Germinghausen. Das Unternehmen Berghoff hat sich von ganz unten zum Weltmarktführer in der Metallverarbeitung gemausert. Das Führungs-Duo erklärt den Erfolg.

Wenn vom Land der unbegrenzten Möglichkeiten die Rede ist, vom Tellerwäscher, der es zum Millionär gebracht hat, sagt fast jeder sofort: „Amerika, was sonst“. Dass aber auch mitten im Sauerland aus einem Ein-Mann-Betrieb innerhalb weniger Jahrzehnte ein Weltmarktführer werden kann, dafür ist das Unternehmen von Ulrich Berghoff und seinem Stiefsohn Oliver Bludau ein Paradebeispiel.

Berghoff startete als „Blechbude“

Oliver Bludau (links) und Ulrich Berghoff ziehen an einem Strang, aus unterschiedlichen Generationen. Mit Erfolg.
Oliver Bludau (links) und Ulrich Berghoff ziehen an einem Strang, aus unterschiedlichen Generationen. Mit Erfolg. © Josef Schmidt

Der heute 64-jährige Berghoff, ein Elsper Junge und gelernter Dreher, wagte nach Stationen unter anderem bei den Branchen-Größen Mubea und Viegener 1984 die Selbstständigkeit: „In einer Blechbude“, erinnert er sich mit einem vielsagenden Lächeln, als ob es kaum zu glauben sei, was seither alles passiert ist.

Ein Elsper Dreher und ein ehemaliger Soldat

Ulrich Berghoff (64), gebürtiger Elsper

Nach der Volksschule in Elspe folgte eine Ausbildung zum Dreher. Nach beruflichen Stationen im Werkzeugformenbau und im Maschinenbau gründete Berghoff 1984 sein eigenes Unternehmen - heute die Berghoff-Group. Berghoff ist verheiratet. Hobby: Tennis spielen.

Oliver Bludau (46), geboren in Altenhundem
Nach dem Abitur Offiziersausbildung bei der Luftwaffe und Informatikstudium an der Universität der Bundeswehr in München, Weiterbildung zum Finanzwirt.
Bis 2004 Aufbau eines Investmentbrokerunternehmens, Verkauf an American Express, ab dann, mit 32 Jahren Mitglied der Geschäftsleitung bei AE. 2006 Eintritt in das Familienunternehmen Berghoff. Zwischenstation parallel: 2011 bis 2014 Geschäftsführung von Elspe Festival.
Von 2012 bis 2014 spielt Bludau den Old Shatterhand. 2017 und 2018: Studium an der Harvard Business Scool. Bludau ist verheiratet und Vater dreier Söhne. Hobbies: Lesen und Lernen

Stück für Stück gehen wir im blitzsauberen und hellgestalteten Besprechungsraum der Firmenzentrale in Germinghausen, direkt an der A 45, die Eckpunkte der Firmengeschichte durch. Im Hinterkopf die Kernfrage: Was ist das Erfolgsrezept des Mittelständlers? Wie ist der Rote Faden beschaffen, an dem entlang die Berghoffs und Bludaus dieser Welt nach oben geklettert sind.

Irgendwann zwischendurch fallen wesentliche Sätze des 46-jährigen Bludau, die so oder so ähnlich auch in Gesprächen mit Mitarbeitern bestätigt werden: „Wenn man im Betrieb mal eine positive Grundstimmung hat, können sich die Leute gegenseitig auch mal Dinge verzeihen. Dann unterstellen sie sich untereinander zunächst einmal positive Absichten. Hier herrscht, und das ist Ulli und mir ganz wichtig, keine Ellenbogen-Mentalität, hier sägt keiner am Stuhl des anderen. Ellenbogen brauchen wir im Markt schon genug. Für unsere Leute soll das hier auch eine Art Nest sein, in dem sie nicht gegen andere kämpfen müssen. Auch schwierige Gespräche, die es natürlich bei uns wie überall gibt, fallen leichter in einer solchen Grund-Atmosphäre.“

Einmal in Schwung legt Oliver Bludau nach. Kein Zweifel: Der Mann ist Überzeugungstäter, weit weg von jeglichem Blendwerk multinationaler Großkonzerne. Womit er zu einhundert Prozent in die Fußstapfen des Elsper Jungen Ulrich Berghoff, seinem Stiefvater, getreten ist, der damals als Dreher in der Olper Blechbude mutterseelenallein angefangen hat. So etwas spüren auch die Mitarbeiter, die gebetsmühlenartig das gute Betriebsklima als Grund dafür nennen, dass sie sich für Berghoff entschieden haben. Einen Betriebsrat gibt es nicht. „Wir vertrauen uns auch so“, begründet Bludau.

Kein Löschblatt passt dazwischen

Die Unternehmens-Philosophie, das spürt man deutlich, wenn man mit dem Duo spricht, hängt wesentlich mit dem reibungslosen Zusammenspiel der beiden Geschäftsführer-Generationen zusammen.

Bludau hat die typische Gründer-Geschichte seines Stiefvaters, auch schwierige Zeiten, aufgesogen und treibt das Unternehmen innovativ in die Zukunft. Sein Stiefvater steht an seiner Seite, ein Löschblatt hätte es schwer, sich dazwischen zu drängen.

Das sagen die Mitarbeiter

Christoph Dömer (54), zuständig für die technische Ausbildung, seit 20 Jahren im Betrieb

"Ich mache das, weil ich gerne mit jungen Menschen arbeite. Es macht Spaß, jungen Menschen den Einstieg in die Berufswelt zu ermöglichen. Wenn man sieht, dass das später gute Facharbeiter werden, hat man das Gefühl, etwas Gutes getan zu haben."

Markus Berghoff (41), Qualitätsleiter, 10 Jahre im Betrieb

"Ich habe damals einen Anruf von meinem Onkel bekommen und dann kurz überlegt: Wenn ich das jetzt nicht mache, dann nie. Das Aufgabengebiet hier hat mich interessiert, es gibt immer wieder 'was Neues. Es bleibt spannend bei den Berghoffs."

Dirk Hildebrandt (53), Fertigungsleiter, seit 10 Jahren in der Firma

"Das Wichtigste für mich ist, dass die Firma Berghoff von der Atmosphäre her ein Familienunternehmen geblieben ist. Mir gefällt vor allem der offene Umgang miteinander."

Michael Frohne (48), Messtechniker, seit 10 Jahren im Betrieb

"Ich habe als Zerspanungsmechaniker hier angefangen, weil ich den Eindruck hatte, dass das Entwicklungs-Potenzial hier gut ist. Das hat sich bewahrheitet. Aber auch das Betriebsklima ist klasse. Es macht Spaß, hier zu arbeiten."

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Die Firmengeschichte bestätigt den spontan gewonnenen Eindruck: Berghoff wächst zwar von Beginn an, aber in überschaubarem Rahmen, muss in den Anfangsjahren vieles selbst machen, stellt Stück für Stück mehr Leute ein, kauft neue und mehr Maschinen. Ist aber am „Ende der Nahrungskette“, wie Bludau sagt, Ulrich Berghoff nickt bestätigend. Viele Jahre arbeitet er ausschließlich im Auftrag der Kunden, bearbeitet Produkte, fräste und zerspant Metall, wie sie es wollen. Berghoff hängt dazwischen, wird gerufen, wenn andere Unternehmen in Zeiten guter Konjunktur eine „verlängerte Werkbank“ brauchen.

Großer Formel-1-Auftrag von Toyota

„Das bedeutet natürlich einen täglichen Überlebenskampf“ erinnert sich der 64-Jährige, „ein Auftragsvorlauf von zwei Monaten war damals schon toll.“ Dennoch bleibt er sich auch durch alle Krisen treu, achtet darauf, dass seine Leute nicht in einer „Blechklitsche“ arbeiten, sondern in ansprechender Umgebung, auf modernsten Maschinen. 2005 ein möglicherweise einschneidendes Erlebnis, eine Weggabelung, die in Richtung des späteren Weltmarktführers weist: „Ich hatte plötzlich das Formel 1-Team von Toyota am Apparat, und die brauchten dringend ein hochpräzises Metallteil aus Titan, nur etwas größer als ein Schuhkarton, das zwischen den Vorderrädern mit helfen sollte, den Rennwagen auf dem Boden zu halten. Toyota schickte die Zeichnung, und Berghoff lieferte. Drei Tage später.

Wie das Duo Bludau/Berghoff unisono kommentiert, sei das die Weichenstellung ins High-Tech-Zeitalter gewesen, in der Firmengeschichte „mehrere Stufen auf einmal.“ Weitere internationale Großkunden kommen hinzu, und Oliver Bludau steigt mit Mitte 30 nach erfolgreichen Erfahrungen in der Investment-Branche ins Unternehmen ein. Hauptgrund: „Ich hatte bei American Express zwar einen Super-Job, wollte aber etwas gestalten. Das konnte ich hier.“ Der Umsatz steigt kräftig, in drei Jahren von rund 2,5 auf 8,5 Millionen Euro.

Das sind Berghoffs größte Kunden

  • Airbus Flugzeughersteller, Hauptsitz: (Frankreich)
  • ASML Halbleiterindustrie (Niederlande).
  • Carl Zeiss Optik-Industrie, Oberkochen (Deutschland)
  • Rolls Royce Automobile und Triebwerke (Großbritannien)
  • Siemens Multi-Technologie-Konzern (Deutschland)

Nach dem 2000-er-Umzug in die eigene Betriebsstätte in Gerlingen folgt 2009 die Einweihung in Germinghausen, eine 10-Millionen-Euro-Investition. Leider aber auch etwas anderes: die Finanz- und Wirtschaftskrise, die das Unternehmen in schwieriges Fahrwasser wirft. „Ein 7-Millionen-Auftrag wurde von heute auf morgen storniert, da hätten wir damals fast die Flügel gespreizt“, reden die beiden nicht um den heißen Brei herum. Mit Hilfe der heimischen Banken und eines erneuten Strategiewechsels kriegt die Berghoff GmbH & Co KG die Kurve. „Wir wollten ganz bewusst vom reinen Bearbeiter, vom Auftragnehmer zum Technologiepartner wachsen, der schon bei der Entwicklung eines Produkts mit am Tisch sitzt“, erläutert Bludau die Wachstums-Philosophie.

Einer der Kunden, die dem Team Berghoff/Bludau in dieser Richtung vertraut, kommt aus der Halbleiter-Branche, stellt Computer-Mikrochips bzw. Maschinen her. Und Teile fürs Maschinen-Innenleben, auf denen die Chips produziert werden, kommen seither auch aus Germinghausen. Hochkomplexe Metallbauteile liefert die Firma aber auch für die Raum- und Luftfahrt-Industrie, für Gas-Turbinen oder die Kunststoff-Industrie.

Rentendasein nicht in Sicht

„Der Sprung von der Kreisliga in die Champions-League war geschafft“ sagt Bludau, und fügt nicht ohne Stolz hinzu: „Es gibt nur wenige Unternehmen, die können, was wir können.“

Trotz des Erfolges bleiben die beiden nicht stehen. Immer im Team, denn auch für Ulrich Berghoff ist das Rentendasein trotz seiner 64 Jahre noch nicht in Sicht: „Da würde ich nur meiner Frau auf die Nerven gehen.“

Auf einer firmeneigenen Innovations-Software-Plattform mit dem exotischen Namen foxem.net werden die Mitarbeiter um ihre Ideen gebeten. Oliver Bludau: „Da ist ein Bauteil der Firma Carl Zeiss, und wir fragen unsere Leute: Wie können wir das verbessern? Das zeigen wir unserem Kunden, der unseren Vorschlag dann bestenfalls einfließen und uns umsetzen lässt. Wir nennen das den 3-Step-Vertical-Integration-Process und haben uns den Begriff rechtlich gesichert.“

Aber damit lässt es Harvard-Absolvent Bludau nicht bewenden: „Der nächste Schritt ist schon in der Pipeline. Mit Hilfe künstlicher Intelligenz, zum Beispiel mit Maschinen, die selbst lernen, wollen wir Produktionsprozesse optimieren.“

Ulrich Berghoff schaut bei diesen Sätzen zu Oliver herüber und lächelt in sich hinein. Vielleicht denkt er gerade zurück. Ins Jahr 1984, an die „Blechbude“, an die erste Maschine und an den hoffnungsvollen Dreher, und was aus allem geworden ist.