Olpe. . Jedes Jahr zieht es viele gebürtige Olper Mitte Juli von weit her zurück in ihre Heimat. Was ist so besonders an dem Schützenfest?

Unzählige Menschen tummeln sich am Wochenende an den Straßen, schauen aus den Fenstern, feiern fröhlich die Schützen auf dem Ümmerich. Echte Olper eben. Doch nicht jeder wohnt auch im Sauerland. Einige sind vor langer Zeit schon weggezogen, kommen aber jedes Jahr aufs Neue, wenn es wieder heißt „Gudde Fierdahe“. Viele Kilometer nehmen sie dafür in Kauf. Alles selbstverständlich für dieses „absolut einmalige Ereignis“. Doch was ist so besonders am Olper Schützenfest? Warum setzt man sich dafür sogar 20 Stunden ins Flugzeug? Unsere Zeitung hat sich unter die feiernde Menge gemischt und echte Verbündete des St. Sebastianus Schützenvereins getroffen.

Von wilden Geschichten

Christina Tölle lebt in Holland. Genauer gesagt wohnt sie in Haarlem, eine Stadt in der Nähe von Amsterdam. Wenn sie sich auf das Fahrrad setzt, ist sie in wenigen Minuten am Meer. Trotzdem. Ihre Heimat ist und bleibt Olpe. „Ich bin sowas von eine Ur-Olperin“, sagt die flippige 44-Jährige und strahlt. „Das hier ist einfach Heimatgefühl. Und das Schützenfest und seine Tradition gehören ganz klar dazu.“ Der Liebe wegen hatte sie das Sauerland verlassen, lebte eine Zeit in Barcelona und wohnt nun schon seit 2000 in Holland.

Aber unabhängig davon, wo sie gelebt hat, jedes Jahr gönnt sich die Architektin ihren Urlaub in der Heimat, verbringt die Zeit in ihrem Elternhaus. So wie damals. „Ich könnte wilde Geschichten erzählen“, lacht die junge Mutter. „Zum Beispiel, wie wir früher vom Schützenplatz runter gegangen sind und nachts noch nackt schwimmen gegangen sind. Ach, das ist schon gute 20 Jahre her. Ich weiß noch, wie ich da mit nassen Haaren und verkehrt herum angezogenen Klamotten stand. Aber das ist typisch Olpe.“

Heute hat Christina Tölle ihren Sohn Fedde dabei. Er ist zehn Jahre alt und schon längst mit den Schützen-Virus infiziert. Für den jungen Mann steht fest, dass er später mal, wenn er älter ist, auch aufs Olper Schützenfest gehen will. Aus Holland kennt er sowas nämlich nicht. „Da gibt es keine Volksfeste und Bier trinken die da auch nicht so viel“, erklärt seine Mutter und winkt fröhlich den vielen Menschen zu, die sie jährlich hier wieder trifft. Einmal hat sie das Schützenfest sausen lassen. Da war sie mit ihrer Schwester in der Toskana. Was haben sie das bereut. „Wir haben richtig gelitten und geweint“, sagt Tölle. „Das war so schlimm. Per Live-Cam haben wir das Schützenfest dann aber trotzdem verfolgt."

Seele suchen aufm Ümmerich

Oben auf dem Ümmerich tummeln sich die Menschen auf den Terrassen, dem Tanzboden, ums schwarze Zelt. Unter dem Eichenlaub steht Dieter Hütte. Seit Jahren ist das der fixe Treffpunkt, den er mit Freunden vereinbart hat. 1978 hat es den gebürtigen Olper in die Ferne gezogen. Rein berufliche Gründe, wie er betont. Erst zog es ihn nach München zur Bundeswehr, später lockte ihn das Studium zum Wirtschaftsgeografen nach Bonn. Heute ist er Geschäftsführer einer Landesmarketing-Gesellschaft und lebt seit 1998 in Potsdam.

Seit Beginn seiner beruflichen Karriere - also seit 1978 - kommt er jedes Jahr zurück nach Olpe, um das Schützenfest zu erleben. Seine Familie, ebenso Schützen-Freunde wie er, leben noch in Olpe. Dieses Jahr ist seine Schwiegermutter Eva Schulte sogar Jubelkönigin. Er ist das „schwarze Schaf, das die Heimat verlassen hat“, witzelt Dieter Hütte. Aber noch immer ist er stolzes Mitglied des Schützenvereins. Und wird es auch immer bleiben. „Hier ist meine Seele“, erklärt er.

„Und die suche ich hier einmal im Jahr, treffe meine Freunde wieder. Die Verbundenheit mit dem Schützenverein, das ist wie mit der Liebe auf den ersten Blick. Das kann man nicht erklären.“ Seine schönsten Erlebnisse? Hütte schmunzelt geheimnissvoll. „Ich finde, wir sollten den Lesern an dieser Stelle ein bisschen ihrer eigenen Fantasie überlassen.“

Schützenhut vom Opa

Martin Dornseiffer stößt dazu. Er ist 58 Jahre alt und ein langjähriger Freund von Dieter Hütte. Sie kennen sich schon aus Messdiener-Zeiten. 1979 hat er in Olpe sein Abitur gemacht. Seitdem hat er kein einziges Schützenfest verpasst. Und das, obwohl er zwischenzeitlich in Mönchengladbach, Stuttgart, Hannover und Hamburg gelebt hat. Mittlerweile lebt der Geschäftsführer einer Bank in Wuppertal. „Dieses Fest ist einfach einzigartig“, erklärt Dornseiffer. „Hier begegnen uns die Menschen, die einst weggegangen sind und die Menschen, die hier geblieben sind. Auch viele frühere Klassenkameraden sind dadrunter.“

Seine Eltern leben in Olpe. Dort kommt er für die „Fierdahe“ auch immer unter. Dornseiffer ist natürlich auch Mitglied im Schützenverein. Das hat in seiner Familie Tradition. Sein Vater und auch schon sein Opa gehörten dem Verein an. Stolz trägt Dornseiffer heute- wie jedes Jahr - den alten Schützenhut von seinem Opa. Hauptmann war er früher. Ein bisschen verschlissen ist der Schützenhut im Inneren bereits. Aber das stört Martin Dornseiffer nicht. Denn was gibt es Schöneres, als so an die Zeit der einstigen stolzen Schützen des Vereins zu erinnern?

Zeit für ein kühles Bierchen

Andrea Köhler kramt erstmal das „Gebetsbuch“ aus ihrer Handtasche. So nennt man nämlich 50 Biermarken. Zeit für sie und ihren Mann Harald ein kühles Bierchen zu trinken. Ihm zuliebe hatte sie 2009 ihre Heimat verlassen und ist nach Frankfurt gezogen. Harald ist eigentlich mit Äppelwein groß geworden, erzählt sie.

Doch schon längst hat die 52-jährige Flugbegleiterin ihn vom kühlen Blonden überzeugt. „Meinen Ex-Verlobten, jetzt Ehemann hatte ich sofort im Schützenverein angemeldet“, sagt die gebürtige Olperin und lacht. „Ich wollte nämlich mit keinem Mann hier hoch, der nicht im Schützenverein ist.“ Zwölf Jahre ist das nun schon her. Verändert hat sich seitdem eigentlich nichts. „Unsere Freunde, das ist das beste hier“, sagt Andrea Köhler. „Hier geht einem das Herz auf.“

16.400 Kilometer geflogen

Und dann ist da noch Frank Schurig. Der 46-Jährige hat vermutlich die weiteste Anreise zum Schützenfest hinter sich. Der gebürtige Olper lebt nämlich seit 2006 in Australien. Hauptsächlich wegen des Wetters, erklärt der selbstständige technische Zeichner.

„Olpe ist meine Heimat, aber mit dem Wetter in Australien kann das Sauerland nicht mithalten“, lacht Schurig. Seit 30 Jahren kommt er regelmäßig zum Schützenfest.

Dass er dafür nun ins Flugzeug steigen muss, das stört ihn überhaupt nicht. Acht Stunden ist er bis nach Singapur geflogen, dann nochmal zwölf Stunden bis nach Frankfurt. Insgesamt 16.400 Kilometer hat er insgesamt zurückgelegt. Für das Olper Schützenfest. Für ein Stück Heimat, das er nie wieder missen möchte.