Kreis Olpe. . Nezahat Baradari, SPD-Bundestagskandidatin, fordert mehr Unterstützung für Kommunen. Wichtigstes Ziel ist der Einsatz gegen den Ärztemangel.

  • Baradari: Solange die Schere zwischen Arm und Reich zunimmt, wird die Unruhe und Angst zunehmen
  • Sie spricht sich außerdem für mehr Kindergarten- und Ganztagsplätze, bezahlbaren Wohnraum und funktionierenden ÖPNV aus
  • Baradari begrüßt das Urteil des Europäischen Gerichtshofs, welches zu einer verbindlichen Aufnahmequote von Flüchtlingen führt

Nezahat Baradari wurde 1965 in Ankara geboren und lebt in Attendorn. Sie ist verheiratet, hat zwei Töchter und ist Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin und Ärztin für Ernährungsmedizin. Sie bewirbt sich für die SPD um ein Bundestagsmandat.

Was sind für Sie die beiden wichtigsten Ziele in der nächsten Legislaturperiode?
Nezahat Baradari: Mein wichtigstes Ziel ist, gegen den Mangel ärztlicher Versorgung im ländlichen Gebiet anzugehen sowie für eine gute pflegerische Versorgung der Menschen zu sorgen. Zu viele Regularien in der ärztlichen Niederlassung, die überbordende Bürokratie, ein sehr strenger numerus clausus und geringe Anreize in der ländlichen Infrastruktur haben zu diesem Ergebnis geführt. Die Attraktivität der Pflegeberufe muss gesteigert werden, in dem sie eine höhere Anerkennung bekommt und gute arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen. Im seit zwölf Jahren von CDU bzw. FDP geführten Bundesministerium für Gesundheit hat man die Zeichen der Demographie nicht erkannt. Ein weiteres wichtiges Ziel ist für mich der soziale Zusammenhalt und die innere Sicherheit. Solange die Schere zwischen Arm und Reich zunimmt und die Menschen sich in prekären Beschäftigungsverhältnissen befinden, wird die Unruhe und Angst zunehmen - ein gefährlicher Nährboden für sozialen Unfrieden; ein Rechtsruck in Deutschland ist zu befürchten. Immer mehr Rentner beziehen Transferleistungen und schätzungsweise leben 15 % der Menschen in Armut. Immer mehr junge Menschen haben keinen Berufsschulabschluss, viele Langzeitarbeitlose bleiben einer regulären Beschäftigung fern. Hier braucht es einen nationalen Kraftakt, um Bildung, Arbeit und soziale Gerechtigkeit neu zu definieren.

Berlin ist weit weg. Was wollen Sie dort für den Wahlkreis bewegen?
Wir haben jetzt schon mehrere Notstandsgebiete in der medizinischen Versorgung im ländlichen Bereich und einen massiven Mangel an Pflegefachkräften. Da möchte ich gegensteuern! Als Ärztin weiß ich meine langjährige Erfahrung gewinnbringend einzubringen. Gute Arbeit muss angemessen honoriert, sachgrundlose Befristungen abgeschafft werden. Das Vorhalten von Kindergarten- und Ganztagsplätzen, bezahlbarem Wohnraum und eines funktionierenden ÖPNV muss durchgesetzt werden. Unsere Kommunen brauchen eine ausreichende Finanzierung ihrer Vorhaben zur Zukunftssicherung. Hier muss der Bund noch mehr in die Verantwortung genommen werden. Das ist ein Kraftakt, dem ich mich stelle.

Wird der Streit um die Flüchtlinge auch nach den Wahlen weitergehen bzw. wieder Fahrt aufnehmen?
Solange Krieg, Verfolgung und wirtschaftliche Not nicht gelöst sind, werden Menschen in reiche Länder wie Deutschland fliehen. Diesem Problem können wir uns nicht verschließen und wir müssen hier zwingend einen europäischen und internationalen Konsens finden. Ich begrüße das Urteil des Europäischen Gerichtshofs, welches nun zu einer verbindlichen Aufnahmequote führte. Die Slowakei und Ungarn müssen nun mehr Flüchtlinge aufnehmen. Dies kann allerdings nur ein Anfang sein.

Welche Koalition wäre Ihnen am liebsten, welche können Sie sich gar nicht vorstellen?
Die Wählerinnen und Wähler bestimmen, welche Partei/en einen Auftrag bekommen werden. Selbstverständlich schließe ich eine Koalition mit der AfD aus. Eine Verlängerung der großen Koalition halte ich für die Profilierung der SPD für fatal. Bisherige Erfolge der SPD-geführten Ministerien werden als gemeinsame Erfolge bezeichnet, Misserfolge der CDU-geführten Ministerien nicht beim Namen genannt. Wir entscheiden nach dem 24. September!

Muss es ein konkretes Datum für das Ende der Verbrennungsmotoren geben?
Auf der einen Seite müssen wir ein klares Bekenntnis zum Umweltschutz haben, auf der anderen Seite realistisch genug sein, dass ein konkretes Datum uns nicht weiterbringt. Hier braucht es einen aufrichtigen politischen Willen und die Bereitschaft der Automobilindustrie, etwas zu verändern. Investitionen müssen getätigt und die Forschung vorangetrieben werden. Dazu wird die SPD 3,5 % des Bruttosozialproduktes für Forschung bereitstellen. Autoabgase und Feinstaub sind gesundheitsschädlich und lösen Allergien und Asthma insbesondere bei Kindern aus. Wir haben keine zweite Erde. Wer hätte gedacht, dass Elektrofahrräder so sehr Einzug in unser Leben halten würden? Derzeit ist die Reichweite der Elektrofahrzeuge nicht groß, aber es sollte uns nicht hindern, die Elektromobilität im innerstädtischen Bereich einzusetzen, z.B. im öffentlichen Personennahverkehr oder bei Postfahrzeugen.


Was schätzen Sie: Wie viel Prozent der Wählerstimmen erhält Ihre Partei am 24. September?
Ich halte nichts davon, im Vorfeld ein Statement abzugeben. Wahlprognosen selbst beeinflussen das Wahlverhalten der Bürgerinnen und Bürgern. Ich kann hier nur an alle Wählerinnen und Wähler appellieren, zur Wahl zu gehen. Jeder Nichtwähler gibt insbesondere den rechtsextremistischen Parteien einen höheren prozentualen Anteil am Wahlergebnis. Daher meine Bitte: Gehen Sie wählen! Wir als SPD werden bis 24. September um 18 Uhr um Ihr Vertrauen werben. Ich bitte Sie um Ihr Vertrauen und um beide Stimmen, für mich und die SPD.