Attendorn. . Hartmut Schröter leidet an dem Restless Legs-Syndrom. Mit Morphium-Pflaster werden die unruhigen Beine behandelt. Warum RLS gefährlich sein kann.
Manchmal ist es so, als würden Millionen Ameisen in den Beinen krabbeln. Manchmal fühlt es sich an wie Blitze, die durch die Gliedmaßen schießen. Die Rede ist vom sogenannten Restless Legs-Syndrom, kurz RLS. Betroffene können kaum ruhig stehen. Geschweige denn spazieren gehen. Oder schlafen. So schlimm sind dann die Zuckungen in den Beinen.
Hartmut Schröter aus Attendorn leidet an dieser Krankheit. Teilweise sind seine Beschwerden so extrem, dass er auf Morphium-Pflaster angewiesen ist. Im Gespräch mit unserer Zeitung erklärt er, dass es sich bei RLS weit mehr als „nur“ um unruhige Beine handelt. Er erzählt, warum die Krankheit sogar gefährlich sein kann.
Die Diagnose
Hartmut Schröter ist 65 Jahre alt. Seit 2009 ist der gelernte Zerspanungsmechaniker Rentner. Er lebt in Attendorn, ist verheiratet und hat zwei Kinder. Doch 2017 veränderte sich sein Leben. Ein Schicksalsjahr. Erst hatte er einen Schlaganfall, musste dann wegen einer Operation am Rücken ins Krankenhaus. Dem Mann mussten die Bandscheiben entfernt werden, die Wirbelsäule wurde versteift. Doch etwas war anders bei der ohnehin schon schwierigen Operation. Die Beine von Hartmut Schröter wollten einfach nicht ruhig liegen bleiben. „Man hatte echt Schwierigkeiten, meine Beine stillzulegen“, erzählt der Attendorner. „Trotz der Narkose habe ich um mich getreten.“
Schröter musste in ein Schlaflabor. Dort wurde er mittels der sogenannten Polysomnographie untersucht. Eine sehr umfangreiche Methode, mit der über mehrere Nächte die Schlafqualität gemessen wird. Ein Neurologe bestätigte dann die Diagnose. RLS. Schröter war geschockt. Obwohl er schon länger vermutet hatte, dass da irgendwas nicht stimmt. Denn die Symptome hatten ihn schon lange begleitet. Hauptsächlich abends hat er diese belastende Unruhe gespürt. Manche Nacht hat der 65-Jährige nur zwei Stunden geschlafen. Seine Frau hat er im Schlaf getreten. „Das fängt schleichend an“, sagt Schröter. „Man weiß erstmal nicht, was man damit anfangen soll.“
Das Leben
Manche Nächte muss Schröter aufstehen, weil seine Beine einfach keine Ruhe geben. Dann geht er spazieren. Aber auch das funktioniert nicht immer ohne Probleme. „Beim Laufen gehen die Beine manchmal hoch und runter“, erzählt der Familienvater. Bei solchen extremen Zuckungen in den Beinen ist Schröter neben den Tabletten auf Morphium-Pflaster angewiesen. Der Patient trägt sie über mehrere Tage auf den Beinen. Der Wirkstoff geht direkt ins Blut. „Fünf Tage kontinuierlich nur zwei Stunden pro Nacht geschlafen, das war meine schlimmste Erfahrung mit der Krankheit“, erzählt der Attendorner. „Dann gibt es Tage, da habe ich gar keine Beschwerden.“
Heute trägt Schröter immer einen Ausweis in seinem Portemonnaie mit sich. Dort wird drauf hingewiesen, dass er an der Krankheit leidet. Denn bestimmte Medikamente dürfen ihm nicht verabreicht werden. So können Anti-Depressiva eine Verschlechterung der Symptome bewirken. Doch insbesondere bei einer Narkose ist die Info für die Ärzte wichtig. Andernfalls kann es gefährlich werden, wenn der Patient in der Narkose plötzlich um sich tritt. Sowohl für den Arzt als auch für den Patient.
Die Hilfe
Schröter führt ein Tagebuch, dokumentiert exakt, wann nach welchen Aktivitäten oder Nahrungsmitteln welche Beschwerden auftreten. Denn die Ursache für RLS ist unbekannt. In seiner Selbsthilfegruppe, die er 2017 in Olpe gegründet hat, tauscht er sich mit anderen Patienten aus, sucht mit ihnen gemeinsam nach Aktivitäten, die helfen. Einer davon ist Gerd Grewe. „Die ersten Symptome habe ich vor etwa 20 Jahren festgestellt“, erzählt Grewe. „Ich lag oft wach, am nächsten Morgen lag immer die Decke neben meinem Bett.“ Mit der Zeit hat sich die Krankheit verschlimmert. Heute nimmt er ein Medikament, dass eigentlich für Parkinson-Patienten entwickelt wurde und mittlerweile auch für RLS-Betroffene zugelassen ist. Doch was dem 73-jährigen Rentner aus Lennestadt vor allem hilft, ist Bewegung. „Ich versuche jeden Tag einer Beschäftigung nachzugehen“, sagt er. „Es hilft, wenn man sich tagsüber viel bewegt und abends zur Ruhe kommt.“
RLS ist nicht heilbar. Dennoch ermöglichen Medikamente den Patienten ein nahezu normales Leben. Allerdings sind die Beschwerden von Patient zu Patient oft unterschiedlich. „Wenn ich die Geschichten von anderen Betroffenen höre, denke ich mir oft, was habe ich ein Glück“, stellt Grewe fest und berichtet von Menschen, die nicht mehr Auto fahren können. Geschweige denn im Flugzeug verreisen. „Ich mache mir keine Sorgen, dass es schlimmer werden könnte“, sagt Grewe. „Da mache ich mich nicht verrückt. Ich lasse die Krankheit nicht zu nah an mich herankommen.“