Olpe. Die DDR-Zeitzeugin Sigrid Richter erzählte am Städtischen Gymnasium in Olpe ihre Geschichte. Kinder und Lehrer hörten ihr gespannt zu.

Sigrid Richter ist in der DDR aufgewachsen. Sie hat die Bespitzelung durch den Staatssicherheitsdienst selbst erlebt. Heute reist sie durch Deutschland, erzählt den Menschen ihre Geschichte. Am Donnerstag besuchte sie das Städtische Gymnasium in Olpe (SGO). Den Schülern und Lehrern berichtete sie unter anderem von dem Tag, als die Stasi bei ihr vor der Tür stand.

Die Zeitzeugin wuchs in Mecklenburg in einem guten Elternhaus auf, genoss nach eigener Darstellung eine unbeschwerte Kindheit und wurde 1958 eingeschult. In ihrer Schule wurde großer Wert auf die Erziehung zum Sozialismus gelegt. Teils unterschwellig, teils ganz offensichtlich wurden den Schülern die Werte des Sozialismus vermittelt: „Man wurde“, so Sigrid Richter, „in jeder Hinsicht gelenkt.“ So habe sie die Besetzung der DDR durch die UdSSR nicht als solche empfunden: Für sie war das eher der „große Bruder, der uns hilft und uns beschützt.“ Damals vertraute sie dem System, ließ sich beeinflussen und lenken und wurde Lehrerin.

Zehn Jahre Haft

Sigrid Richter lernte ihren Mann Rainer kennen, die beiden heirateten und bekamen ein Kind, Thomas. ihr Mann, war es, der als erster Zweifel gegenüber dem System hegte, „und so wurde auch an meinen Vorstellungen vom Sozialismus stark gerüttelt“, erklärte sie den Schülern am SGO.

Am 8. März 1985 wurde den Richters dann eine Fluchtmöglichkeit aus der DDR angeboten: Ein entfernter Bekannter wollte sie mit dem Auto illegal Richtung West-Berlin schleusen. „Ein einmaliges Angebot“, dachten sich die Richters, entschieden sich letztlich aber doch dagegen. Auch um ihren neunjährigen Sohn Thomas zu schützen. „Wir dachten, wir sitzen das hier einfach aus und warten, ob unser Ausreiseantrag vielleicht doch genehmigt wird“, erklärte sie den Schülern.

Also sei sie nach Ost-Berlin gefahren, um den Fluchtversuch bei den Bekannten abzusagen. Welche fatalen Folgen das hatte, wurde ihr erst knapp zwei Wochen später bewusst.

Am 20. März 1985 stand dann die Stasi vor Sigrid Richters Haustür. „Niemand wusste damals genau, wie die Stasi aussieht, aber ich habe sie sofort erkannt“, berichtete sie.

Als sie den Moment ihrer Verhaftung schilderte, war es vollkommen still im Raum. Die Schüler bangten mit ihr. Sie erzählte, wie sie und ihr Mann sofort abgeführt wurden. Ihr Sohn Thomas war zu der Zeit in der Schule. Sie kamen in die Untersuchungshaft, wurden tagelang verhört und dann schließlich zu zehn Jahren Haft verurteilt.

Ein Psychokrieg

„Das war ein Psychokrieg“, schilderte sie. Knapp anderthalb Jahre später, am 4. November 1986, geschah das große Wunder: Sie wurde von der Bundesrepublik Deutschland freigekauft, konnte das Gefängnis nach 21 Monaten verlassen und zusammen mit ihrem Mann in den Westen einreisen. Ihr Sohn kam zwei Monate später mit ihrer Schwiegermutter nach.

Später erfuhr Sigrid Richter, dass sie schon lange vor ihrer Verhaftung von der Stasi observiert worden war. „Wir haben nichts davon gemerkt“, fügte Sigrid Richter hinzu. „Wir haben damals nicht verstanden, wie das System wirklich funktionierte und sind dadurch in die Falle getappt. Heute hat jeder Zugang zu Informationen. Genau das möchte ich euch jungen Zuhörern mit auf den Weg geben. Informiert euch genug und glaubt nicht alles, was euch erzählt wird“, schloss Sigrid Richter ihren Vortag ab.

Die Schüler am Städtischen Gymnasium zeigten sich bestürzt. Einige waren erschrocken, andere wollten noch mehr wissen.