Hünsborn. . Hausarzt Stefan Spieren aus Hünsborn bricht Lanze für die VideosprechstundeAnders ist die Versorgung auf dem Land bald nicht mehr möglich
- Wendener Senioren haben keine Angst vor „Dr. Google“
- Sprechstunde am Computer kann das Ärzteproblem auf dem Land lindern
- Kontakt über den PC soll den Besuch in der Praxis nicht ersetzen
Die ärztliche Versorgung auf dem Land wackelt. Im Kreis Olpe gehen immer mehr Ärzte in den Ruhestand. „Damit die Versorgung gut bleibt, muss man neue Wege gehen.
Die Telemedizin soll nicht die Behandlung beim Arzt ersetzen. Es geht darum, Kontrollen zu vereinfachen und älteren Leuten den Weg in die Praxis zu ersparen“, sagte Stefan Spieren, mit eigener Praxis in Hünsborn im Gespräch mit dieser Zeitung. Den Vorwurf, dass es dann bald nur noch Doktor Google gibt, weist der 39-Jährige zurück: „Ich will meine Patienten auch weiterhin sehen.
Bei der Behandlung einer Wunde muss ich diese sehen, aber bei der Kontrolle, ob sie gut verheilt ist, muss ich sie nicht sehen. Das geht per Webcam.“ Und: „Auch postoperative Kontrollen, Grundkontrollen von Hauterkrankungen oder Bewegungskontrollen kann ich wunderbar damit machen.“
Diagnose übers Internet
Die Videosprechstunde, die Diagnose übers Internet, ist für Spieren ein unabdingbarer Weg, um dem Ärzte-Dilemma auf dem Land entgegen zu treten: „Wir brauchen in Zukunft die Telemedizin, um die Menschen auf dem Land zu betreuen. Der ÖPNV wird immer weniger, man kann älteren Patienten den mühseligen Weg in die Praxis ersparen.“
Seit 1. April praktiziert der Hünsborner die Videosprechstunde als Pilotprojekt mit dem Haus Elisabeth in Rothemühle. „Es geht darum, die Leute zu sensibilisieren“, so Spieren. Dabei hat er die Erfahrung gemacht, dass gerade Menschen über 65 der Diagnose übers Internet sehr offen und positiv gegenüberstehen: „Viele Kollegen verstecken sich dahinter, dass die alten Leute das nicht wollen. Das ist Humbug. Ein Beispiel: Der 77-jährige Patient Werner Drüke im Haus Elisabeth hat gesagt: Das ist einfach unproblematisch. Er findet das gut.“ Die Hünsborner Praxis mit Vater Werner Spieren und seiner Frau Julia betreue das Seniorenheim in Rothemühle sowieso, so Stefan Spieren: „Es gibt engen Kontakt. Ein Dank geht an die Katholische Hospitalgesellschaft, die das Equipment zur Verfügung gestellt hat. Das funktioniert.“
Etwa 15 bis 20 solcher Videosprechstunden hat Spieren bislang im Haus Elisabeth gemacht. Die Sprechstunde findet in einem Raum im Seniorenheim statt. Wenn der Patient es möchte, ist auch ein Pfleger bzw. eine Pflegerin dabei. Es wird sichergestellt, dass die Sprechstunde übers Internet genauso vertraulich und störungsfrei abläuft wie eine Sprechstunde mit persönlichem Arzt-Patienten-Kontakt. „Das mache ich nicht irgendwo am Strand. Die Türen sind zu, es herrscht Privatsphäre. Das findet genauso statt, als wenn man beim Arzt sitzt“, unterstrich Stefan Spieren. Weitere Vorgaben: Videosprechstunden dürfen nicht aufgezeichnet werden. Es muss gewährleistet sein, dass die Sprechstunde verschlüsselt ist.
Win-Win-Situation
Die Sprechstunde über Webcam sieht der Hünsborner Arzt als „ein Superinstrument. Unser Auftrag ist die Patientenversorgung. Und wenn man das vereinfachen kann, ist das eine Win-Win-Situation.“ Ein Pluspunkt für den Kreis Olpe sei das „Superinternet“. In Dörfern, wo es keine Ärzte mehr gebe, könne irgendeine Räumlichkeit, wie etwa ein Pfarrheim, für die Videosprechstunde genutzt werden: „Das ist noch Zukunftsmusik, aber die Zukunft ist nah, weil die Ärzte nicht nachkommen.“ Gleiches gelte für eine qualifizierte nicht-ärztliche Mitarbeiterin, die mit einer Datenbrille zum Patienten fahre: „Wenn Fragen sind, sehe ich das über die Datenbrille. Dafür brauche ich nicht in der Praxis zu sein.“
Das System sei für alle Ärzte zugänglich, so Spieren. Er habe Verständnis, wenn ältere Kollegen nicht mehr in die Telemedizin investieren, so der 39-Jährige: „Es ist aber die Pflicht der jungen Ärzte, dass man den Patienten neue Versorgungsmöglichkeiten anbietet.“ Sobald die offizielle Zertifizierung des Anbieters durch die Kassenärztliche Vereinigung vorliegt, können Ärzte die Videosprechstunde abrechnen. Das soll in Kürze der Fall sein, so Spieren. Dann soll die Videosprechstunde weiter ausgebaut werden.
Skype darf der Arzt offiziell nicht benutzen, da dies nicht verschlüsselt ist und aufgenommen werden kann. Es sei denn, die Patienten sind damit einverstanden. „Bei mir melden sich Patienten aus dem Urlaub über Skype oder WhatsApp. Für sie geht der Servicegedanke weiter als der Datenschutz. Sie zeigen mir dann zum Beispiel einen Mückenstich oder einen roten Fuß nach dem Baden im Meer“, sagte Stefan Spieren, der auch in solchen Fällen hilft.