Kreis Olpe. . Der Windenergieerlass lässt viele Bürger fragend zurück.

Aktuell liegen der Kreisverwaltung zwei Bauanträge für Windkraftanlagen vor, ein weiterer ist angekündigt. Im Wahlkampf hat vor allem die FDP mit dem Versprechen geworben, den Bau von Windkraftanlagen künftig einbremsen zu wollen. Wie ist der Stand der Dinge im Kreis Olpe? Wir sprachen mit Kreisdirektor Theo Melcher.

Der Windenergie-Erlass der Landesregierung hat bei vielen Windkraftgegnern die Hoffnung geweckt, im Kreis Olpe seien Windkraftanlagen künftig zu verhindern (1500 m / Standort Wald). Ist das so?

Theo Melcher: Nein, schon deshalb nicht, weil auf Bundesebene nach wie vor der Ausbau der erneuerbaren Energien, und damit auch der Windenergie, betrieben wird. Dazu gibt es klare bundesrechtliche Regelungen, an denen kein Bundesland vorbei kann. Das Baugesetzbuch des Bundes privilegiert die Windenergie im Außenbereich. Nach der darauf bezogenen höchstrichterlichen Rechtsprechung ist jede Gemeinde gehalten, den regenerativen Energien „substanziell Raum zu verschaffen“, wie die Gerichte zu sagen pflegen. Dafür gibt es klare Vorgaben. Von Verhinderung durch neue landesrechtliche Regelungen kann daher keine Rede sein. Auch eine wesentliche Erschwernis sehe ich nicht, jedenfalls nicht im waldreichen Sauerland. Dies gilt insbesondere für die neuen Regelungen zur Waldinanspruchnahme in NRW.

Warum ausgerechnet hier nicht?

Nach dem Erlass ist die Waldinanspruchnahme zwar nur dann möglich, wenn außerhalb des Waldes der erforderliche Bedarf an Windenergieanlagen nicht gedeckt werden kann. Doch Wald ist nun mal typisch für das Sauerland. Und dort weht der Wind. Die betroffenen Bürger als Nachbarn von Windenergieanlagen interessiert zudem die Abstandsregelung zu ihren Wohnhäusern mehr. Leider fehlt es an klaren gesetzlichen Regelungen wie in Bayern, die im Übrigen auf einer bundesgesetzlichen Ermächtigung getroffen worden sind, die jedoch heute nicht mehr gilt.

Wie viele Bauanträge für Windkraftanlagen liegen dem Kreis Olpe vor?

Zwei für den Bereich Olpe / Wenden, und einer ist angekündigt für den Bereich am Oberbecken in Finnentrop.

Wenn sich ein Betreiber / Projektentwickler heute um eine Baugenehmigung bemüht, sind seine Chance dann grundsätzlich schlechter als noch unter Rot-Grün?

Grundsätzlich nicht, denn es gelten nach wie vor die gleichen bundesgesetzlichen Regelungen. Und noch eins: Ein Antragsteller hat bei Vorliegen der gesetzlich normierten Voraussetzungen einen Anspruch auf Erteilung der Genehmigung. Die Genehmigungsbehörde hat hier keinerlei Ermessen.

Ist es richtig, dass Bauanträge mit Verweis auf ein laufendes Planungsverfahren der Gemeinde längstens zweimal ein Jahr verzögert werden können, dann aber entschieden werden muss?

Die Sache ist rechtlich vielschichtig. Ich befürchte, jetzt wird es für den Leser sehr kompliziert. Das Baugesetzbuch geht grundsätzlich von einer Privilegierung von Windenergie aus. Dies bedeutet, jeder, der eine Anlage errichten möchte, könnte nahezu zu jedem Standort im Außenbereich einen Bauantrag stellen. Der müsste dann genehmigt werden, wenn nicht andere gesetzliche Hinderungsgründe bestehen. Hier greift vor allem der Natur- und Artenschutz, jeweils standortbezogen. Auch Lärmimmissionen und optische Bedrängungswirkung durch die Nähe von Wohnbebauung wären nach entsprechend bestehenden Vorgaben im Einzelfall zu berücksichtigen. Diese grundsätzliche Privilegierung der Windenergie kann jedoch durchbrochen werden.

Durch die Planungen der Kommunen?

Genau, hier spielt die kommunale Planungshoheit eine entscheidende Rolle. Die Kommune kann durch die Ausweisung von Konzentrationszonen die Errichtung von Windenergieanlagen auf bestimmte Flächen begrenzen und damit für anderen Flächen ausschließen. Dies geschieht im Weg der Bauleitplanung. Will nun eine Kommune ihre bestehende Planung überarbeiten oder erstmals durchführen und kommt zuvor ein Antrag auf Errichtung von Windenergieanlagen, dann kann die Genehmigungsbehörde einen derartigen Bauantrag zurückstellen. Diese Zurückstellung ist für ein Jahr möglich, bei besonderen Umständen längstens für ein weiteres Jahr. Allerdings hat die Genehmigungsbehörde auch die Wirkung der kommunalen Planung zu prüfen. So kann es sein, dass die Planung aus rechtlichen Gründen keine Ausschlusswirkung hat. Dann hat die Gemeinde geplant, jedoch nicht die gewünschte Wirkung erzielt. Die Planung einer Gemeinde erfolgt ja nicht im rechtsfreien Raum. Und so kommt wieder das Bundesrecht ins Spiel und die Vorgabe, der Windenenergie substanziell Raum zu verschaffen. Dies ist dann auch einklagbar!

Es heißt: Bundesrecht schlägt Landesrecht und Bundesrecht fordert, der Windkraft substanziell Raum zu geben. Muss das jede Kommune für sich, oder könnten Kreis/Bezirk/Land größere Einheiten zu Grunde legen, in denen substanziell Raum für Windkraft geschaffen wird?

Nun, die Planungsebene ist die jeweilige Kommune, also Stadt bzw. Gemeinde. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Dort ist entweder durch die Bauleitplanung der Windenergie aufgrund bundesrechtlicher Vorgaben Raum zu geben. Oder man verzichtet auf jede Planung. Dann gilt die bereits genannte Privilegierung für den Außenbereich einer Gemeinde und die Einzelfallprüfung durch die Genehmigungsbehörde.

Bis 2015 gab es im Bundesbaugesetz die Länderöffnungsklausel, die es ermöglichte, z. B. Einschränkungen in der Abstandsregelung zu formulieren. Bayern hat das mit der 10-H-Regel gemacht, NRW unter Rot-Grün darauf verzichtet. Haben Sie Kenntnis, dass die Landesregierung über eine Bundesratsinitiative nachdenkt, die Öffnungsklausel wieder einzuführen?

Nach meinem Kenntnisstand will die Landesregierung über den Bundesrat eine Öffnung des Baugesetzbuchs erreichen.

Heftige Kritik der Naturschutz-Initiative

Heftig kritisiert wird die Neufassung des Landesentwicklungsplanes von der Naturschutzinitiative (NI), die sich im Kreis Olpe erstmals zu den Windkraftplänen im Bereich Kirchhundem / Rothaarkamm zu Wort gemeldet hatte. Die Naturschutzinitiative hat sich vor zwei Jahren in Rheinland-Pfalz vom BUND abgespalten und agiert bundesweit. Grund für die Abspaltung war die als zu unkritisch empfundene Haltung des BUND zu den Rot-Grünen Windkraftplänen.

Die Verlagerung des Ausbaus der Windenergie auf die Kommunen sei ein gänzlich falscher Weg, um weiteren Wildwuchs zu verhindern. Die für die Erholung, das Landschaftsbild und die windenergiesensiblen Tierarten wichtigen Gebiete auf Landesebene müssten von der Windkraftnutzung ausgenommen werden. Hierzu gehörten auch alle Wälder, Naturparke sowie Landschaftsschutzgebiete. „Wir fordern konsequenterweise den sofortigen Ausbaustopp für die Windenergie, da diese nicht speicherbar ist, zu keiner Reduzierung des CO2 -Ausstoßes führt und damit keinen Beitrag zum Natur- und Klimaschutz leistet. Stattdessen führt ein weiterer Ausbau zu einem zunehmenden Desaster für die Biologische Vielfalt. Die Errichtung von Windindustrieanlagen in unseren Wäldern erachten wir geradezu als absurd und muss umgehend gestoppt werden. Es ist schier unmöglich, dass eine naturzerstörende Industrie Natur retten soll“, so der Landesvorsitzender Harry Neumann.

gus