Kirchhundem. Die WESTFALENPOST stellt im Rahmen einer Serie Menschen und ihr Zuhause vor. Heute öffnet Frank Tauscher die Tür zum Alpenhaus.

Der Boden ist aufgeweicht vom Regen. Die Reifen des Geländewagens pressen ihr Profil in den Pfad. Nadelbäume streifen mit ihren Zweigen das Fahrzeug. Frank Tauscher sitzt am Steuer. Er ist der Inhaber des Alpenhauses, eine Gaststätte für Wanderer und Biker im Nordosten von Kirchhundem. Dort, wo andere ihre Freizeit verbringen, wohnt der 52-Jährige. Und zwar alleine. Drei Kilometer von der nächsten Ortschaft entfernt. Auf mehr als 400 Quadratmetern. Ob das nicht sehr einsam ist?

Frank Tauscher musste heute ein paar Besorgungen im Ort machen. Einkaufen für die Gastwirtschaft, für die Herberge. Ein großer Aufwand. „Am besten, man vergisst dann nichts“, sagt Tauscher schmunzelnd und schaltet auf Allrad um. Es geht hoch auf den Bergsattel Woosthagen. Weit ist es nicht mehr bis zu seinem Zuhause. „Sonst ist das echt ärgerlich“, fügt er hinzu. „Wenn ich nicht muss, fahre ich erst gar nicht.“ Er parkt den Geländewagen vorm Alpenhaus. Der Blick reicht weit, Tannenspitzen reihen sich aneinander, das Rothaargebirge offenbart sich.

Mülltonnen drei Kilometer fahren

In der Gaststube wartet ein schwarzer Kater. Ein Findelkind, das Tauscher vor einer Weile aufgenommen hat. Sanft scheucht er das Tier vom Holztisch. „Das Wochenende war nicht so ruhig“, sagt der Inhaber mit Blick auf den leeren Gastraum. Ein Kachelofen steht dort. Das Alpenhaus wird mit Holz geheizt. Fernsehen gibt es nicht. W-Lan dagegen schon. Zumindest nach Bedarf. Aber die meisten Gäste, die hier her kommen, brauchen das gar nicht, erzählt Tauscher. Kerben zeichnen sich im Boden ab, erinnern stumm an die vielen Bergwanderer, die hier eingekehrt sind – und immer wieder kamen. „Ich habe Stammgäste, die kommen, seitdem ich hier bin“, erzählt der einzige Bewohner des Alpenhauses. „Oder sogar länger.“

So lebt der einzige Bewohner des Alpenhauses in Kirchhundem

WP-Serie stellt Menschen und ihr Zuhause vor. Dieses Mal öffnet Frank Tauscher seine Tür. Er ist der einzige Bewohner des Alpenhauses.
WP-Serie stellt Menschen und ihr Zuhause vor. Dieses Mal öffnet Frank Tauscher seine Tür. Er ist der einzige Bewohner des Alpenhauses. © WP | Verena Hallermann
WP-Serie stellt Menschen und ihr Zuhause vor. Dieses Mal öffnet Frank Tauscher seine Tür. Er ist der einzige Bewohner des Alpenhauses.
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Frank Tauscher lebt seit 1996 dort. Damals war er 30 Jahre alt, als er die Geschäfte von seinen Eltern übernommen hatte. Rosemarie und Peter Tauscher hatten das Alpenhaus seit Sommer 1992 gepachtet. Bereut hat der gelernte Metzger und Hotelfachmann nie, seine damalige Gaststätte in Wetter an der Ruhr aufgegeben zu haben. Dass er seine Mülltonnen immer drei Kilometer weit weg fahren muss, damit diese geleert werden, daran hat er sich schon längst gewöhnt. „Es ist diese Ruhe und dieses Einmalige, was ich so liebe“, sagt Tauscher. „Im Sommer stehe ich im Schlafanzug auf der Terrasse und trinke Kaffee. Ein Traum.“

Ursprünglich lebte Frank Tauscher mit seiner Familie im Alpenhaus. Seine damalige Frau und seine drei Kinder sind mittlerweile ausgezogen. Darunter die Heidi. Die „Heidi von der Alm“, wie Tauscher seine 20-jährige Tochter gerne nennt. Ganz am Anfang hatte die Familie grade mal zwei private Zimmer für sich. 2010 baute Tauscher an. Weitere Gästezimmer sind entstanden. Und eine Privatwohnung, die er aber nie ganz fertig gestellt hat. Natürlich ist es manchmal einsam. Vor allem im Winter, wenn kaum Gäste zu Besuch sind. Einmal, da lag der Schnee so hoch, dass Tauscher quasi gefangen war. Und das eine Woche lang. „Das war zur Jahrtausendwende“, erinnert er sich und erzählt, dass die Vorratskammer für solche Fälle immer vorsorglich gut gefüllt ist. „Ich musste Gänge durch den Schnee schüppen, um ans Holz für den Ofen zu kommen. Hier oben bedeutet Winter eben nochmal was ganz anderes.“

Kleine Geschenke der Gäste

Einst trug das Gebäude den Namen Sauerlandhütte. Aber mittlerweile hat sich Alpenhaus im Volksmund eingebürgert. Die „Hütte“ gibt es seit 1934. Damals vom Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Sektion Essen errichtet. Infolge des Ersten Weltkrieges konnte das bisherige Arbeitsgebiet der Sektion in Südtirol nicht mehr genutzt werden. Denn die Anreise zu den neuen Hütten im österreichischen Umbaltal dauerte mehrere Tage. Deswegen tauchte 1929 die Idee einer näher gelegenen Hütte in den Ersatz-Alpen auf. Eben im Wald von Kirchhundem.

Seit 1934 hat sich nicht viel verändert, Gut, der Anbau ist dazugekommen, seit 1968 gibt es in der „Hütte“ elektrisches Licht. Aber seit jeher kommen Menschen von weit her. Sie wollen die Zeit nutzen, um auf dem Berg abzuschalten. Die Kinder erkunden gerne die Gegend, spielen in dem alten Wohnmobil, mit dem Tauscher früher mal unterwegs war. „Ach, das ist 20 Jahre her“, lacht der Inhaber. „Heute ist das mehr eine Party-Hütte.“

Auch der eine oder andere prominente Besucher war schon da. „Götz Alsmann zum Beispiel“, erzählt er. Manche seiner Gäste lassen Geschenke da. Tauscher bewahrt sie in der Küche auf. Ein Gast hat sich die Mühe gemacht, das Alpenhaus in Aquarell festzuhalten. Der Sportverein Tusem Essen hat auf der Melodie Peter Maffays „Über sieben Brücken musst du gehen“ ein Lied über das Alpenhaus geschrieben. Angepinnt an der Wand hat der Songtext einen Ehrenplatz bekommen. „Das ist natürlich schon ein tolles Gefühl“, sagt Tauscher. „Wenn die Menschen immer wieder kommen und sich bei mir wohlfühlen.“

Tauscher kommt nicht oft weg von seiner „Hütte“. Seine Eltern überwintern jedes Jahr in Spanien. Nichts für den 52-Jährigen. Er braucht Bergluft. Und deswegen zieht es ihn auf die „echten Höhen“. Den Denali zu besteigen, den höchste Gipfel Nordamerikas in Alaska, das wäre sein Traum. Doch bis dahin genießt Tauscher seinen eigenen Berg – sein besonderes Zuhause auf dem Bergsattel Woosthagen.

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