Saalhausen. Mit der Erfindung einer speziellen Rohr- und Kabelverlegung wurde Tracto-Technik aus Saalhausen Weltmarktführer. Teil Zwei unserer Serie.

Wenn sich jemand den Titel „Daniel Düsentrieb des Sauerlandes“ redlich verdient hätte, wäre es wohl Paul Schmidt gewesen: Der 1994 verstorbene Ingenieur war Zeit seines Lebens eine Art technischer Quer- und Vordenker. Wie viele andere typischen Familienunternehmen des Sauerlandes startete auch Schmidt als Ein-Mann-Betrieb. „Die Garage, in der er angefangen hat, steht immer noch,“ sagt   Tim Hofmeister (45), aktueller Vorsitzender der vierköpfigen Geschäftsführung, und fügt gleich hinzu: „Irgendwie umgibt er uns heute noch.“

Grundomat 65PK, 18 kg schwer. Erdraketen, mit denen man Glasfaser und Trinkwasserleitungen verlegen kann.
Grundomat 65PK, 18 kg schwer. Erdraketen, mit denen man Glasfaser und Trinkwasserleitungen verlegen kann. © Josef Schmidt | Unbekannt

Dass der Wirtschaftsprüfer, ehemals beim internationalen Mega-Konzern PricewaterhouseCoopers beschäftigt, das sagt, ist kein Zufall. Denn neben seiner berufsbedingten Fähigkeit, analytisch zu kalkulieren, ist der Manager mit jedem Jahr immer ein Stück mehr ein Tracto-Technik-Mann geworden, mit dem Herzblut, das wie der Firmengründer selbst, bis heute in den letzten Winkel des Unternehmens pocht.

Hofmeister führt das Unternehmen an der Spitze, aber gemeinsam mit drei weiteren Geschäftsführern, dem alleinigen Inhaber und Gründersohn Wolfgang Schmidt, mit Meinolf Rameil (beide 55), dem Technik-Hirn der Entwicklung und Produktion und Uwe Prinz (54), der Marketing und Vertrieb nach vorne treibt.

Kontinuierliches Wachstum das Ziel

Und Hofmeister setzt nicht zufällig an den Beginn unseres Gespräches, während wir durch die gerade entstehende riesige Logistikhalle marschieren, das, was Tracto-Technik ausmacht: „Das Unternehmen ist durch den Erfindergeist Paul Schmidts entstanden, und seine Vorstellung von einem Betrieb, der auch immer ein sozial gerechter Arbeitgeber sein muss, bleibt für uns Verpflichtung. Vertrauen haben und Menschen machen lassen, all das sind Grundbausteine des heutigen Weltmarktführers. Einer, der abheben will, passt nicht zu uns.“

Dazu gesellen sich Strategien der heutigen Geschäftsführung: Keine großen Sprünge, lieber kontinuierliches Wachstum, so der Diplom-Kaufmann und Wirtschaftsprüfer, der die Folgen der Finanzkrise zu Beginn seines Einstiegs bei TT vor acht Jahren hautnah miterleben und managen musste. Und sich zum Ziel gesetzt hat, „die Firma so aufzustellen, dass uns so etwas nicht aus den Angeln heben kann.“

Der damalige spontane Umsatzrückgang von bis zu 50 Prozent habe das Schiff zwar heftig ins Wanken gebracht, gesunken sei es aber nicht. Und ab 2011, so grinst Hofmeister, „ging es nur noch bergauf.“

Neue Ideen, die sich in Patenten und schließlich in Produkten wiederfinden, sind der Urkern des Unternehmens, das heute in Leipzig und Stuttgart ebenso ein Standbein hat wie in den USA, Frankreich, England und der Schweiz, ja sogar in Marokko und Australien, am anderen Ende der Welt. Eine Tracto-Technik-Bohrung bis dorthin ist allerdings nicht geplant.

Erfolg unter der Erde

Die größte Ramme im Tracto Technik-T-Portfolio misst über vier Meter und trägt den Namen Apollo.
Die größte Ramme im Tracto Technik-T-Portfolio misst über vier Meter und trägt den Namen Apollo. © Josef Schmidt | Unbekannt

 Zurück ins kleine Saalhausen: Was Tracto-Technik groß gemacht hat, ist Schmidts Idee, unterirdische Rohr- und Kabelverlegung möglich zu machen, ohne die Straße aufzureißen. Hofmeister, im Schatten des Meggener Bergbaus aufgewachsen, der gerne über neue Produkte und digitale Innovationen spricht, verdrängt das nie: „Die Erfindung der Erdrakete war der Urknall, ein Sechser im Lotto.“ Schmidt hatte so lange getüftelt, bis er bohren konnte, wo er hin wollte. In der damaligen Reiherstraße, heute Paul-Schmidt-Straße, entstand das Herzstück der Firma,  neben dem Wohnhaus der Unternehmerfamilie.

Der Begriff „Grundomat“ für Erdraketen, sagt Hofmeister, sei so verankert in der Branche wie „Tempo“ für die weltberühmten Taschentücher. Dem Grundomat folgte ein steuerbarer Grundodrill, auch längere Bohrwege bis zu 600 Metern wurden überwindbar, die Produktpreise reichen mittlerweile bis 700.000 Euro.

Unzählige Patente

Analog zu den Produkten wächst das Unternehmen unsichtbar wie sichtbar. Neue Ideen münden in Patente, es wird gebaut, wo es nur geht.

Mit dem Ruhestand des Generalbevollmächtigten Volker Theile steigt Tim Hofmeister 2010 in die Geschäftsführung ein. „Wir haben uns dann die entscheidende Fragen gestellt: Welches ist der Weg in die Zukunft? Wie erschließen wir neue Märkte, auch international? Wo wollen wir grundsätzlich hin?“

Nie in Frage gestellt habe die Geschäftsführung den Standort: „Billigproduktion in Osteuropa ist nicht unser Ding. An der DNA von Paul Schmidt, auf Technologie und Innovation zu setzen, wird nicht gerüttelt.“ Hinzu komme die teilweise herausragende Qualität der Mitarbeiter: „Wir haben die besten Bohrmeister der Welt, sozusagen die Walter Röhrls des Bohrens“, lobt Hofmeister. Soll heißen: Tracto-Technik baut nicht nur die besten Erdraketen, sondern hat auch noch die besten Bediener, die den Kunden vor Ort zeigen können, was drin steckt.  

Der fast fertige Neubaukomplex für ein Logistikzentrum, wodurch die bisherige Lagerfläche dem Montagezentrum zugeschlagen werden kann, ist sichtbarer Beweis für das Standort-Bekenntnis: „Das sind über 8000 Quadratmeter“, strahlt Hofmeister, „hier vereinigt sich dann die komplette Montage, auch aus Langenei. Wir kehren sozusagen zurück zu den Wurzeln.“

Zukunftsplattform „fit4future“

Mit Erfolg: Tracto-Technik erlebt das vierte Rekordjahr in Folge, der Umsatz steigt von Jahr zu Jahr um rund 10 Prozent.

Drängt sich die Frage nach der Zukunft auf: „fit4future“ lautet der unübersehbare Schriftzug an einer Firmenhalle: „So heißt eine Social Media-Plattform, auf der wir unsere Mitarbeiter über die Dinge der Zukunft informieren, Fragen stellen und um Antworten bitten.“ Gepaart mit einem Punktesystem und Gewinnchancen für Workshops auf Mallorca oder am Nürburgring.

Zielsetzung: das Ideen-Potenzial der Belegschaft schöpfen. Denn nur so könne auf Dauer die außergewöhnliche Patent-Vielfalt ein bezeichnendes Merkmal des Unternehmens bleiben – ganz im Sinne von Daniel Düsentrieb – alias Paul Schmidt.