Drolshagen/Kolumbien. Jörg Stamm aus Drolshagen lebt seit 25 Jahren in Kolumbien. Dort hat sich der Schreiner auf den Bau mit Bambus spezialisiert.

Der Bambus ist das Pflaster der Natur. Wenn in den Tropen ein Baum umstürzt, schießt er empor, bahnt sich seinen Weg viele Meter in die Höhe, schließt die entstandene Lücke. Er ist grazil wie Gras, aber stark wie Stahl. Deswegen wird Bambus seit Jahrhunderten in Südamerika und Asien eingesetzt, um Häuser zu bauen. Jörg Stamm aus Drolshagen hat den Einsatz als Baustoff perfektioniert. Er gilt als „Bambus-Prophet“, baut überall in den Tropen ganze Brücken und Schulen in moderner Bauweise aus der Pflanze. Wie er dazu gekommen ist?

In Kolumbien festgeküsst

Eine 30 Meter lange Brücke aus Bambus in Sumatra.
Eine 30 Meter lange Brücke aus Bambus in Sumatra. © WP | Privat

Jörg Stamm ist 56 Jahre alt und gelernter Schreiner. Seine Lehre hat der gebürtige Drolshagener in Olpe gemacht. 1983 zieht es ihn das erste Mal nach Südamerika, nach Peru. Das Reisefieber packt ihn, jedes Jahr schaut er sich über die Winterzeit ein anderes Land an, fliegt nach Brasilien, nach Venezuela – und schließlich auch nach Kolumbien. „Das war damals ein ziemliches Abenteuer“, erinnert sich Jörg Stamm. „Für mich als junger Mann war das spannend.“

Er ist geblieben. Seit 25 Jahren lebt er nun in Kolumbien, in Popayán, ein kleines Kolonialstädtchen im Süden. Er lernt Sandra Fernandez kennen, heiratet sie 1994, verliebt sich in die Kultur des Landes – und wird mit seinem Wissen und Können als Schreiner zu einem wichtigen Mitglied der Gemeinde. Es war ein schweres Erdbeben, das die Menschen in Popayán vor eine große Herausforderung stellte.

Das Dorf war zerstört, die Brücken eingestürzt. Die Holzvorräte waren knapp – dafür war Bambus reichlich vorhanden. Er nutzt sein sauerländisches Handwerkskönnen, macht sich mit einem ortsansässigen Ingenieur an die Arbeit, lässt die Brücke von der RWTH Aachen durchrechnen – und ist erfolgreich. „Wir haben zu Fuß Bambus gesammelt, Zement musste per Hubschrauber eingeflogen werden“, so Stamm: „Eine schwierige Situation.“

Der Turm aus Bambus steht im Nationalpark in Costa Rica.
Der Turm aus Bambus steht im Nationalpark in Costa Rica. © WP | Privat

Mittlerweile ist der 56-Jährige überall in den Tropen gewesen, hat etliche Brücken, Schulen oder Gemeindezentren gebaut, in Indien, Brasilien, Panama, Mexico – sogar auf den Südsee-Inseln. „Dort herrschten noch sehr traditionelle, rustikalere Methoden“, sagt Stamm. „Ich habe die praktische Art und Weise mitgebracht.“

2007 hat er im Urwald von Bali eine Privatschule aus Bambus gebaut, die sogenannte Green-School. Es geht nicht nur um den Bambus als schnell nachwachsender Rohstoff. Jörg Stamm geht es auch um die Botschaft, dass viele Produkte aus den sogenannten Dritte-Welt-Ländern von Nutzen sind.

Erster Kontakt in Madagaskar

Sein erster Kontakt mit Bambus liegt viele Jahre zurück. Da war er gerade 21 Jahre alt. Mit dem Biologen Bernhard Meier aus Grevenbrück, Lehrer am Städtischen Gymnasium Lennestadt, war Stamm in Madagaskar unterwegs, als Feldassistent bei der Erforschung von Affen. Dort hat er den 20 Meter hohen Riesenbambus das erste Mal gesehen. Sie suchten nach der Ursache, warum dieser Bambus stellenweise zerfressen war – und fanden sie. So entdeckten sie eine neue Lemuren-Art, den Goldenen Bambuslemur, der sich eben von Bambus ernährt.

Aktuell arbeitet Jörg Stamm an einem Naturschutzgebiet für Orang-Utas in Sumatra mit, hat dort ein ganzes Hotel aus Bambus gebaut. Jetzt ist er dabei, eine Brücke über den Fluss zum Nationalpark fertigzustellen. Außerdem gibt er Kurse rund um den Bambus-Bau, weltweit teilt er sein Wissen. Es ist ein schönes, wenn auch bescheidenes Leben. „Ich lebe, wo andere Urlaub machen“, sagt er. „Es ist kein reiches Leben, dafür aber umso interessanter.“