Olpe/Attendorn. Wegen neun gefährlicher Körperverletzungen hat das Gericht einen 20-Jährigen zu einem Jahr und zehn Monaten Jugendstrafe zur Bewährung verurteilt.

Zwischen Herbst 2018 und Mai dieses Jahres hat ein 20-Jähriger Attendorn unsicher gemacht. Er schlug zu mit Stöcken, einem Gummihammer und sprühte mehrmals Pfefferspray ins Gesicht seiner Opfer. Seine Brutalität kannte kaum Grenzen. Unterwegs war er bei seinen insgesamt neun gefährlichen Körperverletzungen mit anderen gerichtsbekannten Jugendlichen. Vor einem halben Jahr am Veilchendienstag hielt er bei der Karnevalsparty vor der Attendorner Schützenhalle einem 16-Jährigen eine Pistole an den Kopf und drohte ihn umzubringen.

Seit 13. Juni in U-Haft

Am 13. Juni erließ der Haftrichter in Olpe Haftbefehl gegen den jungen Mann wegen Wiederholungsgefahr. Seit dem 13. Juni sitzt er in U-Haft in der JVA Wuppertal-Ronsdorf. Von dort wurde er am Dienstag ins Olper Gericht gebracht. Staatsanwalt Markus Bender blieb beim Verlesen der Mammutanklage sitzen. Immer wieder provozierte der 20-Jährige in der Hansestadt Personen, pöbelte sie an und traktierte sie. Gleich an zwei Tagen sprühte er einem Attendorner Reizgas ins Gesicht. „Dann sagte er zu mir: Jetzt weißt du, wer in Attendorn Chef ist“, so der 30-Jährige.

Noch Jugendstrafrecht

Der 20-Jährige kam glimpflich davon, weil er als Heranwachsender noch nach Jugendstrafrecht verurteilt wurde.

Nach Erwachsenenstrafrecht sieht das Gesetz für eine gefährliche Körperverletzung eine Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und zehn Jahren vor.

„Die waren auf Randale aus, Der Angeklagte war richtig aggressiv, der andere nur Mitläufer“, berichtete auch ein 64-Jähriger, der am Südwall attackiert wurde. Der 20-Jährige habe im Gebüsch einen Ast abgebrochen und ihn damit auf den Rücken geschlagen. Im Schwalbenohl schlug er einen 27-Jährigen mit einem Stock gegen Hals, Arm und Bauch. Einen Nachbarn, bei dem er Geld eintreiben wollte, schlug er in dessen Wohnung mit einem Gummihammer.

Eine Flasche Wodka am Tag

Mit Freunden hatte ein 16-Jähriger am Veilchendienstag in der Attendorner Stadthalle Karneval gefeiert. Unbewusst im Vorbeigehen habe er draußen eine Wodka-Flasche des Angeklagten umgetreten, so der Schüler. Zehn Minuten später sprühte der 20-Jährige ihm Pfefferspray ins Gesicht und hielt ihm dann die Pistole an den Kopf. „Er sagte, wenn ich jetzt abdrücke, ist es vorbei. Ich hatte richtig Panik und krasse Angst“, sagte der 16-Jährige.

Es sei eine Softairpistole gewesen, so der Angeklagte. Bei den Taten sei er sehr stark alkoholisiert gewesen: „Ich habe damals pro Tag eine Flasche Wodka getrunken, Bier und Prosecco. Dazu jeden Tag ein Gramm Cannabis.“ Der Vertreter der Jugendgerichtshilfe empfahl die Anwendung von Jugendstrafrecht für den 20-Jährigen. Es sei schon früh zu Gewalttätigkeiten des Stiefvaters gekommen, nach dem Tod der Großeltern habe er angefangen mit Drogen und Alkohol. „Die U-Haft scheint ihn beeindruckt zu haben. Er will eine Alkoholtherapie und ein Antiaggressionstraining machen. Er hat Defizite in der Entwicklung, zeigt sich erziehungsbereit. Mit dem jungen Mann muss intensiv gearbeitet werden“, meinte der Vertreter der Jugendgerichtshilfe, der eine Jugendstrafe zur Bewährung empfahl.

120 Sozialstunden

„Eine voll umfängliche Einsicht erlebe ich hier heute bedauerlicherweise nicht“, meinte Staatsanwalt Markus Bender: „Sie geben den Opfern keine Chance. Da wird sofort losgesprüht, völlig erbarmungslos. Es ist echt gruselig, sich das heute hier anzuhören. Und dann halten sie jemandem eine Knarre an den Kopf und drohen, ihn kalt zu machen.“ Primär sei der Erziehungsgedanke zu berücksichtigen, so Bender, der für ein Jahr und zehn Monate Jugendstrafe zur Bewährung sowie als Auflage 120 Stunden gemeinnützige Arbeit plädierte. Eine „Jugendstrafe nicht über einem Jahr“ forderte Verteidiger Jan-Robin Heuel, der von einigen Notwehrsituationen sprach.

Das Gericht folgte im Urteil der Staatsanwaltschaft. Zudem muss der 20-Jährige, der das Gericht als freier Mann verlassen konnte, eine ambulante Alkoholtherapie antreten. „Der Zeuge kommt aus der Stadthalle, wo er sich nach dem Pfefferspray die Augen ausgewaschen hat und dann hält der Angeklagte ihm eine Pistole, die von einer echten nicht zu unterscheiden ist, an den Kopf. Das war eine massive Bedrohung mit dem Tod“, sagte Richter Richard Sondermann. Die Aussetzung der Strafe zu Bewährung sei „unter Zurückstellung erheblichster Bedenken.“