Attendorn. . WP-Serie stellt Menschen und ihr Zuhause vor. Die letzte Folge führt nach Attendorn. Dieses Mal öffnet Marlies Backhaus die Haustür.
Der Blick verliert sich. Irgendwo zwischen den Formen und Farben fällt das Fokussieren schwer. Zu übersättigt sind die Sinne. Es ist ein Kunsthaus, in dem Marlies Backhaus mit ihrer Familie lebt. Ein richtiges Kunsthaus. Zahlreiche Bilder zieren die Wände, erfordern einen zweiten Blick. Und zwischendrin überall Skulpturen und Installationen. Die Künstlerin aus Attendorn führt uns heute durch ihre Galerie. „Haben Sie genug Zeit mitgebracht?“, fragt sie. „Gut, dann öffne ich noch den Koffer.“ Was sich wohl in diesem ominösen Reisegepäck verbirgt? Und was ist bloß mit den Türen in dem Attendorner Zuhause passiert?
Selbst aus Müll macht sie Kunst
Marlies Backhaus ist 75 Jahre alt. Sie lebt zusammen mit ihrem Mann Hans-Joachim (78) und ihrem zweiten Sohn Jan (36) in dem Haus. Mittlerweile ist sie Pensionärin. Sie hat viele Jahre als Kunsterzieherin am St. Ursula Gymnasium gelehrt. Einige Arbeiten ihrer Schüler finden sich bis heute in ihrer Sammlung. Ergebnisse diverser Kunstprojekte, die sie besonders beeindruckt haben. Die Zeit hat sie geprägt, in ihrer künstlerischen Ausrichtung gelenkt. „Mein handwerkliches und technisches Können ist sehr vielfältig, weil ich eben viel ausprobiert habe“, sagt Marlies Backhaus. „Ich habe mich nie festgelegt oder bei meinen Arbeiten wiederholt.“
Kunsthaus in Attendorn: So wohnt Marlies Backhaus
Das Haus hat mehrere Etagen. Im Keller die Bildersammlung, im Erdgeschoss der Wohnbereich sowie das Atelier auf der Empore unterm Dach und der Garten. Marlies Backhaus führt uns durch die Räume. Im Studio bewahrt sie die Arbeiten auf, die an den Wänden einfach keinen Platz mehr finden. Darunter einige „Müll-Stillleben“. Marlies Backhaus hat einige Jahre blind in Mülleimern fotografiert und diese Bilder als Basis für eine mehrteilige Kunst-Serie genommen. „Wenn man Müll aus seinem ursprünglichen Kontext rausnimmt, hat er eine ganz andere Wirkung“, erklärt die 75-jährige Künstlerin. Sie hat die Fotografien übermalt, Elemente farblich in Szene gesetzt und aus ihrer Sicht Unwichtiges ausgeblendet. „Egal was mir in die Finger kommt, ich muss etwas Künstlerisches daraus machen“, sagt Backhaus.
Sie hat viele Facetten, die Kunst von Marlies Backhaus. Folien von Schokoladen-Weihnachtsmännern hängen geglättet an der Wand. Backhaus macht Kunst aus Pappkartons, aus Filmstreifen, aus Steinen. An der Decke im Keller hängen Abformungen von Schaufensterpuppen. „Bei mir sind viele Dinge irgendwo zwischen Kitsch und Kunst angesiedelt“, erklärt sie. „Ich liebe Kitsch, benutze den Begriff nur anders. Alles trägt in sich eine künstlerische Idee.“
Nur eine ruhige Wand
Die Familie wohnt seit 1979 in dem Haus. Vor allem der offen gestaltete Wohnbereich fällt ins Auge. Und natürlich die Vielzahl an Bildern. Es gibt lediglich eine ruhige Wand. Selbst die Türen in dem Haus sind künstlerisch bearbeitet. Beim genaueren Hinsehen fällt auf, dass sie mit textilen Strukturen beklebt und übermalt worden sind. Die Garderobe hat sie beispielsweise mit einem ausgedienten Hemd verschönert. „Das ist mit der Zeit einfach immer mehr geworden“, sagt Backhaus. „Ich habe zum Glück einen großzügigen Mann, der mich gewähren lässt und meiner Kunst gegenüber offen ist. Manchmal merkt er erst später, dass da was Neues hängt.“ Eben mal umdekorieren, das gibt es bei der pensionierten Kunstlehrerin aber nicht. Schließlich löse es regelrecht eine Kettenreaktion aus, wenn sie ein Werk wegnimmt. Dann müsse wieder ein ähnliches Format gefunden werden.
Doch was hat es nun mit diesem Koffer auf sich? Marlies braucht ein bisschen, bis sie die Verschlüsse aufbekommt. Es ist ein älteres Modell, das sie vor Jahren mal geschenkt bekommen, zum Kunstwerk umfunktioniert hat. Außen ist das schwarze Gepäckstück mit Augen collagiert. Sie stehen für den Blick des Künstlers. Im Innern findet sich das Handwerkszeug. Pinsel, Farben, Schere. Aber natürlich alles gemalt. Ein sehr aufwendiges Werk, mit dem Backhaus bei einer Kunstausschreibung der Hansestädte teilnehmen durfte. „Das ist richtig viel Arbeit gewesen“, erklärt Backhaus. „Die handwerkliche Perfektion ist mir sehr wichtig.“