Kreis Olpe. . Automobilzulieferer leiden unter Produktionsrückgängen. Fünf Firmen im Kreis fahren bereits Kurzarbeit, Tendenz weiter stark steigend
„Wenn VW hustet, bekommt mancher Zulieferer bei uns eine Lugenentzündung“, so ein Insider aus der heimischen Automobilzulieferindustrie. Anders gesagt: Lahmt der Neuwagenabsatz, bekommen dies auch die heimischen Automotive-Zulieferer zu spüren. Derzeit haben bereits fünf Firmen im Kreis Olpe (drei im Kreis-Siegen Wittgenstein) genehmigte Kurzarbeit, Tendenz steigend. Denn bei der Agentur für Arbeit in Siegen liegen schon 24 neue Anzeigen aus beiden Kreisen vor, die aber noch nicht bearbeitet bzw. genehmigt sind.
Von dem Beginn einer andauernden Krise will Andre Arenz, 1. Bevollmächtigter der IG Metall im Kreis Olpe, noch nicht sprechen. Die Konjunktur schwächele, Arenz befürchtet Umsatzrückgänge zwischen fünf und zehn Prozent. „Ich gehe aber davon aus, dass dies ein vorübergehender Effekt ist“, so der Gewerkschafter. Die Gründe dafür könne man nicht genau spezifizieren.
Schlechte Stimmung wegen Gehaltskürzung
Die Stimmung in den Belegschaften der betroffenen Firmen ist entsprechend schlecht.
In der Kurzarbeit-Phase verdienen die betroffenen Mitarbeiter weniger Geld, für ledige Mitarbeiter bleiben nur 60 Prozent ihres Gehalts übrig, Familienväter mit Kind müssen mit 67 Prozent auskommen, teilt die IG Metall mit.
Dazu gehörten aber sicher die Verunsicherung durch den Dieselskandal und die Umstellung auf den WLTP-Abgastest. Aber auch der schwächelnde Markt in Asien und die Verunsicherung in den USA durch die unberechenbare Trump-Regierung zeigen Wirkung.
Besonders die strengeren Abgasregeln nach dem neuen Prüfstandard WLTP („Worldwide Harmonized Light-Duty Vehicles Test Procedure“), der am 1. September 2018 eingeführt wurde, hatte unmittelbare und drastische Folgen für den Autoabsatz im Land.
Kein Geheimnis ist, dass vor allem der VW-Konzern die Umstellung verschlafen hatte, wochenlang konnten keine Neuwagen bestellt werden. Der Automarkt in Deutschland brach folglich noch im gleichen Monat ein. Nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamtes kamen im September „nur“ gut 200.000 Neuwagen auf die Straße, das sind 30,5 Prozent weniger als im gleichen Vorjahresmonat. Dieser Crash blieb zwar die Ausnahme, die Nachfrage dennoch gedrosselt. Im April rollten mit 311.000 Neuwagen ein Prozent weniger Fahrzeuge auf die Straße als vor Jahresfrist, wie das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) mitteilt. Schon zu Jahresbeginn waren die Neuzulassungen leicht geschrumpft.
Pressen stehen still
Die Negativzahlen bekommen die heimischen Automobilzulieferindustrie nun zu spüren. Denn die Firmen produzieren nicht auf Halde. Gehen weniger Neuwagenbestellungen ein, werden die Serien-Abrufmengen sofort reduziert. Folge: die Pressen stehen still. „Geringere Bestellmengen spüren wir 1:1“ und die „Abrufmengen sind deutlich geringer als im Vorjahr“, so der Leitende Mitarbeiter eines Unternehmens in Kreis Olpe.
Die Folge: Die Umsatzzahlen in der Metallerzeugung und -bearbeitung in NRW gingen im ersten Quartal 2019 mit einem Minus von 6,4 Prozent auf 10,1 Mrd. Euro, zurück, im Automobilbau waren es mit 8,4 Mrd. Euro 2,1 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum, hat das Statistische Landesamt ausgerechnet. Die Konsequenz: Viele Firmen haben bereits Leiharbeiter entlassen und versuchen sich nun mit Kurzarbeit durch das Konjunkturtal zu schleppen.
Ein breiterer Produktionsmix, um die Abhängigkeit von der Automobilindustrie zu reduzieren, ist in fast jedem Unternehmen der Zulieferbranche ein Thema. Bei Firmen, die direkt für die Pkw- und Nutzfahrzeughersteller produzieren, liegt der Automotive-Anteil im Schnitt bei satten 80 Prozent.
Der Absatz ist stabil
Arndt G. Kirchhoff, Präsident des Verbandes der Metall- und Elektro-Industrie Nordrhein-Westfalen, interpretiert die Zahlen mit mehr Gelassenheit: „Richtig ist, dass die Unternehmen 2018 im Zusammenhang mit der WLTP-Prüfung Fahrzeuge produziert haben, die sie erstmal nicht verkaufen konnten. Das hat dazu geführt, dass Flächen angemietet worden sind, um die Autos unterzubringen.“
Die Absatzzahlen sind für Kirchhoff kein Grund zur Sorge: „Die sind stabil, das ist Vorjahresniveau und damit sehr hoch.“ Erkennbar sei aber, dass die Produktionszahlen dem Absatz um 10 bis 12 Prozent hinterherhinke: „Die Differenz ergibt sich aus den Fahrzeugen, die im vergangenen Jahr auf Halde produziert worden sind.“
Schwierig für die heimischen Unternehmen sei, dass sich die Hersteller nicht in die Karten gucken ließen: „Die sagen uns natürlich nicht, welche Modell sie verkaufen und welche nicht.“
Im Moment sehe es so aus, als ob sich Absatz und Produktion im Jahresverlauf wieder angleichen würden: „Wenn der Absatz so bleibt, muss die Produktion nachziehen.“