Kreis Olpe. . Marianne aus dem Kreis Olpe wurde als Kind sexuell missbraucht. Von ihrer Schwester und deren Freund. Die starke Frau erzählt ihre Geschichte:

Sie war gerade elf Jahre alt, als sie sexuell missbraucht wurde. Ein kleines Mädchen aus dem Kreis Olpe, das gern mit Puppen spielte, das nicht ahnte, zu was Menschen fähig sind. Ein Kind, das vor allem ihrer Familie nichts Böses zutraute. Doch Marianne (Name von der Redaktion geändert) musste Schlimmes erleben. Heute kann die 22-Jährige offen über ihre Kindheit reden. Vergessen, das wird sie wohl nie können. Viel wichtiger ist für sie jedoch, dass sie ihr Leben trotzdem meistert. „Ich will dem Täter ja nicht das Gefühl geben, dass er es geschafft hat, mich zu zerstören“, sagt Marianne. „Das gönne ich ihm nicht.“

Die Tat

Marianne ist eine hübsche Frau. Sie sitzt aufrecht am Tisch, ein leichtes Lächeln umspielt ihre Lippen. Sie möchte nicht erkannt werden, möchte nicht, dass Nachbarn oder Freunde über ihre Geschichte Bescheid wissen. Denn bis auf die engsten Vertrauten hat keiner was mitbekommen. Nicht mal damals, als die Täter vor Gericht mussten. Trotzdem erzählt sie unserer Zeitung ihre Geschichte. Denn sie möchte anderen Betroffenen Mut machen, sie darin bestärken den Täter anzuzeigen. „Diese Menschen dürfen nicht ungestraft davonkommen“, sagt Marianne. „Das Wichtigste ist, man darf sich nicht unterkriegen lassen. Egal, wie schwer das manchmal ist.“

Die junge Frau beginnt zu erzählen. Sie redet über das Jahr 2007. Das Jahr, in dem alles begann. Ihre Schwester hatte damals einen Freund. Er war deutlich älter als sie. Irgendwann nahm das Paar Marianne mit zu ihren Treffen. Das kleine, achtjährige Mädchen musste sich ausziehen, wurde fotografiert und gefilmt. Ausgeliefert von ihrer Schwester, befand sie sich ein Jahr lang in den Fängen der Straftäter. Immer wieder.

Die Aufnahmen gerieten an Außenstehende. So flog der Missbrauch auf. „Ich kam eines Tages von der Schule nach Hause und ahnte nichts“, erinnert sich Marianne. „Meine Mutter und mein Vater weinten. Zwei Kripo-Beamte saßen da und wollten sich mit mir unterhalten.“

Während Marianne über das redet, was das Paar ihr angetan hat, ist sie gefasst. Sie strahlt diese besondere Stärke aus, macht nur selten Pausen in ihrer Erzählung. Der Fall ging damals vor das Landgericht. Der Täter, heute 37 Jahre alt, wurde wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes zu fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Der Mann sitzt mittlerweile wieder im Gefängnis. Wieder wegen einer ähnlichen Tat. Die Schwester bekam eine zweijährige Bewährungsstrafe.

Der Kampf

In der Traumaambulanz der DRK-Kinderklinik Siegen wurde Marianne betreut. Zwei Jahre hat sie alle zwei Wochen mit einer Psychologin gesprochen. „Das hat mir geholfen, über das Schlimmste hinwegzukommen“, sagt die junge Frau. „Danach wollte ich einfach nur mit der Sache abschließen und habe keine Therapie mehr gemacht.“ Es war eine schwere Zeit. Das Mädchen hatte die Schule abgebrochen, trank häufig Alkohol. Doch der Gedanke, den Täter nicht gewinnen zu lassen, wurde immer stärker. Marianne kämpfte. Sie holte ihren Realschulabschluss nach. Sie war sogar so gut, sie hätte sogar auf das Gymnasium gehen können.

Die Hilfe

Der Weisse Ring, Hilfsorganisation für Kriminalitätsopfer und deren Familien, hat Marianne geholfen und hilft heute noch. Auch beim LWL hat die junge Frau Unterstützung bekommen. Momentan befindet sie sich in einer vorbereitenden Maßnahme für eine Ausbildung. Marianne freut sich schon. Vielleicht schon nächstes Jahr möchte sie eine Ausbildung in einer Verwaltung beginnen.

Marianne geht es heute richtig gut. Sie ist stolz auf das, was sie geschafft hat. Nicht nur wegen ihrer schulischen Leistung. Marianne ist Mutter. Trotzdem. Einen dauerhaften Partner an ihrer Seite kann sie sich nicht vorstellen. Auch wegen ihres Kindes.

„Das Misstrauen ist geblieben“, sagt sie. „Ich bin sehr vorsichtig, vertraue Menschen nur sehr schwer. Denn man kann ihnen nur vor den Kopf gucken.“