Attendorn. . Situation auf dem Wohnungsmarkt birgt sozialen Sprengstoff. Bestimmte Gruppen finden keinen Zugang. 227 anerkannte Flüchtlinge in Attendorn.
In Deutschland kommen laut aktueller Zahlen immer weniger schutzsuchende Flüchtlinge an. Davon profitieren nicht nur Bund und Länder, sondern in erster Linie auch die Kommunen. Wie beispielsweise Attendorn. In der Hansestadt ist die Zahl der Zuweisungen aus Arnsberg seit letztem Jahr spürbar zurückgegangen. Derzeit halten sich hier noch 375 Flüchtlinge auf, teilte Sozialamtsleiterin Christiane Plugge im Ausschuss für Soziales, Jugend und Sport jüngst mit. Während 227 dieser Personen mittlerweile als anerkannt gelten, sind 31 Bewerber abgelehnt worden und damit ausreisepflichtig. Ob sie die Hansestadt zeitnah verlassen, ist allerdings völlig unklar.
„Diese Menschen können aus verschiedenen Gründen hier bleiben, etwa wenn sie krank sind und eine Duldung erhalten oder schlicht keine Papiere bei sich tragen“, erklärt Plugge auf Nachfrage dieser Redaktion. Hinzu kommen aktuell noch 117 Asylbewerber, über deren Verbleib noch nicht entschieden ist. Untergebracht sind diese Menschen dezentral in mehr als 30 Unterkünften im Stadtgebiet, in kleinen Wohnungen oder auch in den Containern, die etwa in Ennest oder Helden stehen.
Neue Zuweisungen möglich
Und trotz der abebbenden Flüchtlingsströme seien neue Zuweisungen keinesfalls ausgeschlossen. Wie Plugge den Ausschuss-Mitgliedern erklärte, müsse die Hansestadt noch mehr als 100 Personen aufnehmen, weil Attendorn bei der Verteilqoute auf nur 62 Prozent kommt. Also die Stadt weniger Flüchtlinge aufgenommen hat als vorgesehen. „Wann das passiert und wir aus Arnsberg eine Info bekommen, wissen wir nicht“, berichtet Plugge.
Weniger Arbeit und Sorgen hat die Stadt aufgrund dieser Entwicklung – immerhin hat sich die Anzahl der hier lebenden Flüchtlinge von geschätzt rund 500 in 2016 deutlich reduziert – aber nicht. Zu diesem Schluss kommt Kämmerer Klaus Hesener. Größtes Problem sei derzeit nämlich der Mangel an sozialem Wohnraum. Ein Resultat aus zu wenig vorhandenen bezahlbaren Wohnungen, steigender Altersarmut oder auch aus dem Trend zu mehr Single-Wohnungen. Ein Phänomen, das nicht nur, aber auch auf Attendorn zutrifft.
„Die Preise für Immobilien steigen immer weiter an, gerade Olpe und Attendorn sind teure Pflaster. Für viele potenzielle Investoren lohnt es sich gar nicht mehr zu bauen“, begründet Hesener. Hinzu kämen die hohen Anforderungen, etwa im Bereich des Brandschutzes, die viele Investoren abschrecken würden. Und: „Wir als Stadt sind überhaupt nicht dafür aufgestellt, im großen Stil eigene Immobilien zu errichten.“ Auf Landesebene ist dieses Problem längst angekommen. „Das Land muss dringend die Bedingungen für den Wohnungsbau verbessern, denn Unterbringung in familiengerechten Wohnungen ist ein Schlüsselfaktor für erfolgreiche Integration“, mahnte Dr. Bernd Jürgen Schneider, Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes NRW, vor wenigen Tagen noch in Düsseldorf. Für NRW bestehe bis 2020 ein Bedarf von 400 000 Wohnungen.
Kein Zugang zum Wohnungsmarkt
Dass Flüchtlinge auf dem Attendorner Wohnungsmarkt kaum einen Zugang finden, unterstreicht Christiane Plugge zudem mit Zahlen, die sie eigenständig zusammengesucht hat, die also auf keiner Statistik beruhen.
Würde sie die Zahl der Obdachlosen mit denen der anerkannten Flüchtlinge, Menschen aus Südosteuropa und denjenigen, die Sozialhilfe nach SGB II in Anspruch nehmen, addieren, dann fehlten in der Hansestadt schätzungsweise 100 Wohnungen. Um die ohnehin schon kaum vorhandenen Wohnungen konkurrieren dann noch verschiedene Bevölkerungsgruppen. Ein Unding, wie Klaus Hesener betont: „Das birgt sozialen Sprengstoff, den wir hier nicht gebrauchen können. In Berlin oder Düsseldorf müssen schnellstmöglich die Weichen für einen attraktiveren sozialen Wohnungsbau geschaffen werden.“ Die Uhr, das erklärte der Kämmerer zum Abschluss in der Sitzung, würde längst fünf nach zwölf schlagen.