Attendorn. . Literaturkurs des Attendorner Rivius-Gymnasiums wird im November das Leben der Vertriebenen aufarbeiten. Recherchen noch nicht abgeschlossen.
Sie wissen noch nicht alles. Und deshalb bohren Hartmut Hosenfeld und Tom Kleine weiter. So lange, bis sie das Leben der Anna Kahn komplett aufgearbeitet haben. Die Geschichte des Mädchens, das im Jahr 1929 als erste Frau überhaupt am heutigen Rivius-Gymnasium Abitur machte. Und des Mädchens, das nur wenige Jahre später vor dem Hitler-Regime aus der Hansestadt fliehen musste.
Bei ihrer Recherche wenden sich Hosenfeld, der sich seit dem Jahr 1986 mit dem Judentum in Attendorn beschäftigt, und Kleine, der bekanntlich die Pressestelle der Verwaltung leitet, noch einmal an die Öffentlichkeit. Denn: „Es wäre klasse, wenn uns jemand bei den Fotos weiterhelfen könnte. Vielleicht erkennt ein Leser eines der Fotos und kann eine Verbindung zu Anna Kahn herstellen“, hofft Kleine, dem allerdings auch klar ist, dass die Aufnahmen schon sehr alt sind. Vermutlich stammen sie aus den 1920er Jahren. Kleine: „Es wäre also schon ein Zufall.“
Profitieren von neuen Erkenntnissen würde vor allem der Literaturkurs des Rivius-Gymnasiums, der im November im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Shalom Attendorn 2018“ ein selbst inszeniertes Theaterstück über das Leben der „Nana“ Kahn aufführen wird. „Alleine das Schreiben der einzelnen Szenen hat so viel Spaß gemacht und bei uns eine energiegeladene Atmosphäre geschaffen“, beteuert Lehrerin Susanne Hullerum, die den Literaturkurs leitet. Zum Ablauf der insgesamt drei Auftritte im November lässt sich die Pädagogin bereits so viel entlocken: „Natürlich arbeiten wir heraus, wer Anna war, genauso zeigen wir aber auch die 20er Jahre und den Hochpunkt des Antisemitismus.“ Zum Theaterprogramm gehören genauso ein Chor und eine Ausstellung. Und auch das Treppenhaus vor der Aula werde entsprechend umgestaltet.
Vom Kolosseum gestürzt?
Bereits erforscht haben Kleine und Hosenfeld, dass „Nana“ die Adoptivtochter von Otto Kahn war und in Mailand geboren wurde. „Allerdings ist es schwierig, an ihre Geburtskunde heranzukommen“, erklärt Hosenfeld auf Nachfrage dieser Zeitung. Danach sei sie in Lugano getauft worden und nach dem Tod ihres Adoptivvaters, laut Hosenfeld sei dieser in Rom vom Kolosseum gestürzt, in den 1920er Jahren zur Verwandtschaft nach Attendorn gekommen. Weil sie Protestantin war, wurde sie nicht als Schülerin am Lyzeum der Ursulinen in Attendorn aufgenommen. Sie besuchte daher das heutige Rivius- Gymnasium. Im Februar 1935 heiratete Anna Kahn in Berlin den Attendorner Juden Kurt Stern und trat zum jüdischen Glauben über. Die Eheleute lebten mit Tochter Eva anschließend im Erdgeschoss des elterlichen Hauses in Attendorn. Bis zum Jahr 1938, als sie vor den Nazis über England nach Amerika fliehen mussten.
Ihre Nachkommen aus den USA haben unterdessen den klaren Wunsch geäußert, so Kleine, zur Uraufführung nach Attendorn zu kommen. Denn, und das betont Kleine: „Es ist einfach spannend, was in Attendorn mit dem Judentum passiert ist.“ In dieser Hinsicht sei es auch erfreulich, dass mittlerweile wieder eine israelische Familie hier ein Zuhause gefunden habe. Die erste Familie nach 1942. „Seitdem lebten in Attendorn keine Juden“, sagt der Stadtsprecher.
Infos: Vier Veranstaltungen im November
- Wie bereits berichtet, wird es rund um den 80. Jahrestag der Pogromnacht in Attendorn viele Veranstaltungen zur jüdischen Geschichte der Hansestadt geben, wie etwa besagtes Theaterstück in der Aula des Rivius-Gymnasiums (13.-15. November)