Kreis Olpe. . Lisa Kaufmann ist so etwas wie ein mittelalterlicher Stadtschreiber. Sie macht sich ein Bild von Südwestfalen und spricht dazu auf Burg Bilstein.

  • Lisa Kaufmann spricht auf Burg Bilstein über ihre Aufgabe als Regionsschreiberin
  • Wenn sie morgens aus dem Haus geht, hat sie keinen Masterplan dabei
  • Nach den ersten Erkundungen in Südwestfalen denkt sie auch anders über ihre Heimat

Lisa Kaufmann ist ein Kind der Großstadt. Die 27-Jährige wurde in Leipzig geboren, wuchs in Essen auf und geht in Dortmund zur Uni. Ländlich geprägte Regionen, wie etwa den Kreis Olpe, kennt die junge Frau nicht – oder besser gesagt kaum! Doch das ändert sich gerade: Seit Anfang Juli ist die Stipendiatin des Landes NRW in Südwestfalen als Regionsschreiberin unterwegs. Am Sonntag kommt sie zur 200-Jahr-Ffeier auf Burg Bilstein, um über ihre Arbeit und Erfahrungen zu berichten.

Was ist eine Regionsschreiberin?

Lisa Kaufmann: Ich bin selber noch dabei, das herauszufinden (lacht). Ich denke, dass sich diese Aufgabe an den mittelalterlichen Stadtschreiber anlehnt. Die Idee ist, dass ich in der Region unterwegs bin und dabei versuche, mit Menschen, Landschaft und Kultur in Kontakt zu kommen. Wir Regionsschreiber können den Menschen einen neuen Blickwinkel auf das geben, was für sie normal und gewöhnlich ist. Wie wir das machen, ist uns selbst überlassen. Es gibt keine genaue Jobbeschreibung. Ich schreibe morgens und abends, dazwischen gehe ich raus und lasse mich von meinen Interessen leiten. Ich habe keinen Masterplan und würde lügen, wenn ich behaupte, morgens mit einer klaren Aufgabe aus dem Haus zu gehen.

Sie sind eine von zehn Regionsschreibern, die in NRW unterwegs sind. War ihr ursprünglicher Plan, Südwestfalen kennenzulernen?

Ich muss zu gestehen, dass ich Südwestfalen gar nicht so auf dem Schirm hatte. Ich konnte bei meiner Bewerbung zwei Regionen angeben, Südwestfalen war ehrlicherweise nicht dabei. Doch mittlerweile habe ich kein schlechtes Gewissen mehr, weil ich glaube, dass es den Menschen hier genauso geht wie mir vorher. Sie können mit dem Begriff Südwestfalen selber nicht so viel anfangen und fühlen sich eher als Sauerländer. Grundsätzlich finde ich diese Aufgabe spannend. Ich war vorher noch nie in Siegen, Iserlohn oder Olpe. Es ist für mich die einmalige Chance, einen ganz neuen Teil meines Bundeslandes zu erschließen. Spannend finde ich dabei auch, nicht nur etwas Neues zu sehen, sondern auch über seine eigene Heimat zu reflektieren. Wenn ich nach Essen zurückkomme, dann sehe ich das Ruhrgebiet ganz anders. Ich denke, in der Fremde wird dir bewusster, was Heimat bedeutet.

Was macht Südwestfalen aus?

Ich laufe nur drei Minuten und bin im Wald. In Essen wäre das ein Ausflug, der groß geplant werden müsste (grinst). Ich habe noch nie irgendwo gewohnt, wo es so klein und grün drumherum ist. Das hat etwas mit Lebensqualität zu tun. Und ich habe das Gefühl, dass Kultur hier nicht nur zum Selbstzweck betrieben wird. Das kulturelle Leben wird geprägt von einer Vielzahl Freiwilliger. Ich finde es schön, dass es so viele Kulturschaffende gibt. Ein bisschen nach dem Motto: Wer auf dem Land lebt, der muss sich eben selber kümmern.

Saugen Sie die Natur auf?

Ja. Bisher war ich eigentlich gar kein Outdoor-Typ. Ich genieße das, und merke, wie wenig Kontakt ich bis dato mit der Natur hatte. Da unterschätzt man, wie anstrengend wandern sein kann (lacht). Ursprünglich hatte ich sogar den Plan, Südwestfalen zu erlaufen – allerdings war mir nicht bewusst, wie weitläufig diese Region ist.

Sie behaupten, dass sie sich „interessengeleitet“ in Südwestfalen umschauen. Welche Interessen sind das denn?

Mein Hauptinteresse ist die Religion, in allen Facetten. Wenn ich einen kleinen Ort zum ersten Mal sehe, dann gucke ich mir erst einmal die Kirche an. Mich faszinieren aber auch Kunst und Architektur. Das sind die Grundimpulse, nach denen ich raus gehe und meine Erfahrungen aufschreibe.

Wie würden Sie die Menschen in Südwestfalen beschreiben?

Ich stelle fest, dass es durchmischt ist. Es gibt Ecken wie in Altena, wo ich derzeit wohne, die mir gar nicht so fremd sind. Die Menschen sind den ‘Ruhrgebietlern’ sehr ähnlich, sie sind offen, beherzt, handfest. Und dann gibt es andere Ecken, da sind die Menschen Eigenbrötler, aber trotzdem höflich. Und sie leben Werte, wie etwa sonntags in die Kirche gehen. Das sieht man im Straßenbild, in den Vorgärten stehen Kreuze – in Essen wäre das undenkbar.

Was kennen Sie denn schon im Kreis Olpe?

Ganz ehrlich: Gar nichts.

Bemerkenswert ist, dass Sie keinen Führerschein haben. Wie kommen sie dann vom Fleck?

Ich fahre mit Bus und Bahn, mir bleibt ja nichts anderes übrig.

Und wie kommen Sie am Sonntag nach Bilstein?

Ich habe Glück, dass mich meine beste Freundin am Sonntag besuchen kommt und Auto fahren kann. Sie begleitet mich.

Info: Das Kulturministerium und die Kulturregionen des Landes NRW haben zehn Regionsschreiber ausgewählt, die von Juli bis Oktober unterwegs sind, um über ihre Eindrücke zu Alltag und kultureller Vielfalt im Land zu schreiben. Die Stipendien sind anlässlich des Jubiläums „20 Jahre Regionale Kulturpolitik“ (RKP) ausgelobt worden. (Quelle: Land NRW). Die Region sind Aachen, Bergisches Land, Hellweg, Münsterland, Niederrhein, Ostwestfalen-Lippe, Rheinschiene, Ruhrgebiet, Sauerland und Südwestfalen. Über ihre Eindrücke berichten die Stipendiaten auf dem Blog stadt.land.text NRW 2017. Sie erhalten eine Förderung von 1000 Euro monatlich.