Attendorn. . Seit Anfang August ist Kerstin Grube, eine Rheinländerin, Geschäftsführerin der Helios-Klinik in Attendorn. Ein Gespräch über die ersten Tage:
Das Sauerland war Kerstin Grube ein Begriff. Zumindest vom Hörensagen. Und vom Skifahren. Doch wo genau die Hansestadt Attendorn geografisch in dieser Region zu verorten ist, da musste sich die neue Geschäftsführerin der Helios Klinik im Internet zunächst informieren. So viel ist klar: Die 29-jährige Rheinländerin, die im August im Attendorner Krankenhaus die Nachfolge von Tobias Hindermann antrat, hat den Weg gefunden. Mit ihrer offenen und kommunikationsfreudigen Art scheint sie gut anzukommen. Nach einem Monat in einer für sie völlig unbekannten Stadt. Wir haben uns mit der gebürtigen Meerbuscherin, die zuvor die kaufmännische Leitung der Helios Klinik in Krefeld-Hüls innehatte, über ihre ersten Eindrücke, ihre verantwortungsvolle Aufgabe und ihre Ziele unterhalten.
Von der Rheinmetropole Düsseldorf ins kleine Attendorn: Was ist die größte Gemeinsamkeit zwischen dem Sauerländer und dem Rheinländer?
Kerstin Grube: Beide sind total offen. Anfangs hörte ich, der Sauerländer sei etwas zurückhaltender, aber das kann ich nicht bestätigen. Er sagt frei Schnauze heraus, was er denkt, und das finde ich gut, denn ich bin genauso. Und um Ihrer Anschlussfrage nach dem größten Unterschied zuvorzukommen: Ich sehe keinen.
Wie waren die ersten Wochen für Sie?
Interessant, mit viel Input und langen Arbeitstagen. Ich stehe vor einer super spannenden Herausforderung, diese Klinik in den kommenden Jahren zu leiten. Von Tag eins an habe ich das Vertrauen und die Hilfsbereitschaft meiner Mitarbeiter gespürt, ich bin herzlichst aufgenommen worden. In den vier Wochen konnte ich schon viele Gespräche führen, und ich wollte so viele Menschen wie möglich persönlich kennenlernen. Zunächst die Abteilungsleiter und Chefärzte, die für mich Ansprechpartner sind, dann aber auch alle anderen. Bei wem ich es noch nicht geschafft habe, versuche ich es so schnell wie möglich nachzuholen.
Das klingt, als seien Sie komplett ohne Vorbehalte empfangen worden. . .
Natürlich gibt es manchmal Skepsis. Nach dem Motto: So ein junges Küken übernimmt hier die Verantwortung? Und dann auch noch eine Rheinländerin. Aber als ich erzählt habe, dass ich Schützenfest und Karneval sehr gut kenne und mag, war das Eis gebrochen (muss lachen).
Haben Sie sich bereits in Attendorn eingelebt?
Ja, äh, das kann man so nicht sagen. Ich wohne weiterhin am Wochenende in Düsseldorf, unter der Woche bin ich natürlich hier. Ich bin ein paar Mal durch die Stadt gelaufen und habe Kämmerer und Bürgermeister bereits kennengelernt. Bei der Seniorenmesse habe ich vorbeigeschaut. Ich war erstaunt, wie viele Stände und Aussteller, aber auch Unternehmer, dort vertreten waren. Und ich war positiv überrascht, wie viele Menschen ein derart großes Interesse an der Gesundheitsversorgung von A bis Z in dieser Stadt zeigen.
War Ihnen bewusst, wie stark die Wirtschaft in Attendorn vertreten ist?
Nein, das war für mich überraschend. Erst als ich die Mietpreise gesehen habe, war es mir klar (lacht). Schon erstaunlich, wie viele Global Player hier vertreten sind. Ich möchte das nutzen und die Unternehmen besser kennenlernen.
Warum ist Ihnen das so wichtig?
Zum einen, um ein Gesamtverständnis von Stadt, Industrie und Gesundheitsbranche zu bekommen. Das gehört alles zusammen. Warum? Die Unternehmen vor Ort beschäftigen teilweise mehrere tausend Mitarbeiter, alles potenzielle Patienten von morgen. Desto besser die Wahrnehmung der Helios Klinik im Umfeld ist, desto eher kommen die Patienten zu uns. Ich habe einige Ideen, wie wir Kooperationen ins Leben rufen können, und der Vorteil eines starken Netzwerks ist doch, dass man je nach Bedarf voneinander profitiert.
Ist eine dieser Ideen, die Klinik neu zu bauen? Das Gebäude ist in die Jahre gekommen. . .
So einfach ist das nicht. Ein Beispiel: In Velbert, wo ich ebenfalls gearbeitet habe, entsteht ein Neubau. Direkt auf der Wiese nebenan. Die haben wir hier nicht. Wir bräuchten einen entsprechenden Bauplatz. Ein anderes Thema ist greifbarer: Der Brandschutz. Hier investieren wir viel Geld. Gleichzeitig wollen wir unsere Patientenzimmer hübscher und attraktiver machen. Unsere Patienten wollen mehr Platz, diesen Wunsch müssen wir in unserem Bestand nachkommen. Daran arbeiten wir.
War es schon immer ihr Traum, Geschäftsführerin der Helios-Klinik zu werden?
Nein. Nach dem Abi wusste ich nicht, was ich machen sollte. Weil ich sprachaffin bin und gerne Englisch und Biologie studieren wollte, bin ich in Maastricht in den Niederlanden gelandet und habe dort Gesundheitswissenschaften in englischer Sprache studiert. Eine super spannende Zeit. Nach dem Bachelor war mir aber klar: Jetzt will ich ins Arbeitsleben einsteigen. Also bin ich zurück nach Deutschland und habe in Berlin in einem Start-Up gearbeitet. Dort habe ich Gesundheits-Coachings für und in Unternehmen gemacht. Allerdings wollte ich mich dann weiter spezialisieren und bin für den Master zurück in die Niederlande gegangen. Seitdem bin ich Gesundheitsökonomin. Schließlich bin ich auf das Trainee-Programm von Helios gestoßen und habe mich dort beworben. Jetzt bin ich hier, und das freut mich total.
Was sind eigentlich Ihre Aufgaben als Geschäftsführerin?
Ich rede. Und zwar viel, den ganzen Tag. Ich habe viele Termine und Besprechungen mit meinen Chefärzten und Abteilungsleitern. Dann höre ich mir die Dinge, die gut laufen, an und versuche die Probleme anzupacken. Mein Job ist, das große Ganze im Auge zu behalten. Ich bin verantwortlich dafür, dass wir alle notwendigen medizinischen Geräte hier haben, dass die Reinigung einwandfrei läuft, dass die Hygienevorschriften eingehalten werden. Ich muss zusehen, Personalengpässe auszugleichen und Stellen nachzubesetzen. Auf meinem Schreibtisch laufen alle Fäden zusammen.
Welche Werte in der Zusammenarbeit sind Ihnen wichtig?
Ich stehe für eine ehrliche, offene Kommunikation. Ich fordere Feedback ein und sage gleichzeitig meine Meinung, auch wenn ich gar nicht gefragt werde (lacht). Nur so können wir uns verbessern. Ich bin noch jung und weiß noch nicht alles, insofern erwarte ich, dass meine Mitarbeiter mir ehrlich ihre Meinung sagen, wie ich es auch tue. Es gibt nichts Schlimmeres, als Probleme unter den Teppich zu kehren.
Welche Ziele verfolgen Sie?
Das Leistungsspektrum hier ist breit gefächert. Das möchte ich beibehalten, möglicherweise ausbauen. Andererseits finde ich den Ansatz unseres Unternehmens richtig, medizinische Kompetenzen in Zentren zu bündeln. Denn OPs, die an einem Standort häufig durchgeführt werden, sind qualitativ einfach besser, das ist klar messbar. Wir haben hier viel Expertise, aber anderswo gibt es die genauso und bei seltenen Operationen eben gebündelt. Da erhalten die Patienten dann die beste OP von besten Experten.
Laufen Sie damit nicht Gefahr, die Bürger zu verschrecken. Wenn diese für eine OP bis nach Wuppertal müssen?
Das sehe ich nicht so. Wir müssen uns Gedanken um eine wohnortnahe Patientenversorgung machen. Eins ist klar: Wir können hier nicht alle seltenen Operationen in einer Zahl durchführen, die für eine ausgezeichnete Expertise sorgt. Wenn dann zum Beispiel eine spezielle, aufwändige Operation in einem anderen spezialisierten Krankenhaus gemacht wird, fahren wir den Patienten zur OP und direkt danach, sobald es möglich ist, wieder zurück, und alle Vor- und Nachversorgungen werden hier gemacht. So können wir von unserem internen Helios Netzwerk profitieren und der Patient wird weiterhin im heimischen Krankenhaus betreut. Das gilt übrigens genauso umgekehrt, denn auch wir hier haben spezialisierte Leistungen.
Hindermann arbeitet nun in Gifhorn
Grubes Vorgänger Tobias Hindermann leitet nun das Helios-Haus in Gifhorn. Er war zuvor in Attendorn als Geschäftsführer seit 2014 verantwortlich und hat das Krankenhaus seit der Übernahme von den Rhön Kliniken wirtschaftlich stabilisiert und die medizinische Leistung ausgebaut. So geht beispielsweise die Einrichtung des Herzkatheterlabors auf seine Kappe.
In Deutschland verfügt Helios über 111 Akut- und Rehabilitationskliniken, 89 Medizinische Versorgungszentren (MVZ), vier Rehazentren, 17 Präventionszentren und 12 Pflegeeinrichtungen. Helios beschäftigt in Deutschland mehr als 74 000 Mitarbeiter und erwirtschaftete 2017 einen Umsatz von rund 6,1 Milliarden Euro.
Wie wichtig ist das Ansehen der Klinik in der Stadt?
Sehr wichtig. Ich möchte, dass die Wahrnehmung des Hauses gut bleibt und besser wird. Das schaffen wir, indem wir nach außen hin präsent sind und zu Veranstaltungen gehen, um auf die Bürger zuzukommen. Bei der Seniorenmesse waren wir, dieses Wochenende sind wir auch beim Stadtfest vertreten. Die Menschen sollen gerne zu uns kommen, wenn sie denn müssen.
Sind Sie auf der Straße schon angesprochen worden?
So direkt nicht. Bei einer Wohnungsbesichtigung sagte mir der Vermieter aber, dass er schon wisse, wer ich bin. Genau das finde ich sympathisch. Diese offene Art.
Wie häufig haben sie sich im Haus am Anfang verlaufen?
Diverse Male (lacht). Die Klinik ist ein riesengroßer Bau. Zehn Stockwerke, diverse Räumlichkeiten, hier ein Winkel, da ein Winkel. Nach Feierabend bin ich häufig durch das Gebäude gelaufen und habe geschaut, wo ist was, wer ist wo. Mittlerweile habe ich mich orientiert. Denke ich.