Olpe/El Paso. Jürgen Volmer lebte als Berufssoldat von 2010 bis 2016 in der texanischen Stadt an der Grenze zu Mexiko. Er hat dort heute noch viele Freunde.

Jürgen Volmer fand nur wenig Schlaf. Die Nacht auf Sonntag verbrachte der 57-Jährige aus Olpe größtenteils im Wohnzimmer vor dem Fernseher statt im Bett. Er verfolgte die Nachrichten auf CNN, dem bekannten amerikanischen TV-Sender. Ein Auge hätte er vermutlich sowieso nicht zubekommen, viel zu aufgewühlt war er nach den Ereignissen von El Paso. In der Großstadt an der Grenze zu Mexiko in Texas hatte am Wochenende ein offenbar junger Mann 20 Menschen in einem Einkaufszentrum erschossen. Möglicherweise handelte er aus Fremdenhass.

Ein Bild vergangener Tage: Die deutschen Soldaten, die in El Paso stationiert sind, machen ein gemeinsames Foto. Auch Jürgen Volmer ist dabei.
Ein Bild vergangener Tage: Die deutschen Soldaten, die in El Paso stationiert sind, machen ein gemeinsames Foto. Auch Jürgen Volmer ist dabei. © WP | Flemming Krause

Dass Jürgen Volmer besonders mitfühlt und sich über die Situation in El Paso ausführlich informiert, hat einen nahe liegenden Grund: Der 57-Jährige kennt die Stadt wie seine eigene Westentasche. Von 2010 bis 2016 lebte er gemeinsam mit Frau Claudia und seinem jüngsten Sohn in der texanischen Großstadt, die als wichtiges Trainingscamp für angehende US-Soldaten gilt, und diente dort als Berufssoldat. Als Informationsmeister war er so etwas wie das Bindeglied zwischen den deutschen und amerikanischen Soldaten. Zu Trainingszwecken war der Olper auch schon in den 80er Jahren das eine oder andere Mal in El Paso. Die Stadt ist für ihn daher mehr als ein zweites Zuhause.

Facebook-Post

„Natürlich schossen mir als erstes die Gedanken durch den Kopf, ob unter den Verletzten oder gar Getöteten Freunde oder Bekannte sind“, erklärt der sympathische Mann mit der Kojak-Frisur im Gespräch mit dieser Redaktion. Glücklicherweise sei dem nicht so gewesen.

Sein zweiter Gedanke: Er selbst war regelmäßiger Besucher des betroffenen Einkaufszentrums. „Dort haben im Prinzip alle deutschen Soldaten von uns eingekauft“, erinnert sich der verheiratete Familienvater zurück. Dass genau dieses Einkaufszentrum nun betroffen sei, sei schon ein komisches Gefühl. Auf seinem Facebook-Account postete Volmer, der im März 2016 im Alter von 55 Jahren pensioniert wurde und aus familiären Gründen zurück in die Kreisstadt kam, am frühen Sonntagmorgen auch gleich ein Foto von sich mit dem Spruch: „Pray for El Paso“. Also: Beten für El Paso. „Ich habe durch meinen sechsjährigen Aufenthalt natürlich eine ganz besondere Verbindung zu El Paso. Wir haben dort viele Freunde, mit denen ich regelmäßig im Kontakt stehe. Dafür habe ich sogar eine eigene USA-Telefonflat.“ Seinen Bekannten gehe es aber gut.

Zur Person

Jürgen Volmer war Oberstabsfeldwebel. Das ist das höchste „Amt“ eines Unteroffiziers.

Bevor Jürgen Volmer zur Bundeswehr ging, absolvierte er von 1977 bis 1980 eine Lehre zum KFZ-Mechaniker.

Überrascht war Volmer weniger über die Tat an sich, sondern viel mehr über den Ort des Geschehens. Denn El Paso, so berichtet der Olper, sei im Prinzip eine reine Militärstadt mit zig Tausenden Soldaten und daher eigentlich eine der sichersten Städte in den USA, so Volmer. Andererseits befinde man sich eben in Texas, wo im Prinzip jeder Bürger, der älter als 21 Jahre sei und einen Ausweis mit sich trage, problemlos an eine Waffe gelangen könne. „Vor verrückten Menschen sind wir leider nie gewappnet, schon gar nicht in den USA“, betont der Olper mit Blick auf das viel diskutierte Schusswaffengesetz, hinter dem bekanntlich eine starke Waffenlobby steckt.

37 Jahre lang Berufssoldat

Aus seiner eigenen Erfahrung weiß Volmer jedoch, dass relativ schnell wieder der Alltag Einzug halten wird. Die Sicherheitsvorkehrungen, gerade in den Bereichen, wo viele Menschen zusammenkommen, würden zwar verstärkt, ansonsten gingen die Einwohner El Pasos zügig wieder ihrem normalen Alltag nach.

Die Menschen dort beschreibt der pensionierte Berufssoldat, der diesen Job 37 Jahre lang ausübte, übrigens als wahnsinnig freundlich, hilfsbereit und zuvorkommend. „Was mich am meisten an den Menschen dort fasziniert, ist ihre Ruhe. Wenn bei uns in Deutschland an einer Kasse eine große Menschenschlange steht, kommt sofort Hektik auf. Das ist in El Paso ganz anders.“

Darüber hinaus genössen die Soldaten, ganz egal woher sie kämen, einen sehr großen Stellenwert. Sie seien für die Menschen in El Paso Respektspersonen. „Da kommen dann auch wildfremde Menschen auf dich zu und bedanken sich dafür, dass wir für ihre Sicherheit sorgen. Und in den Läden bekommen die Soldaten grundsätzlich Prozente“, erklärt der Olper, der ganz nebenbei sogar Ehrenbürger der Großstadt nahe Mexikos ist. Ein weiterer Grund für diese besondere Beziehung zu El Paso.