Gerlingen. Kunst überwindet Kulturen und Generationen: Burkhard Ridder aus Gerlingen und Sami Geberemariam aus Eritrea sind Freunde.

Es ist eine ungewöhnliche Freundschaft. Auf der einen Seite der alt eingesessene Rentner aus dem Dorf im Wendschen, auf der anderen Seite der Flüchtling aus Äthiopien. „Wäre er nicht geflüchtet, hätten wir uns nie kennengelernt. Die Kunst verbindet uns“, sagt Burkhard Ridder im Gespräch mit dieser Zeitung. Nicht nur die völlig unterschiedlichen Kulturen, auch die verschiedenen Generationen waren kein Hindernis für die Freundschaft des 63-Jährigen und des jungen Mannes (32) aus Eritrea. Burkhard Ridder fertigt Skulpturen aus Holz, Sami Geberemariam malt Bilder mit Acrylfarben.

Erstes Treffen in Grevenbrück

Es war im Jahr 2015, als sich die Wege der beiden Künstler in Grevenbrück kreuzten. „Es war auf seiner Ausstellung im Kulturbahnhof in Grevenbrück. Seit dieser Zeit sind wir befreundet“, sagt Burkhard Ridder. Ab und zu trafen sich die Beiden. „Er ist Maler, ich bin Bildhauer. Der Austausch ist unheimlich fruchtbar. Dann kam die Idee, dass er meine Skulpturen bemalt. Das ist eine geniale Sache“, so der 63-Jährige.

Anfang 2016 habe Sami dann zu ihm gesagt, er solle doch mal eine afrikanische Frauenskulptur machen, die er dann bemalen könne: „Ich hatte nicht so viele Möglichkeiten, mir das vorzustellen. Da hat Sami mir einfach das Porträt einer afrikanischen Frau auf seinem Handy skizziert“, schmunzelt Ridder. 15 Skulpturen hat das Duo bereits gemeinsam erschaffen: „Holz ist gut zu bemalen. Das funktioniert gut mit seinen Acrylfarben. Ich brauche fünf bis sechs Wochen und Sami dann noch einmal vier Wochen.“

Zeichen für Toleranz

Die Freundschaft bezeichnet der Gerlinger, der seit zehn Jahren leidenschaftlich Holzskulpturen fertigt, als ein gutes Zeichen für Toleranz: „Man muss gegen alle rassistischen Auswüchse gegenhalten. Die Kunst ist ein guter Wegbereiter dazu.“ Und: „Entscheidend ist: Er als geflüchteter und integrierter Afrikaner und ich, der ewig hier seine Arbeit gemacht hat, haben uns getroffen.“

Burkhard Ridder will die Entwicklung des Künstlers aus Eritrea („Er hat ein unglaubliches Talent“) weiter fördern. Am 1. Januar 2019 hat er seine Schreinerei in Gerlingen verpachtet und nun mehr Zeit für die Kunst: „In der ersten Jahreshälfte habe ich in der Schreinerei ein kleines Atelier gebaut. Hier kann Sami seine Bilder jetzt dauerhaft ausstellen.“

Galerie öffnet am 1. September

Auch die Gemeinschaftswerke, die bemalten Skulpturen, können hier bewundert werden. Am Sonntag, 1. September, wird die „Kopfholz-Galerie“ an der Koblenzer Straße eröffnet. „Das ist der nächste Schritt. Wir haben jetzt ein gemeinsames Ausstellungsforum“, freut sich Burkhard Ridder.

Eröffnung am Sonntag

Die neue „Kopfholz-Galerie“ von Burkhard Ridder wird am Sonntag, 1. September, an der Koblenzer Straße 92 in Gerlingen eröffnet. In der Zeit von 11 bis 17 Uhr steht sie an diesem Tag für alle Interessierten offen.

Zwar gibt es künftig keine dauerhaften Öffnungszeiten, doch wer Interesse hat, die Galerie anzuschauen, kann sich melden unter folgenden Telefonnummern: 0175-5455718 oder 02762/929386.

Sami Geberemariam ist glücklich. „Es ist eine tolle Sache, dass ich solche Leute gefunden habe. Ich habe die große Möglichkeit, dass ich meine Kunst präsentieren kann. Unsere Gemeinschaftsarbeit finde ich sehr gut.“ In Eritrea lebte der begabte 32-Jährige von seiner Kunst. Er besaß eine kleine Galerie. Doch die Menschen dort hatten unter dem Regime zu leiden. In Eritrea und Äthiopien herrschen Willkür, Unterdrückung und Verfolgung. Viele Freunde und Bekannte des Künstlers verschwanden spurlos und wurden getötet. Sami Geberemariam sah als einzigen Ausweg nur die Flucht in ein sicheres Land. Über Umwege kam er 2011 nach Finnentrop.

Mittlerweile ist der 32-Jährige, der in Meggen wohnt, als Flüchtling anerkannt. „Ich möchte mir nicht vorstellen, mit 30 aus Gerlingen wegzugehen und alles hinter mir zu lassen“, sagt der 63-Jährige. Sami Geberemariam hat ein Jahr Bundesfreiwilligendienst bei der Stadt Lennestadt absolviert und will jetzt einen weiteren Sprachkurs machen, obwohl er schon hervorragend Deutsch spricht. Der 32-Jährige gibt Kindern in Finnentrop und Grevenbrück Malkurse. „Er hat auch schon Kurse in Altenheimen gegeben. Die soziale Komponente macht ihm Spaß“, so Ridder.

Beeindruckende Bilder

Die Bilder des jungen Künstlers aus Eritrea sind beeindruckend, das Spektrum seiner Motive ist nahezu grenzenlos. Sie zeigen Stationen seines Lebensweges, seiner Flucht, sind aber auch fröhlich und hoffnungsvoll. Er hat Waschfrauen in Addis Abeba gemalt oder ein überfülltes Flüchtlingsboot.

Im November vergangenen Jahres machten Burkhard Ridder und Sami Geberemariam eine gemeinsame Ausstellung im Kulturbahnhof in Grevenbrück. Der Titel lautete „Schwarz. Weiß. Bunt. Werke einer außergewöhnlichen Freundschaft.“ Bei der Vernissage brachte es Dr. Brigitte Limper auf den Punkt: „Jeder der beiden Künstler hat, auch oder gerade durch den gegenseitigen Austausch, eine ganze individuell wertvolle Entwicklung durchlaufen, die ohne den Kontakt und Einfluss des anderen wahrscheinlich anders verlaufen wäre. Ich persönlich würde mir wünschen, dass solche generationsübergreifende, kulturelle und Ländergrenzen überwindende Freundschaften in Zukunft weltweit zu ähnlichen positiven Aufbrüchen und freundschaftlichen Weiterentwicklungen führen werden.“