Attendorn. Das Kaufhaus Raphael Lenneberg in der Wasserstraße (heute Rossmann) war viele Jahre lang das erste Geschäft am Ort. Der bereits 1900 herausgebrachte Katalog mit 84 Seiten war für damalige Verhältnisse eine echte Sensation. Für Aufsehen sorgten auch die Fahrstühle in alle Etagen. Der Attendorner Josef Teipel begann hier am 6. April 1926 seine Ausbildung als Handlungslehrling. Teipel arbeitete wie zahlreiche seiner Kolleginnen und Kollegen als Nicht-Jude im Manufacturen-Geschäft der jüdischen Familie Lenneberg. Auf ihrer Webseite „Jüdisch in Attendorn“ zeichnen Hartmut Hosenfeld und Tom Kleine dieses aufschlussreiche Kapitel Attendorner Stadtgeschichte nach.
Das Kaufhaus Raphael Lenneberg in der Wasserstraße (heute Rossmann) war viele Jahre lang das erste Geschäft am Ort. Der bereits 1900 herausgebrachte Katalog mit 84 Seiten war für damalige Verhältnisse eine echte Sensation. Für Aufsehen sorgten auch die Fahrstühle in alle Etagen. Der Attendorner Josef Teipel begann hier am 6. April 1926 seine Ausbildung als Handlungslehrling. Teipel arbeitete wie zahlreiche seiner Kolleginnen und Kollegen als Nicht-Jude im Manufacturen-Geschäft der jüdischen Familie Lenneberg. Auf ihrer Webseite „Jüdisch in Attendorn“ zeichnen Hartmut Hosenfeld und Tom Kleine dieses aufschlussreiche Kapitel Attendorner Stadtgeschichte nach.
Dabei konnte sie auf Dokumente aus dem Nachlass des 2005 verstorbenen Josef Teipel zurückgreifen, die dessen Tochter Ute Scherer aus Neuss zur Verfügung gestellt hat.
Darunter sind der Lehrvertrag und Arbeitszeugnisse der Kaufhäuser Lenneberg und Scholl aus den Jahren 1926 und 1938/39. Nach Boykottaufrufen und immer stärker werdenden wirtschaftlichem und persönlichem Druck musste Inhaber Hermann Stern das von ihm unter dem Namen R. Lenneberg geführte Kaufhaus Anfang November 1938 an die Firma Scholl und Co. verkaufen.
Schlagzeile im Volksblatt
Im Attendorner Volksblatt hieß es damals: „Das Kaufhaus Lenneberg geht in arischen Besitz über.“ Hartmut Hosenfeld schrieb dazu in seinem 2006 erschienenen Buch „Jüdisch in Attendorn“: „Nach der Übernahme des Geschäftes durch die neuen Besitzer wehte die Hakenkreuzfahne über dem Eingang des Kaufhauses.“ Wenig später folgte auch in Attendorn das verbrecherische Novemberpogrom.
Zurück zu Josef Teipel: Für Geschäftsinhaber Hermann Stern spielte die Konfession seines Lehrlings offensichtlich keine Rolle. Ganz im Gegenteil. Im kaufmännischen Lehrvertrag aus dem Jahr 1926 stand ausdrücklich: „Die Firma R. Lenneberg verpflichtet sich, den Lehrling auszubilden, ihn zum regelmäßigen Besuche der Fortbildungsschule sowie an Sonn- und Feiertagen seiner Konfession zum Besuche des Gottesdienstes anzuhalten.“
Alles andere als üblich war auch die Übernahme des Schulgeldes für den Besuch der kaufmännischen Fortbildungsschule durch den Lehrherrn. „Mein Großvater hätte dieses Schulgeld nicht zahlen können“, betont Ute Scherer.
Auf der Internetseite „Jüdisch in Attendorn“ heißt es weiter: „Unmittelbar vor der Arisierung des Kaufhauses im Jahr 1938 mit der Übernahme durch die Firma Scholl & Co. standen bei Lennebergs 24 kaufmännische Angestellte und Arbeiter (20 weibliche, 4 männliche, darunter drei jüdische) sowie vier kaufmännische Lehrlinge in Lohn und Arbeit. Die Bilanzprüfung aus dem Vorjahr (1937) ergab ein Betriebsvermögen von rund 200 000 Reichsmark bei einem Umsatz von ca. 463 000 Reichsmark. Für die Kleinstadt Attendorn mit ihren gut 6500 Einwohnern war das Kaufhaus Lenneberg ein echter Wirtschaftsfaktor.“
Am 18. November 1938 – nur eine Woche nach den Novemberpogromen – stellte Hermann Stern seinem Angestellten Josef Teipel ein sehr gutes Arbeitszeugnis aus. Der Attendorner wechselte zum Nachfolgeunternehmen Scholl und Co., das auch den Fernruf 309 und das Schließfach 66 übernahm.
Fotografiert und denunziert
Abschließend informiert Ute Scherer: „Mein Vater ging dann nach Mannheim, um dort ab April 1939 bis zu seiner Einberufung im April 1940 in einem Bekleidungshaus zu arbeiten. Leider kann ich ihn nicht mehr fragen, warum. Ich nehme an, dass er in Attendorn zu viele Juden kannte. Als „Arier“ stand er in einem jüdischen Geschäft, an dem seit 1933 die Schilder „Kauft nicht bei Juden!“ hingen. Sein Chef, der ihn gefördert hatte, war Jude. Seine männlichen Kollegen waren Juden. Die Käufer in diesem im südlichen Sauerland führenden Kaufhaus waren mit Sicherheit auch jüdisch. In anderen Städten wurden „Arier“, die beim „Juden“ kauften, fotografiert und denunziert. Ich mag mir diesen Spagat gar nicht vorstellen.“
Nach dem 2. Weltkrieg zog es Josef Teipel nach Castrop-Rauxel. Dort gründete er eine Familie und starb im Jahr 2005.