Grevenbrück/Lennestadt. Grevenbrück aktiv fordert von der Stadt Lennestadt mehr Initiative und Unterstützung bei der Suche nach neuen Hausärzten.
Der Jahreswechsel hat in Grevenbrück und Umgebung nicht nur „Sektlaune“ ausgelöst. Am 31. Dezember haben die beiden Ärztinnen Dr. Elisabeth Beckmann und Dr. Ulrike Wilbrand - wie lange zuvor angekündigt - ihre Gemeinschaftspraxis für Allgemeinmedizin an der Kölner Straße geschlossen und damit das Hausarztproblem im Ostkreis verschärft. Aber es gibt Perspektiven. Auf dem Gelände der mittlerweile abgerissenen Alten Post am Bahnhof in Grevenbrück ist nach Informationen unserer Zeitung der Neubau eines Gesundheitszentrums geplant. Potenzielle Investoren stehen bereit, für die Nutzung gibt es bereits ebenfalls Interessenten aus dem Gesundheitsbereich. Was noch fehlt ist ein Arzt, der dort eine Praxis eröffnet.
Versorgungsgrad im Raum Lennestadt liegt derzeit noch bei 109 Prozent
Der Ort Grevenbrück bekommt zwar noch keinen neuen Allgemeinmediziner, aber einen Zahnarzt. Dr. Wingendorf aus Meggen wird zum 1. Mai mit seiner Praxis in das neue Gebäude an der B 55 in Grevenbrück umziehen.
Zur Förderung der hausärztlichen Versorgung hat die Stadt im letzten Jahr 100.000 und in diesem Jahr 70.000 Euro in den Haushalt eingestellt.
Laut der Statistik der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe liegt der Versorgungsgrad mit Hausärzten im Bereich Lennestadt (Lennestadt, Finnentrop, Kirchhundem) aktuell bei 109,6 Prozent (Raum Olpe 103 %, Attendorn 97,9%). In Lennestadt sind 40 Prozent der Hausärzte 60 Jahre oder älter (Olpe: 40 %, Attendorn 57%). In Grevenbrück (3600 Einwohner) gibt es derzeit noch zwei praktizierende Ärzte für Allgemeinmedizin, beide sind älter als 60 Jahre.
Aber ein neuer Allgemeinmediziner ist nicht in Sicht. Deshalb schlägt der Vorstand von Grevenbrück aktiv jetzt Alarm. „Die hausärztliche Versorgung steht auf der Kippe. Wenn da jetzt kein Druck reinkommt, dann werden wir nie einen Arzt finden“, spricht Jürgen Dolle, 2. Vorsitzender von Grevenbrück aktiv, deutliche Worte, vor allem an die Adresse der Stadt.
Hausarztgipfel in Grevenbrück
Grevenbrück aktiv hat das Thema hausärztliche Versorgung schon seit zwei Jahren auf dem Schirm. Im Februar 2016 holte der Verein Ärzte, Bürger, Vereine und die Politik zu einem „Hausarztgipfel“ an einen Tisch. Auch die Stadt ist im Thema. Im letzten Sommer beauftragte die Stadt Lennestadt in Absprache mit Grevenbrück aktiv einen sogenannten „Headhunter“, eine Düsseldorfer Agentur, nach auswärtigen Allgemeinmedizinern zu suchen, die gewillt sind, sich in Lennestadt niederzulassen, bisher ohne Erfolg.
Für Jürgen Dolle ist diese Initiative zu wenig, er fordert mehr Engagement und Aktivitäten. „Der Headhunter war nur der Einstieg, da muss mehr kommen. Das ist so, als wenn man mit einem Teelicht einen Kessel Wasser zum Kochen bringen will. Wir müssen mit allen legalen Methoden das Thema nach vorn bringen“, so Dolle und denkt dabei auch an unkonventionelle Methoden in den sozialen Medien.
Vor wenigen Tagen machte das Beispiel aus Schalksmühle die Runde, wo eine Arztpraxis auf der Verkaufsplattform „ebay“ angeboten wurde und auf diese Weise tatsächlich ein Nachfolger gefunden wurde. „Warum nicht auch ebay“, sagt Dolle. In zwei Wochen steht nun das nächste Gespräch mit der Stadtverwaltung an. „Wir werden darauf drängen, dass die Stadt aktiver wird“, so Dolle. Aber auch die Politik, die überregionalen Abgeordnete und alle gesellschaftlichen Gruppen sollen mit ins Boot geholt werden.
Denn Konkurrenz schläft nicht
Denn die Konkurrenz schlafe nicht. „Woanders entstehen Ärztezenten, da investieren sogar die Kommunen selbst.“ Ein Modell, das der Stadtrat bisher grundsätzlich ablehnt. Per Ratsbeschluss haben die Stadtverordneten entschieden, dass die Stadt beim Thema hausärztliche Versorgung unterstützend, aber nicht unternehmerisch tätig wird. Jürgen Dolle warnt davor, sich von der Statistik der kassenärztlichen Vereinigung (siehe Infobox) blenden zu lassen, weil diese in fünf Jahren nichts mehr wert sei.
Einig sind sich alle, dass man externen Ärzten einen roten Teppich ausrollen muss, um sie in die Stadt an der Lenne zu locken. Das heißt, die Rahmenbedingungen müssen attraktiv sein. Sollte sich für das geplante Gesundheitszentrum ein Arzt finden, könnte dieser sogar seine Vorstellungen in die Bauplanung einbringen. So wolle man interessierten Medizinern das Projekt „schmackhaft machen. Aber ohne Arzt ist das alles Makulatur“, sagt Lennestadts Kämmerer Rüdiger Barteit.
Bleiben alle Anstrengungen erfolglos, müssen sich Patienten auf völlig andere Behandlungsmodelle einstellen, die es woanders bereits gibt. Jochen Dolle: „Langfristig müssen wir auch über Telemedizin reden.“ So könnte eine ausgebildete Krankenschwester zum Beispiel die Hausbesuche mit den Standarduntersuchungen wie Blutdruck messen etc. übernehmen und dann online per Videochat mit dem Arzt in der Praxis kommunizieren.