Attendorn. . Pascal L. ist 25 Jahre alt und sitzt in der JVA Attendorn. Der Grund: Pascal L. wurde beim Drogenhandel erwischt. Doch bald kommt er raus.

Pascal L. war gerade mal 13 Jahre alt, als er das erste Mal zum Joint griff. Warum auch nicht, hatte er sich damals gedacht. Schließlich haben doch alle seine älteren Freunde gekifft. Die Jungs aus seinem Heim, von der Schule. Er begann zu rebellieren, machte, was er wollte. Die ersten Ladendiebstähle folgten. Heute sitzt er in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Attendorn. Ein paar Monate hat er noch. Dann ist er frei. Mit unserer Zeitung hat er über seine Lebensgeschichte gesprochen. Welche Pläne er wohl nach der Haft hat?

Die Drogen

Heute ist Pascal L. 25 Jahre alt. Er sitzt im Besucherraum der JVA, trägt eine Jogginghose und ein T-Shirt. Kleine Tattoos zieren seinen Arm. Ein sympathischer, junger Mann. Ruhig und freundlich. Er beginnt zu erzählen. Von der Zeit im Pflegeheim, dem Tod seiner Mutter und der Alkoholsucht seines Vaters. „Da sind viele Sachen schief gelaufen“, sagt er. Aufgewachsen ist er in Pflegeheimen für schwer erziehbare Kinder und Jugendliche. Erst in Letmathe, dann in Hagen. Er kiffte, brach in Geschäfte ein, rebellierte. Später wurde er ins Arbeitsinternat nach Münster abgeschoben.

Das ging auch eine Weile gut. Bis zu dem Tag auf der Kirmes. Das war 2010. Pascal L. wollte feiern mit Kollegen. Er hatte eine Ausbildung zum Landschaftsgärtner in der Tasche. Doch daraus wurde nichts. Einem Kirmesbesucher nahm er dessen Handy ab. Räuberischer Diebstahl. Zehn Monate Bewährungsstrafe.

2011 flog er aus dem Internat. Pascal L. zog in seine erste Wohnung in Iserlohn. Ein schlechtes Viertel, wie er sagt. Er geriet in die falschen Kreise, konsumierte Drogen in rauen Mengen. Marihuana und Alkohol. Trotzdem: Er schaffte es, sich in Hagen eine Bäckerlehre zu organisieren. Doch die Arbeitszeiten missfielen ihm. Er wollte lieber feiern, machte die Nächte durch. „Auf Deutsch gesagt, habe ich damals dann irgendwann drauf geschissen“, gesteht Pascal L. Nach drei Monaten verlor er die Lehre. Genau wie seine Wohnung.

Der Knast

Pascal L beginnt zu handeln. Mit Marihuana auf den Straßen von Hagen. Die Festnahme erfolgte im Mai 2013. Er kam in die Jugendstrafanstalt in Iserlohn. „Das war Glück und Segen zugleich“, erinnert sich der 25-Jährige. „Ich war kurz davor abzustürzen.“ Der halboffene Vollzug tat ihm gut. Er machte seine Ausbildung zum Landschaftsgärtner weiter. Doch am 5. Mai 2014 wurde er entlassen, am 8. Mai wäre die Prüfung gewesen. Seitens der Strafanstalt wäre es natürlich kein Problem gewesen, wenn Pascal L. diese Prüfung dennoch ablegte. Doch soweit kam es gar nicht. „In den drei Tagen habe ich mich wieder richtig gut weggeschossen“, sagt der junge Mann.

Er kam bei Kollegen unter, schlief dort auf der Couch, nahm weiter Drogen, handelte mit ihnen oder verschenkte sie. „Meistens sind die Kollegen mit mir abgestürzt“, weiß Pascal L. Es kam zu einer Wohnungsdurchsuchung im Jahr 2016 bei einem seiner Kollegen. Das Amphetamin, was die Beamten fanden, war seins. 27 Monate bekam er. November 2018 trat er seine Haft in der JVA Attendorn an. Geschlossener Vollzug.

Pascal L. veränderte sich. Er begann wieder zu essen, machte viel Sport, begann zwischenzeitlich eine Therapie, nahm am Anti-Aggressionstraining teil. Auch der Gedanke an sein Mädchen, das er kurz vor seiner Inhaftierung kennengelernt hatte, spornte ihn an. Er empfand Scham. Wegen seines Konsums, wegen seines Verhaltens. Der geschlossene Vollzug ist kein einfaches Los. Nichts konnte Pascal L. alleine machen. Essen gibt es an der Zellen-Tür. Duschzeiten sind festgelegt. Eine Stunde Freigang im Hof am Tag. Natürlich nicht dann, wenn der Insasse Lust dazu hat. Dafür durfte Pascal L. arbeiten. Aufträge von außen, wie zum Beispiel Schrauben verpacken, gehören dazu. Oder Arbeiten in der Hof-Kolonne. Putzen, Müll sammeln, Gartenpflege.

Im März 2019 stellte Pascal L. einen Antrag auf offenen Vollzug. Er wurde genehmigt. Wegen guter Führung. Seit drei Wochen kann sich der junge Mann in der JVA nun freier bewegen. Telefonate statt Briefkontakt, wöchentliche Besuche statt nur zwei Mal im Monat. Freiheiten, die er vor allem mit seiner Freundin genießt. „Ich bin überrascht, dass sie immer zu mir gehalten hat“, sagt Pascal L. „Sie unterstützt mich und gibt mir Kraft meinen Weg zu finden.“

Die Chance

Der offene Vollzug ist eine Art Versuchszeitraum. Ein Test für die Freiheit. Denn die Menschen müssen zeigen, dass sie selbstständig sind. Sie müssen sich um ihr Essen kümmern, putzen und waschen. Keiner weckt sie, damit sie zur Arbeit erscheinen. Jetzt hat Pascal L. sogar einen eigenen Türschlüssel von seiner Zelle. Bald möchte er seinen ersten Ausgang beantragen. Weg von dem Zaun. Zumindest für eine kurze Zeit. Doch bald möchte er die JVA verlassen. Für immer. Sechs Monate hat er noch, die er voraussichtlich zugunsten einer Drogentherapie verkürzen kann. Dann will er seinen Realschulabschluss nachholen, seine Prüfung zum Landschaftsgärtner nachholen – und die Zeit mit seiner Freundin genießen.

Pascal L. weiß, es ist nicht das erste Mal, dass er aus einer Haft entlassen wird. Doch er hat daraus gelernt, sagt er. „Ich bin jetzt nicht voller Euphorie“, erklärt er. „Ich setze mir viele kleine Ziele. Sonst fällt man zu tief.“