Attendorn. . Erste Weihnachtsfeier für Menschen ohne eigene vier Wände in Attendorn. Johanniter von Spendenbereitschaft in der Hansestadt überwältigt.

Die lange Tafel, an der rund 20 gut gelaunte Personen sitzen und kräftig beim vorgezogenen Weihnachtsessen zugreifen, ist festlich gedeckt, im Hintergrund steht ein geschmückter Weihnachtsbaum mit Geschenkpaketen. Spielende Hunde tollen durch den Raum. Idylle pur, könnte man meinen.

Doch der erste Eindruck trügt. Einige von denen, die hier sitzen, essen, trinken und sich - auch mit mir - unterhalten, begegnen uns tagtäglich im Attendorner Straßenbild, sitzen auf den Ruhebänken auf den Wällen oder nahe der Supermärkte, trinken Bier, machen manchmal auch Lärm. Manche Passanten ärgern sich, die meisten schauen weg.

Eine Herzenssache

Es sind Wohnungs-, aber keine Obdachlosen, nicht nur aus Attendorn, die sich erstmals zu einer Weihnachtsfeier im Begegnungs- und Sozialzentrum „Lebensfroh.Kirche im Laden“ der evangelischen Kirchengemeinde der Hansestadt eingefunden haben. Hier findet auf Initiative der Attendorner Streetworkerin Carmen Decker bereits seit knapp einem Jahr einmal im Monat der sogenannte Bigge-Treff für die Bewohner der Attendorner Notunterkünfte der statt.

Einige, die heute gekommen sind, haben bei der Zubereitung der Speisen geholfen, alle lassen es sich schmecken. Später gibt es für jeden noch ein Geschenk. Für die meisten das Einzige, was sie vom Weihnachtsfest haben.

Stadt hat Probleme der Wohnungslosen erkannt

Veranstalter des Nachmittags waren Marion Teichmann-Stolf und Angelika Gerhard vom Ambulanten Betreuten Wohnen der Johanniter, die in ganz Südwestfalen im Rahmen des Projekts Herzenssache die „Aktion Weihnachten“ initiiert haben, sowie Streetworkerin Carmen Decker, die sich auch um die Belange der Wohnungslosen in Attendorn kümmert.

Mit am Tisch saßen aber auch Britta Weiße, als Sozialarbeiterin beim Kreis Olpe für die Betreuung Wohnungsloser im ganzen Kreis Olpe zuständig, sowie der Attendorner Bürgermeister Christian Pospischil und sein zuständiger Dezernatsleiter Christoph Hesse. Die Stadt hat die vielfältigen Probleme der Wohnungslosen in der Hansestadt erkannt. Sie will ihnen zukünftig mehr helfen und sich nicht mehr mit der reinen Unterbringung in Notunterkünften begnügen und oder ihnen gar dort, wo es Beschwerden von Anwohnern gibt, „die Sitzbänke unter dem Hintern wegbauen“. Ein Arbeitskreis zu dieser Thematik wurde wiederbelebt.

Attendorn will mehr tun

Die Stadt Attendorn hat laut Bürgermeister Pospischil erkannt, dass „diese Leute viel mehr Unterstützung und bessere Strukturen benötigen“, um ihnen nachhaltig helfen zu können, eventuell sogar wieder eine eigene Wohnung zu finden. Doch die individuellen Probleme seien vielfältig „und ein Scheitern nicht ausgeschlossen“, weiß der Bürgermeister.

Bisher gescheitert ist das Vorhaben, einen von den Wohnungslosen gewünschten Unterstand als Treffpunkt möglichst stadtnah zu errichten. Die wissen selbst um die Problematik ihres Aufenthalts etwa auf den Wällen. Einer räumt ein: „Wir sind da in der Nähe der Schulen sicherlich kein Vorbild. Mich kennen sehr viele Attendorner, daher würde ich mich gerne woanders aufhalten“.

Keine preisgünstigen Wohnungen verfügbar

Noch schwieriger gestaltet sich die Suche nach einer eigenen Wohnung, bei der Marion Teichmann-Stolf und Angelika Gerhard vom Ambulanten Betreuten Wohnen der Johanniter Hilfe leisten können. Mario etwa wohnt seit einem Jahr in der städtischen Notunterkunft im ehemaligen Klärwärterhaus an der Finnentroper Straße/Mühlwiese. Obwohl er die „gewisse Freiheit“, die er dort hat, schätzt und stolz darauf ist, sein Zimmer selbst renoviert zu haben, möchte er ebenso von dort weg wie Peter, der seit März dort wohnt.

Doch das ist nicht einfach, weiß Marion Teichmann-Stolf. So ist der Markt an preisgünstigen Wohnungen in Attendorn „leer gefegt“. Angesichts dessen ist die Zeit, in der Kostenträger wie der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) die Wohnungssuche finanziell unterstützen, mit zwei bis maximal drei Monaten viel zu kurz. Hinzu kommt, dass der finanzielle Hintergrund vieler Wohnungsloser mit Schulden und negativer Schufa-Auskunft die Sache ebenfalls nicht einfacher macht, wie Britta Weiße vom Kreis Olpe ausführt.

Welle der Hilfsbereitschaft

Diese vielen Probleme, die im kommenden Jahr verstärkt angegangen werden sollen, rückten bei dem Weihnachtsessen mit Bescherung in den Hintergrund, das von der Stadt Attendorn, Geschäfts- und auch vielen Privatleuten sowie der evangelischen Kirchengemeinde, die die Räumlichkeiten zur Verfügung stellte, unterstützt wurde.

Marion Teichmann-Stolf von den Johannitern war „überwältigt“ von der Welle der Hilfsbereitschaft, die ein Aufruf durch die Presse in Attendorn auslöste: „Die Leute waren wirklich sehr großzügig, so dass wir diese Aktion in einem ansprechenden Rahmen durchführen konnten“.