Brilon / Heggen. . Junge Asylbewerberin aus Syrien schickt mit Vergewaltigungsanzeige Heggener Heimleiter für sechs Monate in Untersuchungshaft.
Ihre Aussagen hatten dem Leiter (51) einer Flüchtlings-Unterkunft in Heggen mehr als sechs Monate U-Haft eingebracht. Doch in dem Prozess vor dem Landgericht Arnsberg verwickelte sich die heute 25-jährige Asylbewerberin aus Syrien derart in Widersprüche, dass ihr das Gericht die Vergewaltigungen nicht abnahm und den Angeklagten angesichts der „nicht auflösbaren Zweifel“ freisprach. Gestern erhielt die junge Frau die Quittung: Wegen falscher uneidlicher Aussage verurteilte sie das Schöffengericht Brilon zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten. Auf dem Spiel gestanden hatte für die mittlerweile im Raum Marsberg lebende junge Frau noch mehr. Angeklagt war nämlich sogar Freiheitsberaubung. Haftrahmen: zwischen einem Jahr und zehn Jahren.
Falscher Doktortitel
Vor genau einem Jahr hatte der Prozess gegen den ehemaligen Leiter der Flüchtlings-Unterkunft in Heggen für Aufsehen gesorgt. Der Mann sollte Anfang 2016 über mehrere Monate in seiner Wohnung in Meschede die junge Asylbewerberin vergewaltigt, geschlagen und sexuell genötigt haben. Das jedenfalls behauptete damals die junge Frau. Was in dem Verfahren nebenbei herauskam: Der Niederländer schmückte sich mit einem falschen Doktortitel und war 19-fach vorbestraft; unter anderem wegen Missbrauchs einer Nichte.
Anklage wegen Titelmissbrauchs
Der Heimleiter war zwar vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen, aber wegen Titelmissbrauchs - er hatte sich als Arzt ausgegeben - zu neun Monaten auf Bewährung verurteilt worden.
Massive Kritik mussten sich Staatsanwaltschaft und Polizei gefallen lassen. Denn erst in der Verhandlung tauchte eine 197 Seiten umfassende Auswertung der zwischen dem Heimleiter und der jungen Frau ausgetauschten Chats auf. Daraus, so gestern Vorsitzender Richter Hans-Werner Schwens, könne man durchaus den Eindruck gewinnen, dass zwischen beiden eine „sehr merkwürdige Beziehung“ wuchs, bei der der 51-Jährige, so Schwens zu der Angeklagten, „sicher mehr wollte, als Sie zu geben bereit waren“. Mit den vielen, manchmal etwas wirren, weil durch ein automatisches Übersetzungsprogramm gequirlten Liebesbeteuerungen habe sie den Heimleiter milde stimmen wollen, gab die Frau an.
Das Landgericht jedenfalls hatte Zweifel, ob es tatsächlich zu einer Vergewaltigung gekommen war, und sprach den 51-Jährigen deshalb frei. Das Schöffengericht hatte gestern auch Zweifel, aber genau am Gegenteil: Nämlich ob es nicht doch die von der jungen Frau beteuerten Vergewaltigungen gegeben haben könnte. Deshalb stellte das Gericht das Verfahren wegen Freiheitsberaubung (die U-Haft des 51-Jährigen) ein. Übrig blieb die falsche uneidliche Aussage. Gut zwei Monate, so hatte die junge Frau gesagt, habe der Heimleiter sie in seiner Mescheder Wohnung unter Kontrolle gehalten, sie habe sich nicht frei bewegen dürfen. Das hatte nachweislich nicht gestimmt. Und auch eine gemeinsam in einem Hotel in Dortmund verbrachte Nacht hatte die Frau bestritten. Dabei lagen nicht nur die Hotelrechnungen inklusive des Extra-Frühstücksbuffetts und des Late-Check-Outs vor. Zufällig war an jenem Morgen das Auto des Heimleiters aufgebrochen worden. Kurz nach 6 Uhr hatte das ein Passant der Polizei gemeldet, der Heimleiter allerdings erstattete erst am frühen Nachmittag Anzeige. Staatsanwältin Eike Bramlage: „So einen einprägsamen Tag kann man nicht vergessen.“ Sie forderte in ihrem Plädoyer eine Freiheitsstrafe von einem Jahr, die zur Bewährung ausgesetzt werden könne.
Strafe zur Bewährung ausgesetzt
Der Heimleiter „hatte meine Mandantin mehr oder weniger in der Hand“, sagte Verteidiger Karlheinz Hofheinz. Seiner Meinung nach belegten die Chat-Protokolle nicht, „dass gewisse Dinge nicht stattgefunden haben“. „Unter der Last des Verfahrens“ habe seine Mandantin „Dinge gesagt, ohne sie inhaltlich auf ihre Richtigkeit zu überprüfen“.
Das Gericht setzte die 10-monatige Freiheitsstrafe auf drei Jahre zur Bewährung aus. Zudem muss die 25-jährige 80 Sozialstunden leisten.