe Judith Butlers, der Prophetin des modernen Feminismus, in den Namen der Gottesmutter Maria hineinzudeuten, ist ein freches Lügenmanöver.“ In einem Atemzug informiert Cordes darüber, dass Butler inzwischen in das Lager der Moslems übergelaufen sei.

Chancenlos

Kirchhundems Pastor Heinrich Schmidt erklärte auf Anfrage gestern, er habe das Cordes-Interview zwar nicht gelesen, halte die grundsätzliche Forderung von Maria 2.0, das Priesteramt für Frauen zu öffnen, aber für chancenlos: „Auf der einen Seite ist es gut, dass sich Menschen in der Kirche engagieren, aber Maria 2.0 suggeriert da etwas, das nicht umsetzbar ist. Papst Johannes Paul II., aber auch Franziskus hätten solchen Forderungen eindeutig und endgültig eine Absage erteilt.

Frauen im Pastoralverbund Kirchhundem aktiv

Rückblende: Gerade im Pastoralverbund Kirchhundem hatten sich in der Kirche engagierte Frauen - unter anderem um Silvia Greiten und Uta Färber - der Reformbewegung angeschlossen und zu mehreren Veranstaltungen wie Zukunftsgebeten eingeladen.