Obermelbecke. . WP-Serie stellt Menschen und ihr Zuhause vor. Im zweiten Teil öffnen Lisa Grau und Richard Hufnagel ihre Haustür ihres Isländerpferdegestütes.
Die Wiesen gehen so weit, wie der Blick reicht. Ein paar Pferde stehen auf dem Hof, vergraben ihre Nasen im Heu. Die Tür zum Stall steht offen. Milchkühe heben neugierig ihre Köpfe. Ein Hund gibt laut. „Das ist August, ein italienischer Wasserhund“, erklärt Lisa Grau lächelnd, als das beige Wollknäuel angelaufen kommt. Sie lebt zusammen mit ihrem Lebensgefährten Richard Hufnagel auf dem Islandpferdegestüt Falkenegg in Obermelbecke. Heute führt sie unsere Zeitung über das Anwesen. Wie wohl ein Leben auf dem Pferdehof aussieht? Und wer sind Adelheid, Edeltraud und Hildegard?
Alles fing mit der Stute Sprund an
Auf dem Hof herrscht reger Betrieb. Er liegt inmitten einer grünen Idylle, umrahmt von Feldwegen und Wiesen. Einige Islandpferde stehen am Waschplatz, das Fell an den Beinen noch nass. Vom Reitplatz ertönt Musik. Eines der stolzen Tiere wird gerade trainiert. Lisa Grau hat die meisten Pferde mitgebracht, als sie vor fünf Jahren mit ihrem Richard zusammenzog. Früher war die 34-Jährige in Obermelbecke selbstständig, kümmert sich heute um den Beritt, den Verkauf und den Reitunterricht. Ein richtiges Ausbildungszentrum hat sie hier aufgebaut. „Ich habe selbst mit neun Jahren angefangen zu reiten“, erzählt Grau. „Damals schon auf Isländerpferden.“
Wohnen im Kreis Olpe: Willkommen auf dem Gestüt Falkenegg
Die junge Frau führt uns in die Innenräume. An den Wänden hängen Jagdtrophäen. Sowohl Lisa Grau als auch Richard Hufnagel haben einen Jagdschein. Dort, wo heute die private Küche ist, war damals noch Stall. Eine alte Tür erinnert noch daran. Im angrenzenden Esszimmer steht auch noch ein Fenster aus dem damaligen Kuhstall. Nebenan befindet sich die Wirtschaftsküche. Hier versammeln sich alle Mitarbeiter zum Frühstück, zur Pause, zum gemeinsamen Mittagessen. Meistens steht dann Marlies Hufnagel (79), die Mutter von Richard Hufnagel, am Herd, kocht für die ganze Mannschaft. „Wir haben immer Trubel im Haus“, erzählt Lisa Grau, die einst BWL studiert hat und gelernte Physiotherapeutin ist. „Langweilig wird es bei uns jedenfalls nicht.“
Es ist dieses Leben mit der Natur, das Lisa Grau so sehr liebt. „Viele sagen, dass sie hier total entschleunigen können“, erzählt die 34-Jährige. Und dennoch: Viel Ruhe gibt es nicht. Ihr Tag fängt um 7.30 Uhr an. Tiere füttern, Ställe ausmisten, Reitunterricht geben, Verkaufstermine wahrnehmen – und etwa zehn Pferde bereiten. „Das ist eine Sieben-Tage-Woche“, macht sie deutlich. „Aber das gehört eben dazu.“
Urlaub macht Lisa Grau daher eher selten. Wenn dann geht es aber nach Island. „Das ist wie ein Virus“, lacht sie und erzählt von Sprund, der kleinen Scheck-Stute, die sie als Kind von ihren Eltern geschenkt bekommen hatte. „So hat damals alles angefangen. Die Islandpferde begleiten mich schon immer. Man geht anders durchs Leben, irgendwie gestärkt.“
Ein Ort, ein Pferdegestüt
Richard Hufnagel kommt dazu. Er hat heute nicht viel Zeit, kümmert sich wie jeden Tag um die Landwirtschaft. Gülle fahren, Wiesen pflegen, Zäune kontrollieren, Tiere versorgen. Immerhin 80 Hektar Grün- und Ackerland müssen gepflegt werden. Dazu nochmal 70 Hektar Forstwirtschaft. Hier wird alles selbst hergestellt. Stroh, Heu, Silage, Mais. Hufnagel ist 49 Jahre alt, hat 1997 den Betrieb von seinen Eltern Franz und Marlies Hufnagel übernommen, hat seit jeher auf dem Hof in Obermelbecke gelebt. „Ich kenne es gar nicht anders“, erzählt der Inhaber, der mit seinen zwei Schwestern auf dem Hof aufgewachsen ist. „Ich habe nie in einer Stadt gewohnt, nicht mal in einem Dorf.“ Richard Hufnagel holt ein altes Bild hervor. Es zeigt den Hof im Jahr 1942. Viel hat sich seitdem nicht verändert. Zumindest optisch. „Wir haben deutlich mehr Publikumsverkehr als früher“, sagt Hufnagel. „Und damals gab es noch drei Höfe.“
Mittlerweile besteht Obermelbecke nur noch aus dem Islandpferdegestüt Falkenegg. Im vergangenen Jahr hat das Paar noch den angrenzenden Gebäudekomplex übernommen. Familie Happe hatte seine Schweinzucht aufgegeben. Nun ist hier ein Ferienhaus entstanden. Seit ein paar Wochen können Gäste dort schlafen. Lisa Grau zeigt uns die Zimmer. Hell und freundlich sind sie geworden. Aus dem oberen Stockwerk hat man einen schönen Blick auf den Reitplatz. Die Musik läuft noch immer. Die junge Frau lässt ihr Pferd im leichten Galopp über den Platz reiten.
Die drei Stall-Damen
Es geht über den Hof in den Pferdestall. Einige Stuten und Hengste strecken ihre Hälse über die Tore, plustern ihre Nüstern auf, neugierig, wer da ihr Territorium betritt. Das frische Heu riecht. Lisa Grau hat es auf die Box ganz hinten abgesehen. Sechs spitze Ohren ragen empor. „Wollt ihr ein paar Möhrchen?“, fragt sie und greift zum Eimer mit dem Gemüse. Die drei Esel-Damen Adelheid, Edeltraud und Hildegard werden schon ganz unruhig. „Das sind unsere Herdenschutztiere“, erklärt Lisa Grau schmunzelnd. „Es heißt, dass sie ganz gezielt treten können. Sie sollen unsere Ponys vor dem Wolf schützen. Das ist zumindest der Plan.“
Im Stall wohnt auch Ponta. Ponta von Falkenegg, die Zuchtstute. Neben der Milchwirtschaft ist der Zuchtbetrieb ein großes Standbein. „Die Fohlen-Zeit im Mai und Juni ist immer die schönste“, sagt Lisa Grau und erzählt von ihrer Schwiegermutter Marlies, die in der Hinsicht „immer den richtigen Riecher“ hat. „Sie weiß ganz genau, wann welches Tier fohlt und ist jedes Mal die erste im Stall.“
Den Namen „Falkenegg“ hat übrigens Lisa Grau mitgebracht. „Wir haben lange überlegt, wie wir den Hof nennen können“, sagt sie. „Meine Oma hat am Schloss Falkenegg gewohnt. Da war ich als Kind oft und gerne. Es ist eine schöne Erinnerung. Und mittlerweile hat sich der Name auch etabliert.“
Zurück im Innenhof. Der italienische Wasserhund August hat mittlerweile einen Spielgefährten gefunden. Avila, der Hund eines Mitarbeiters. Die beiden tollen umher. Autos kommen nur wenige hierher, dafür umso mehr Spaziergänger, die sie abschnuffeln können. Wohnen auf dem Islandpferdegestüt Falkenegg in Obermelbecke – Lisa Grau und Richard Hufnagel können sich kein anderes Leben vorstellen: „Wir kommen zwar nicht häufig hier weg, aber das wollen wir auch gar nicht. Hier haben wir alles, was wir brauchen.“