Langenei. Nach 24 Jahren gibt der 51-jährige Dirk Flachsbart den Kiosk an der Fredeburger Straße auf. Langenei verliert eine Institution.

Der rothaarige Teenager grinst, als er seine erneute Bestellung aufgibt: „Ich habe gerade die Cola-Kirsch-Flaschen gehabt. Davon will ich noch mehr, ein Tütchen für ein Euro. Geht das?“ Natürlich geht es. Dirk Flachsbart, Betreiber des Kiosk in Langenei, grinst zurück, freut sich darüber, dass seine Süßigkeiten offenbar den Geschmack seiner Kunden treffen. Während ich mit ihm spreche, kommt ein Kunde nach dem anderen, meistens Stammkunden. Und die machen allesamt kein Geheimnis daraus, dass ihnen der Kiosk ans Herz gewachsen ist. Regelrecht schockiert hat sie die Nachricht, die sich gerade in Windeseile in Langenei und Kickenbach verbreitet: Der Kiosk macht dicht.

Wehmut schwingt mit

„Ja, das stimmt, am Mittwoch ist Schluss. Nach 24 Jahren“, bestätigt Flachsbart, und während er das sagt, lässt sein Gesichtsausdruck keinen Zweifel aufkommen: „Natürlich ist auch ein bisschen Wehmut mit dabei. Aber ich muss an die Zukunft denken.“

Die Tage des Kiosk sind gezählt. Dirk Flachsbart hört nach 24 Jahren auf.
Die Tage des Kiosk sind gezählt. Dirk Flachsbart hört nach 24 Jahren auf. © WP | Josef Schmidt

Mit ein Grund, warum er sein Geschäft aufgibt, ist aber nicht nur sein Alter und die Idee, nochmal etwas Neues anzufangen. Die vielen täglichen Stunden, die er in dem kleinen Fachwerk-Häuschen seit Ende der 90-er Jahre schiebt, sind nicht in den Kleidern stecken geblieben. „Ich mach’ morgens immer um 5 Uhr auf, bis abends.“ Auch samstags und sonntags war der Kiosk noch ein paar Stunden geöffnet: „Als ich angefangen habe, lohnte es sich noch, bis abends um 20 Uhr offen zu halten. Aber es hat sich doch vieles verändert.“

Geschäft nicht leichter geworden

Was Flachsbart meint, liegt auf der Hand: Die Ladenöffnungszeiten waren damals noch weitgehend zementiert, Tankstellen lieferten überwiegend Sprit, mutierten erst mit den Jahren zu kleinen oder sogar mittelgroßen Einkaufs-Shops. Auch das Dosenpfand versetzte dem Kiosk Einbußen: „Früher holten sich viele Kunden mal im Vorbeigehen ‘ne Dose Cola und warfen sie dann eben weg. Das mit dem Pfand ist den meisten zu umständlich.“

Stammkunden bedauern

Stammkunde Samuel Nawrath hat das pure Kiosk-Feeling geschätzt.
Stammkunde Samuel Nawrath hat das pure Kiosk-Feeling geschätzt. © WP | Josef Schmidt

Alles Entwicklungen, die Kiosk-Betreiber Flachsbart zusetzten. Während wir miteinander die alten Zeiten vorüber ziehen lassen, wird aber mit jedem Kunden, der am Kiosk hält, eines ganz deutlich: Langenei verliert eine liebgewonnene Institution. Samuel Nawrath (21) ist einer der vielen Stammkunde, und aus seiner Trauer macht er kein Geheimnis: „Eigentlich müssten die Stammkunden alle noch ein Abschiedsgeschenk für Dich holen“, sagt er, und bringt auf den Punkt, was vermutlich viele Langeneier und Kickenbacher denken: „Das hier ist immer Kiosk-Feeling pur gewesen. Allein die Gespräche mit Dirk werden wir vermissen.“ Am besten solle man Unterschriften sammeln, um ihn zum Bleiben zu bewegen.

Dem kann der nächste Stammkunde, Andreas von Schledorn (51), nur beipflichten: „Hier kriegt man doch alles, was man so braucht. Zigaretten, Bier und so weiter.“

„Ich komm’ noch dreimal bis Mittwoch

„Haste Eistee da? fragt schon der Nächste. Er ist Nachbar des Kiosk, und „Stammkunde der ersten Stunde“: „Das ist unheimlich schade, dass er zumacht.“ Sagt es, klemmt sich zwei Literflaschen Limo und Cola unter den Arm und dreht sich im Gehen noch mal mit einem Grinsen um: „Bis übermorgen bin ich noch dreimal hier.“

Und so geht es nahtlos weiter:

Auch Andreas von Schledorn (51) gehört zu den Stammkunden des Kiosk, die das Aus bedauern.
Auch Andreas von Schledorn (51) gehört zu den Stammkunden des Kiosk, die das Aus bedauern. © WP | Josef Schmidt

Die 12-jährige Paula kämpft fast mit den Tränen. Trotzig, wie man es von einem Teenie kennt, protestiert sie: „Ich will nicht, dass er zumacht. Das ist einfach doof.“ Der 19-jährige Jan Picker hat sogar einen ganzen Einkaufszettel mit dabei: „Also eine Tüte für zwei Euro komplett gemischt“, fängt er an und beweist damit, was nach wie vor ein Alleinstellungsmerkmal des Kiosk ist: Schnucktüten auf Bestellung.

Schnucktüten sonst nirgends

Das weiß auch Flachsbart: „Das kriegt man doch sonst nirgends.“ Recht hat er: Ein paar Gummibärchen oder Lakritze in der Tüte, Colafläschchen und andere Leckereien. Auch, wenn die „Schnucktüten“ nicht gerade im Empfehlungs-Katalog eines Ernährungsberaters auftauchen.

Aber Flachsbart ist auch für die notwendigen Dinge des alltäglichen Lebens zuständig. Belegte Brötchen für 1,20 Euro und Kaffee für eilige Beschäftigte, die das kleine Frühstück auf dem Weg zur Arbeit nicht missen wollen. Das Industriegebiet Karlshütte ist nur einige hundert Meter entfernt.

Vier Einbrüche in sieben Jahren

Bevor ich gerade gehen will, nennt Flachsbart noch einen aus seiner Sicht besonders ärgerlichen Grund für die Geschäftsaufgabe: „In den letzten sieben Jahren ist hier vier Mal eingebrochen worden. Das letzte Mal im März 2019.“ Jedes Mal hatten es die Täter vor allem auf die Zigaretten abgesehen: „Immer so 2.000 bis 2.500 Euro Schaden. Da verliert man auch irgendwann die Lust.“