Brachthausen. . Ein Unternehmerquartett baut ein barrierefreies Fünf-Familien-Haus in Brachthausen. Der Gedanke: Auch Senioren wollen ihren Ort nicht verlassen
Sind unsere Dörfer noch zu retten? Nein, sagen die Fachleute: Kleine Orte ohne Versorgungsinfrastruktur werden langfristig veröden. Stimmt nicht, das Dorf hat Zukunft, sagen dagegen vier Unternehmer aus der Gemeinde Kirchhundem und bauen in Brachthausen ein Mehrfamilienhaus mit fünf barrierefreien Mietwohnungen für ältere Menschen.
Eigenleistung senkt Investitionssumme
Die Investitionssumme für das Mehrfamilienprojekt in Brachthausen beträgt rund 600 000 Euro, inklusive des Grunderwerbs für das Baugrundstück.
Durch massive Eigenleistungen der vier Bauherren konnte die Summe um rund 185 000 Euro gesenkt werden.
Markus Hille und Philipp Wagener kommen aus dem Maurerhandwerk, Michael Meeser ist selbstständiger Tiefbauunternehmer, Tobias Hermes gelernter Schreiner.
Alle übrigen Handwerkerleistungen wurden an heimische Unternehmen vergeben.
Ausgerechnet in Brachthausen am Rande zum Siegerland. Da, wo sich Fuchs und Hase am „Hasenbahnhof“, so heißt die letzte Dorfkneipe, gute Nacht sagen. „Gerade in Brachthausen“, sagen dagegen die Bauherren. Vor einigen Wochen wehte über dem Rohbau am Schartenbergweg bereits der Richtkranz, Anfang Juni soll alles fertig sein.
Wirtschaftlichkeit wichtig
„Interessenten haben wir jede Menge“, ist Tobias Hermes, einer der vier Investoren, selbstständiger Architekt und Planer des Objekts, selbst ein wenig überrascht. Der 38-Jährige ist gebürtiger Brachthauser und wohnt in dem Ort, ebenso wie seine Mitstreiter Philipp Wagener und Markus Hille. Auch der Vierte im Bunde, Michael Meeser aus Kirchhundem, hat enge verwandtschaftliche Beziehungen nach Brachthausen. Aber es ist nicht nur Lokalpatriotismus, der hinter diesem Projekt steht. Es geht auch um Wirtschaftlichkeit.
Wohnungen 60 Quadratmeter groß
„Der Grundgedanke war, dass sich durch den demografischen Wandel zwar die Altersstruktur im Ort ändert, aber die Leute hier gar nicht weg wollen, wenn sie hier eine Perspektive haben“, ist Tobias Hermes überzeugt und führt aus: „Viele Orte verlieren Einwohner, weil es keine adäquaten Wohnalternativen gibt.“ Und Philipp Wagener sagt: „Deshalb waren wir von Anfang an überzeugt, dass das Konzept stimmt und wir für kleinere, barrierefreie und attraktive Wohnungen auch Mieter finden werden.“
Alle Wohnungen mit Balkon oder Terrasse sind etwa 60 Quadratmeter groß, barrierefrei und behindertengerecht, können über einen zentralen Aufzug von der Garage im Kellergeschoss erreicht werden. Dass die Resonanz auf das Vorhaben so groß sein würde, damit hatten die vier Bauherren selber nicht gerechnet.
Wohnungsbau attraktiv wie nie
Ursprünglich hatten sie an Senioren gedacht, denen ihre Wohnung oder ihr Haus zu groß und die Pflege und Unterhaltung zu beschwerlich geworden ist. Aber die Interessenten kommen nicht nur aus der Generation 60 plus, auch viele Jüngere klopfen an. Hermes: „Da sind junge Paare bei, die ihre erste Wohnung beziehen, aber noch nicht bauen wollen, oder Brachthauser, die nach der Ausbildung zurück ins Dorf kommen.“ Denn freie Wohnungen gibt es sogar in Brachthausen nicht mehr.
Noch nie waren die Zeiten für den Mietwohnungsbau im Kreis so gut wie jetzt. Niedrige Zinsen, hohe Nachfrage, sichere Einkünfte. Mehrfamilienhäuser wachsen wie Pilze aus der Erde, aber meist nur in den größeren Orten. Dort winken die größten Renditen, aber mittlerweile haben die Kaltmietpreise dort eine Größenordnung erreicht, die sich nur noch wenige leisten können.
Lob von Kirchhundems Bürgermeister Andreas Reinéry
Das ist eine Entwicklung, die Investitionen auf dem Dorf noch interessanter macht. Und glaubt man den Investoren, dann ist Brachthausen kein Einzelfall. „Wir haben mittlerweile Anfragen aus anderen Orten, ob wir dort nicht auch so etwas bauen wollen“, erklärt Hermes. Bauflächen gäbe es in den Orten genug.
Aber: „Viele interessante Grundstücke mitten in den Orten sind leider nicht verfügbar, weil die Bauern keinen Quadratmeter ihrer Wiese oder Weide abgeben wollen oder weil Abrundungssatzungen dort Neubauten unmöglich machen“, weist Philipp Wagener, der als freiberuflicher Bauleiter arbeitet, auf das Dilemma hin.
Das weiß auch Kirchhundems Bürgermeister Andreas Reinéry, der das dreigeschossige Projekt in Kirchhundem lobt: „So eine Initiative zur Verdichtung der Bebauung, die dann noch dem demografischen Faktor Rechnung trägt, findet unsere volle Unterstützung.“