Attendorn. . Auf der Bigge kann man jetzt auch den Motorbootführerschein machen.

Die gefühlte Temperatur ist weit unter null an diesem Samstag. Aus einer grauen Wolkenschicht fällt Graupel. Die Stege im Yacht-Club Lister (YCL) sind leer und verwaist, die Jachten und Jollen liegen in Garagen, Hallen und Scheunen. Der Biggesee hält Winterruhe! Nur ein einziges Boot dreht seine einsamen Runden auf dem Wasser. Am Steuer sitzt Uli Wittrin aus Elspe. „In so einer Situation ist man doch etwas nervös“, versucht der 52-Jährige locker zu bleiben und wirft dabei einen Blick auf seinen Nebenmann Dirk Sessinghaus vom Prüfungsausschuss für amtliche Sportbootführerscheine Bochum.

Er ist an die Talsperre gekommen, um den Sportbootführerschein See (SBF See) abzunehmen, der zum Führen von Sportbooten mit mehr als 15 PS auf See oder an der Küste berechtigt. Und genau das will Uli. „Ich bin ein begeisterter Kroatienurlauber. In den Ferien ein Boot chartern zu können, ist doch eine tolle Sache.“

Knoten kein Problem

Vor einigen Jahren schon ist er zum Wassersport gekommen, hat eine Varianta im Yacht- und Ruderclub Attendorn liegen. Früher ging Uli jagen, als junger Mann klettern. Daher sind die Knoten, die der Prüfer sehen will, kein Problem für ihn. Auch das Fahren nach Kompass gelingt passabel. Etwas schwieriger wird es bei den Manövern. „Im Ernstfall muss alles sitzen“, sagt Dirk und meldet: „Mensch über Bord an Backbord.“ Das Zeichen für den Prüfling, sofort auszukuppeln, das Ruder hart Steuerbord zu legen, alle Kommandos deutlich anzusagen und die Maßnahmen zu ergreifen, um den Mensch - in diesem Fall eine Boje - aufzunehmen.

„Früher gab es nur vier Prüfungsausschüsse über ganz Deutschland verteilt, die diesen Schein abnehmen konnten. Diese Prüfungshoheit ist gefallen, so dass unsere Kursteilnehmer nicht mehr nach Düsseldorf fahren müssen“, erklärt YCL-Ausbilder Klaus Schulte. Er ist Organisator, Ansprechpartner für alle Fragen und unterrichtet die Theorie. In diesem Kurs insgesamt 33 Frauen und Männer im Alter von 16 bis über 60 Jahren. Mit einem kräftigen „Guten Morgen - alles klar!“ begrüßt Klaus sie am Prüfungstag im Clubhaus. „Ob der gut ist, wird sich noch zeigen“, halten selbstkritische Stimmen dagegen.

Seit Anfang Oktober hat man sich jeden Montagabend getroffen und mit jeder Menge Lernstoff rumgeschlagen. Ein Boot zu fahren ist eben viel mehr, als nur den Motor anzuschmeißen. Das Pensum ist enorm: Schifffahrtsrecht und Gesetzeskunde, Meteorologie, Seemannschaft und Schiffsführung. 285 Fragen müssen sitzen. Schlussendlich ist eine Stunde Zeit, um trockene Aufgaben zu lösen und sich mit Zirkel, Kursdreieck und Seekarte in der Kunst der Navigation zu beweisen. Die praktische Ausbildung ist Sache von DLRG-Mann Ralf Schmidt. Er ist sozusagen auf dem Wasser groß geworden, hat mit 14 Jahren die Wasserrettungsorganisation für sich entdeckt. „Man muss vertraut werden mit dem Boot und wissen, wie es sich verhält.“

31 haben es geschafft

Als Klaus Schulte und Ralf Schmidt am Abend ihre Sachen zusammenpacken, haben sie ein gutes Stück Arbeit hinter sich. Das Wetter war den ganzen Tag über der Jahreszeit entsprechend moderat. Kaum Wind, eine ruhige See. Und gegen die lausige Kälte auf dem Wasser half eine heiße Klößchensuppe aus der Clubküche. Von den 33 Kursteilnehmern haben es 31 geschafft. „Ein toller Schnitt. Normalerweise rechnen wir mit einer Durchfallquote von 20 Prozent“, freut sich Klaus. Einige der frisch gebackenen Freizeitkapitäne werden im kommenden Frühjahr weitermachen, um mit dem Sportbootführerschein Binnen das Segeln von der Pike auf zu lernen, oder um mit dem Sportküstenschifferschein an Küsten segeln zu dürfen. Für Uli Wittrin ist indes Schluss. Er freut sich auf seinen nächsten Kroatienurlaub.