Möllmicke. Wie wohnt der Kreis Olpe? Unsere Zeitung geht dieser Frage in einer siebenteiligen Serie nach. Heute: Willi Weber aus Möllmicke öffnet die Tür.
Es ist ein Anblick, den man nicht erwartet. Von außen unterscheidet sich das Fachwerkhaus in Möllmicke kaum von anderen. Die schwarzen Eichenbalken ziehen ihre Bahnen bis hoch unter das Dach. Eine Reihe von Bäumen rahmen sein Antlitz. Doch wenn sich die Haustür öffnet, verirrt sich der Blick leicht. So vielfältig sind die Eindrücke, die auf den Besucher einströmen. Die Decke ist hoch. Ein paar Tierpräparate zieren die Wände. Eine verschnörkelte Holztreppe führt ins Obergeschoss. Und was ist das dahinten? Warum dringt Licht aus dem Boden? Wilhelm Weber wird es uns später erklären. Er hat unsere Zeitung heute in sein historisches Schmuckstück eingeladen – und erstaunliche Schätze gezeigt.
Die Abrissverfügung lag vor
Wilhelm Weber wird im Wendschen nur Willi gerufen. Im Mai wird er 80 Jahre alt. Eigentlich kommt er ja aus Heid. Der Wunsch nach einem eigenen Fachwerkhaus trieb ihn nach Möllmicke. Ein Jugendtraum, den er sich mit seiner Frau Margaret erfüllen wollte. Dieses alte Haus in der Römerstraße 11 hatte es ihnen gleich angetan. Obwohl das die meisten nicht verstanden haben. Denn damals war das Fachwerkhaus eine richtige Bruchbude. „Hier war alles total marode“, erzählt Willi Weber und deutet auf einige Fotos, die er im Eingangsbereich eingerahmt hat. Die Räume waren voller Schutt, die Außenwände teilweise abgebröckelt. Der Rentner erinnert sich noch gut an die Ratten und Mader. Doch der Hobby-Historiker sah damals schon das Potenzial in den Mauern, nahm die Herausforderung an.
Wohnen im Kreis Olpe: Willi Weber und sein Fachwerktraum
Wir befinden uns im Jahr 1990. Willi und Margaret Weber sind auf der Suche nach einem Fachwerkhaus. Mit Hilfe der Gemeinde Wenden finden sie es. Gerade mal eine Mark zahlen sie für ihr „Traumhaus“ . Denn die Abrissverfügung ist schon beantragt. „Im Nachhinein haben alle gesagt, gut, dass es nicht so weit gekommen ist“, erzählt Weber.
Doch bis dahin war es ein langer Weg. Mehr als neun Jahre hat er an seinem Fachwerkhaus gewerkelt. Einiges hat er selber gemacht. Jeden Stein, jedes Fachwerkteil hat er mindestens einmal in der Hand gehabt. Schließlich ist er gelernter Konstrukteur. „Resigniert habe ich nie“, sagt der zweifache Vater. „Ich habe immer zu dem Haus gesagt, wir schaffen das.“
Fast wie ein Museum
Und er hat es geschafft. Jeder einzelne der 160 Quadratmeter hat er herausgeputzt. In einer Vitrine hat der Hobby-Archäologe historische Schätze gesammelt. Eine hochmittelalterliche Scherbe eines Kugeltopfes aus dem 10. Jahrhundert. Das alte Schloss der Erdkellertür, das er durch ein neues austauschen musste. Und jede Menge Münzen. Einige davon hat er auf seinem Grundstück gefunden. Daneben steht ein Spinnrad, eine Kaffemühle, Ölleuchten. Auch ein altes Klavier aus der Dorfschule in Heid hat es in seine Räumlichkeiten geschafft. Fast wie ein Museum. Aber davon will Willi Weber gar nichts hören. Ihm geht es darum, Erinnerungen festzuhalten, altem Gemäuer Leben einzuhauchen. „Es darf nicht immer nur um Profit gehen“, sagt Weber. „Es war mir ein Bedürfnis zu zeigen, dass auch alte Häuser lebenswert sind.“
Das Haus stammt aus dem Jahr 1753. Es war der einzige Vollerwerbsbauernhof in Möllmicke. Bullen und Pferde besiedelten die Felder. Wohnbereich und Stall waren unter einem Dach vereint. Einen Schornstein gab es nicht. Das war typisch für die sogenannten Rauchhäuser. Wo einst eine offene Feuerstelle war, steht heute ein Ofen. Getrockneter Mais, Knoblauch und Blumen hängen daneben. Aus einer runden Öffnung im Boden strahlt Licht. Willi Weber führt unsere Zeitung näher heran. Es ist ein Brunnen. Ein 3,80 Meter tiefer Brunnen direkt hinter der Treppe. „Früher kamen die Leute zum Butter waschen her, wenn das Wasser knapp wurde“, erzählt er.
Serien-Fahrplan: „ungeWOHNTE Einblicke“
Wie wohnt eigentlich der Kreis Olpe? Unsere Zeitung geht dieser Frage im Rahmen einer siebenteiligen Serie nach. Jeden Dienstag stellen wir einen Menschen und sein Zuhause vor. Vom Schloss bis zur urigen Hütte ist alles dabei:
2. April: Das Fachwerk-Schmuckstück in Möllmicke
9. April: Der idyllische Pferdehof in Obermelbecke
16.April: Das Einfamilienhaus im Grünen in Drolshagen
23. April: Die Wohnung in der Villa in Olpe
30. April: Der Sternenhimmel im Schloss Bamenohl
7. Mai: Die urige Hütte im Wald in Kirchhundem
14. Mai: Das bunte Kunst-Haus in Attendorn
Es sind die vielen Details an den Wänden, die den Raum vollenden. Willi Weber kann zu jedem Gegenstand, zu jedem Bild etwas erzählen. Erinnerungen überkommen ihn. So wie bei der alten Grubenlampe. Sie gehörte seinem Opa. Die Tierpräparate wurden nicht geschossen. Weber hat sie an einem Waldstück in Heid gefunden. Darunter ein Fuchs. „Der war so zahm, ich kannte ihn“, sagt Weber. „Später lag er tot da. Offenbar überfahren.“
Willi Weber hat zwei Söhne. Stefan und Hans-Jürgen kommen ihn öfter besuchen. Zwei echte Heider. Manchmal bringen sie auch seine Enkelkinder mit. Fünf hat er davon. Die kleinste, Maria, geht in die sechste Klasse. Auf der oberen Etage haben die Kinder ein Zimmer. Gleich neben dem Schlafzimmer ihres Opas. Willi Weber zeigt es uns. Er schläft alleine dort. Ein Bild hängt an der Wand gegenüber des Bettes. Es ist ein Foto von seiner Frau. Margaret ist vor fünf Jahren gestorben. Krebs.
Viel Arbeit auf dem Grundstück
Weber hat die Räume so gelassen, wie es Margaret gewollt hätte. An ihren Puppen hat sie besonders gehangen. „Ohne sie hätte ich das nicht geschafft“, sagt der Rentner. „Sie war die Finanzministerin. Sie war richtig gut darin, hat das gerne gemacht.“
Heute kümmert er sich alleine um das Haus, das ihr Alterswohnsitz werden sollte. Der 79-Jährige mäht den Rasen, entsorgt das Laub. Viel Arbeit. Schließlich stehen zehn Bäume auf seinem Grundstück, zwei davon stehen unter Naturschutz. Zwei Stieleichen.
Doch Willi Weber macht das gern. Keinen Tag, keine Sekunde hat er bereut, in sein Haus investiert zu haben. Denn hier kann man Heimat fühlen, sehen, tasten. Geschichte erleben, Erinnerungen halten – auch an seine Margaret. „Das war eine ganz, ganz tolle Zeit, die ich nicht missen möchte“, sagt Willi Weber.
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