Kreis Olpe. . Christof Gerhard und Marcus Bruse wollen keine weiteren Windräder im Kreis Olpe akzeptieren.
Strom aus Windkraft - ein Thema, das die Gemüter seit Jahren auch im Kreis Olpe erhitzt. Auf der Baustelle des Rahrbacher Windparks kam es am Wochenende sogar zu einem Brandanschlag (wir berichteten). Wir sprachen mit Christof Gerhard und Marcus Bruse, zwei entschiedenen Windrad-Gegnern, die auch in den heimischer Bürger-Initiativen aktiv sind. Sie stellen im Interview klar, worum es ihnen geht.
Windkraft-Streitfälle in SüdwestfalenSeit wann beschäftigen sie sich mit dem Thema Windkraft?
Christof Gerhard: In Rehringhausen seit Ende 2013. Das Thema sorgte für Aufsehen, als bekannt wurde, dass am Standort Rother Stein bis zu 16 neue Windräder gebaut werden sollten. Das war der Anlass für uns zu sagen: Das kann nicht sein. Rund um Rehringhausen stehen bereits sechs Windräder.
Was heißt rund um Rehringhausen?
Gerhard: Drei Stück im Weidekamp Neuenkleusheim und drei am Rothen Stein. Vor allem die Kleusheimer Anlagen belasten uns massiv, was Lärm, Infraschall und Schattenwurf betrifft.
Wann stand für Sie fest, dass Sie sich gegen die Windenergie-Branche zur Wehr setzen müssten?
Marcus Bruse: Wir von der Initiative Lebenswertes Repetal beschäftigen uns seit drei Jahren mit Windkraft. Das hat mit den Plänen der Stadt Attendorn zu tun. Wir wollten eine Verspargelung nicht hinnehmen und haben gesagt: Das ist zu viel.
Wie viele Windräder sind im Stadtgebiet Attendorns langfristig geplant?
Bruse: Es gibt derzeit drei kleine Anlagen, darüber hinaus, so erste Planungen, war mal die Rede von weiteren zwölf, dann von 18. Das hing aber immer mit den angedachten Vorranggebieten zusammen, deren Zukunft ja momentan unklar ist. Somit kann man zurzeit keine Anzahl nennen.
Gibt es in Attendorn Vorrangzonen?
Bruse: Ja, alte, kleine Vorrangzonen. Diese Zonen sollten auf Druck der Bundesregierung und der vergangenen rot-grünen Landesregierung vergrößert werden oder es sollten neue dazukommen.
Sind Sie mit der Strategie der jetzigen NRW-Landesregierung zufrieden?
Gerhard: Mehr als mit dem, was die letzte Regierung gemacht hat. Die neue Landespolitik hört mehr auf die Bürger, vor allem die FDP, aber auch bei der CDU ist ein Umdenken zu beobachten.
Ist die FDP auf Ihrer Seite?
Gerhard: Das Thema Windenergie ist auch ein wirtschaftliches Thema. Und in der FDP gibt es wirtschaftlichen Sachverstand. Leute, die sich mit dem Thema betriebswirtschaftlich auseinandergesetzt haben. Ich komme selbst aus der Betriebswirtschaft und wehre mich gegen die Windkraft auch deshalb, weil es volkswirtschaftlicher Unsinn ist. Es werden extreme Werte vernichtet, und es findet eine sehr ungerechte, massive Kapitalumverteilung von unten nach oben statt.
Welche Werte?
Gerhard: Es wird sehr viel Geld vernichtet. Wir bezahlen durch die EEG-Umlage das doppelte für den Strom, was er tatsächlich wert ist. Neben den Themen Infraschall, Verspargelung und Naturschutz. Da wird ja sogar von Kettensägen-Massakern nicht zurückgeschreckt?
Kettensägen-Massaker?
Gerhard: Laut Medienberichten zerstören Täter mit Kettensägen Horste von Rotmilanen oder Schwarzstörchen, indem sie kurzerhand die Bäume fällen. Wo diese Vögel leben, dürfen keine Windräder gebaut werden.
Bruse: Es gibt in Deutschland mehrere Beispiele, dass geschützte Arten aus Windvorranggebieten vertrieben worden sind.
Was schreckt Sie am meisten an der Windenergie-Branche?
Gerhard: Der wirtschaftliche Aspekt, der gesundheitliche, aber auch die Naturzerstörung. Schauen Sie sich das in Rahrbach mal an. Das ist unglaublich. Ebenso die Dreistigkeit der Projektierer, z. B. ohne Baugenehmigung weiterzubauen, wie in Freudenberg in der vorletzten Woche geschehen.
Was ist dort so dramatisch?
Gerhard: Das war mal ein Landschaftsschutzgebiet mit schützenswerten Biotopen. Heute ist es ein Industriegebiet von weit mehr als 50 000 qm mitten im Wald.
Wo, fürchten Sie, könnten die nächsten Windräder gebaut werden?
Gerhard: Überall dort, wo sich die Bürger am wenigsten wehren. Meist aber in Grenzgebieten. Also Flächen an Stadt- oder Kreisgrenzen. Serkenrode ist da ein Thema, Altenkleusheim, Drolshagen, Benolpe, Attendorn und auch Gerlingen.
Was kann die Investoren stoppen?
Gerhard: Gott sei Dank haben die Politiker, die sich sachlich mit dem Thema auseinandersetzen, hier vor Ort, aber auch im Lande den Unsinn mittlerweile erkannt. Der lässt sich ja schon rechnerisch leicht belegen. Wir brauchen in Deutschland pro Tag ungefähr 70 000 Megawatt an Strom, haben aber bereits eine installierte Leistung aus Photovoltaik und Windkraft von 100 000 Megawatt.
Also brauchen wir in Deutschland gar keinen Atom- oder Braunkohlestrom?
Gerhard: Ja, wenn der Wind 365 Tage 24 Stunden wehen würde. Tut er aber nicht.
Aber weht Wind nicht an unterschiedlichen Orten zur gleichen Zeit unterschiedlich stark?
Bruse: Die Unterschiede sind gering. Wir haben sogenannte europäische Großwetterlagen. Das bedeutet, wenn Wind weht, dann fast überall, wenn nicht, dann fast überall auch nicht.
Gerhard: Das ist keine Erkenntnis von uns, sondern ein Forschungsergebnis des Frauenhofer Institutes.
Wo soll der Strom herkommen?
Gerhard: Wir brauchen einen Energiemix.
Bruse: Der Windkraftanteil ist heute schon zu hoch. Deshalb gibt es an der Strombörse zeitweise negative Strompreise. Es wird zu viel Windstrom eingespeist, der nicht benötigt wird. Der Preis sinkt dann unter Null. Umgekehrt haben wir keinen Wind, wenn wir Strom brauchen. Zudem hängt der Stromleitungsbau weit zurück, um Strom von Nord nach Süd zu transportieren.
Aber noch einmal: Wo soll der Strom grundsätzlich herkommen?
Gerhard: Es war ein riesengroßer Fehler, zu sagen: Wir steigen aus der Atomkraft aus. Ich glaube nicht, dass das aufrechterhalten werden kann. Der deutsche Atomausstieg ist nur dadurch möglich, dass Länder wie Frankreich oder Belgien uns Atomstrom liefern, wenn die Erneuerbaren bei ungünstiger Wetterlage keinen produzieren.
Aber was würde in Rehringhausen oder im Repetal passieren, wenn in der Nachbarschaft ein Atomkraftwerk gebaut werden sollte?
Gerhard: Ich glaube, dass man neue, kleine Atomkraftwerke absolut sicher betreiben kann. Solche Kraftwerke würden auch nur noch rund 60 000 Quadratmeter Platz benötigen - drei Windräder brauchen mehr. Aber noch viel besser wären hocheffiziente Gaskraftwerke. Die rechnen sich in Deutschland aber nicht mehr, weil wir eine Vorrang-Einspeisung für Windstrom haben.
Was heißt Vorrang-Einspeisung?
Gerhard: Konventionelle Kraftwerke müssen heruntergefahren werden, wenn plötzlich Überkapazitäten aus Erneuerbaren Quellen zur Verfügung stehen. Und das macht jede andere Art der Stromerzeugung unwirtschaftlich.
Wie ist es um die Wirtschaftlichkeit hiesiger Windkraftanlagen bestellt?
Bruse: Windkraftanlagen hier im Mittelgebirge haben nur eine Auslastung von 15 bis 17 Prozent. Solche Anlagen würden in anderen Wirtschaftsbranchen gar nicht gebaut. Das rechnet sich eben nur dank der Förderung durch das EEG.
Gerhard: Ich kann natürlich nicht für alle Anlagen sprechen. Die Rehringhauser Anlagen haben sich in 2017 ca. 1700 Stunden von 8760 möglichen Stunden gedreht. Das heißt aber nicht, dass in diesen 1270 Stunden der Strom auch bei uns in der Steckdose angekommen ist, sondern davon nur rund 17 Prozent. Somit kann effektiv drei Prozent der Jahresstunden tatsächlich von den Verbrauchern genutzt werden.
Und der Rest?
Gerhard: Ist ins Ausland verschenkt worden, und wir mussten noch Geld geben, dass wir ihn loswurden. Das liegt eben daran, dass zu der Zeit, wo die Rehringhauser Anlagen Strom lieferten, auch die anderen Anlagen produzierten, der von den Verbrauchern nicht abgenommen werden konnte.
Wer oder was befördert im Kreis Olpe die Windkraftprojekte?
Bruse: Die Projektierer kaufen sich bei den Landbesitzern mit hohen Pacht-Summen ein. Das ist ein wesentlicher Grund.
Gerhard: Ich habe hier im Kreis Vorverträge gesehen, denen zufolge solche Investoren bis zu 50 000 Euro pro Jahr an Pacht versprechen für eine Fläche, auf der ein einziges Windrad entstehen kann.
Kann man da noch ablehnen?
Gerhard: Das ist in 20 Jahren eine Million Euro. Da stellt sich die Frage: Warum kaufen die Investoren die Flächen nicht? Ganz einfach. Die späteren Rückbaukosten summieren sich auf rund 750 000 Euro für eine 3-Megawatt-Anlage. Meldet aber eine Investoren-Gesellschaft in der Zwischenzeit Insolvenz an, bleibt der Landbesitzer auf den Kosten sitzen. Alles schon passiert.
Nach dem Brandanschlag in Rahrbach haben Windkraftbefürworter um eine gemäßigte Wortwahl gebeten. Sie, Herr Gerhard haben gegenüber unserer Zeitung Anfang Januar gewarnt, der Widerstand könne in Aggression ausarten. Fühlen Sie sich da angesprochen?
Gerhard: Das ist damals aus dem Zusammenhang gerissen worden.
Wie kam es dann zu Ihrer Aussage?
Gerhard: Hintergrund war eine Radioveranstaltung in Paderborn, auf der ein Windbauer den Politikern schriftlich mit persönlicher Haftung gedroht hat, wenn sie die Genehmigung für einen Windpark verweigerten. Ich war auf dieser Veranstaltung und habe ein unglaubliches Aggressions-Potenzial der Bürgerinitiativen gespürt, welches auch von der Moderatorin im Schlusswort dargestellt wurde. Nur darauf hat sich meine Aussage bezogen.
Sie selbst lehnen also jegliche Gewalt gegen Windkraftprojekte ab?
Gerhard: Ich verabscheue solche Übergriffe wie in Rahrbach ganz deutlich. Aber es ist schon ein Zeichen für mich, wenn Menschen derart wütend sind, dass sie sich zu so etwas hinreißen lassen.
Bruse: Wir distanzieren uns ausdrücklich davon. Es ist aber auch nicht korrekt, diesen Anschlag automatisch mit Windkraftgegnern in Verbindung zu bringen. Das kann auch andere Gründe gehabt haben.