Lennestadt. . Dr. Gregor Kaiser hat erst seit einem Jahr das grüne Parteibuch in der Tasche und ist nun schon Landtagskandidat von Bündnis90/Die Grünen für den Kreis Olpe.
- 41-jähriger Land- und Forstwirt aus Oberelspe kandidiert für den Landtag in Düsseldorf
- Erst seit einem Jahr Parteimitglied der Grünen, aber seit 20 Jahren politisch aktiv
- Kandidatur ist auch ein Zeichen gegen den um sich greifenden Rechtspopulismus
Er hat erst seit einem Jahr das grüne Parteibuch in der Tasche und ist nun schon Landtagskandidat von Bündnis90/Die Grünen für den Kreis Olpe. Als politischen Newcomer sieht sich Dr. Gregor Kaiser, Land- und Forstwirt und promovierter Sozialwissenschaftler dennoch nicht.
Warum kandidieren Sie für den Landtag, was ist Ihre Motivation?
Gregor Kaiser: Ich mache schon seit zwanzig Jahren Politik außerhalb von Parteien, zum Beispiel vor Ort bei der AG Es TUT sich WAS oder bundesweit in ökologisch-bäuerlichen Initiativen. Ich bin letztes Jahr Grüner geworden, um dem um sich greifenden Rechtspopulismus etwas entgegen zu setzen, um Farbe zu bekennen für Europa und die Demokratie. Ein Grund ist auch, im Kreis Olpe ein neues grünes Gesicht zu präsentieren. SPD und CDU haben auch neue Gesichter, Ich denke, dass wir Grüne, dass ich da schon Chancen habe.
Warum sollen die Menschen im Kreis Dr. Gregor Kaiser wählen?
Weil ich glaube, dass wir Grünen den Unterschied machen zu den anderen etablierten Parteien. Weil wir alle Themen im Blick haben und erkannt haben, dass sich die Gesellschaft weiterentwickeln muss. Sozial-ökologisch transformieren sozusagen. Wir müssen Ressourcen sparen, den Energiekonsum ändern, Land- und Forstwirtschaft auf dem Lande erhalten, gleichzeitig Wasser schützen und Natur bewahren. Und dem Populismus und der Europafeindlichkeit der Rechten entschieden etwas entgegen setzen. All das geht nur mit starken Grünen.
Die Grünen sind im Umfragetief, im Moment bei 6 Prozent, im Oktober waren es immerhin noch 12 Prozent und sogar AFD und FDP sind vorbei gezogen und liegen jetzt bei 9 Prozent. Was ist der Grund dafür?
Ich glaube, es gibt mehrere Gründe. Für die FDP ist das die Person Christian Lindner, der zwar Spitzenkandidat ist, aber gar nicht selber in den Landtag will. Er will in den Bundestag. Dass so viele Leute der FDP hinterherlaufen, kann ich mir nur mit der Schwäche von Armin Laschet erklären. Die Leute sagen, dann wähle ich lieber FDP als CDU.
Ein weiterer Grund ist die Lage in der SPD. Der Schulz-Hype führt leider auch dazu, dass die Grünen Stimmen verlieren. Die Grünen im Land sind hauptverantwortlich für die Schulpolitik und da gibt es zurzeit viel Gegenwind. Die AFD ist, denke ich, auf dem sinkenden Ast und ich hoffe, der Trend setzt sich fort. Außerdem fehlt uns das Knallerthema, das motiviert, grün zu wählen. Wir sind bei allen Themen gut aufgestellt aber es fehlt das „grüne“ Thema, das die Diskussionen bestimmt.
Das heißt, „grüne“ Themen wie Umwelt- oder Energiepolitik spielen im Moment eine unterordnete Rolle?
Ja, Hauptthemen sind Bildung, innere Sicherheit und Infrastruktur. Da haben wir gute Vorschläge, die aber noch nicht so zünden.
Die Grünen wollen laut Wahlprogramm besser ausgestattete Schulen, den Kita-Ausbau, die Energiewende, den Breitbandausbau und so weiter, ein riesiges und teures Paket. Wer soll das wie bezahlen oder ist an eine Finanzierung auf Pump gedacht?
Eine Kreditaufnahme ist im Grunde ja nichts Schlechtes, besonders, wenn bei geringen Zinsen in Infrastruktur, Schulgebäude oder Bildung investiert wird. Aber gleichzeitig müssen wir eine gerechte Steuerpolitik machen und mehr Gelder bei denen holen, die genug davon haben, um es für eine sozial gerechtere Gesellschaft einzusetzen.
Ihre Partei will in NRW die Umweltwirtschaft fördern, Arbeitsplätze, Produkte und Dienstleistungen sollen in diesem Bereich in NRW entstehen. Andererseits blockiert zum Beispiel eine Magerwiese bei Oedingen einen modernen, umweltfreundlichen Photovoltaikpark. Wie erklären Sie diesen Widerspruch?
Das ist kein Widerspruch. Deutschland hat den Artenschutz anerkannt und muss diesen umsetzen, auch in NRW, auch im Kreis und auch in Lennestadt. Es müssen Kompromisse gemacht werden, um regenerative Energieproduktion und Umweltschutz auf der einen und Naturschutz auf der anderen Seite gerecht zu werden. Der Photovoltaikpark könnte ja zum Beispiel fünf Prozent weniger Fläche haben.
Apropos Energiewende, die Grünen stehen für Windkraft und noch mehr Windräder auf den Sauerländer Bergkuppen. Wie sieht das Gregor Kaiser, auch als Sauerländer Forstwirt?
Ich bin für den Ausbau der Windenergie, denn wir wollen keine Atomenergie, müssen von der Kohle weg, brauchen aber den Strom. Für mich ist die Reduzierung des Energieverbrauchs das Wichtigste, dann kommen die regenerativen Energien. Deshalb müssen auch bei uns noch weitere Anlagen gebaut werden. Ob das auf 18 000 Hektar sein muss, glaube ich nicht, aber beispielsweise zwei zusätzliche Vorrangzonen in Lennestadt, eine in Kirchhundem oder zwei in Attendorn oder Olpe wären tragbar. Entscheidend ist doch, dass wir aus der Abhängigkeit der großen Energieversorger rauskommen.
Sie kommen aus der Land- und Forstwirtschaft im Kreis Olpe. Die landwirtschaftliche Fläche geht auch bei uns kontinuierlich immer weiter zurück. Was kann man dagegen tun?
Wenn wir die Landwirtschaft erhalten wollen, brauchen wir eine möglichst ökologische Ausrichtung. Ich sage nicht, es muss alles Bio sein. Die Kulturlandschaft zu erhalten, das funktioniert nur mit einer bäuerlichen, familiengeführten Land- und Forstwirtschaft, bei der regionale Wirtschaftskreisläufe wichtig sind. Metzger und Bäcker haben große Probleme, ihre Betriebe zu halten.
Wir dürfen nicht zulassen, dass Großschlachtereien und Großbäckereien ihre riesigen Fußtritte hinterlassen und kleinere Handwerksbetriebe wegfallen. Der Verbraucher rückt die Tierhaltungsfragen mittlerweile in den Mittelpunkt und da muss in den kommenden vier Jahren eine ganz Menge passieren.
Ich glaube, dass wir im Sauerland und die Betriebe im Kreis gute Chancen haben, weil sie nicht nur auf den Expansionskurs gesetzt haben wie münsterländische oder niederrheinische Betriebe. Gleichzeitig müssen wir den Flächenverbrauch für Baugebiete, Straßen etc. weiter reduzieren.
Thema Flüchtlinge: Wie muss eine Integrationspolitik aussehen, ohne dass die Orte überbelastet werden?
Ich glaube nicht, dass unsere Dörfer überbelastet sind. In den Städten, wo die soziale Schieflage größer ist, gibt es viel mehr Probleme. Unser Kreis könnte noch viel mehr Menschen aus anderen Kulturen integrieren, wenn die finanziellen Mittel stimmen und wenn vernünftige staatliche Strukturen da wären, die in den letzten 20 Jahren leider abgebaut wurden.
Welche meinen Sie?
Es gab früher mehr Personal in den Ämtern. Das institutionelle Wissen, wie man mit geflüchteten Menschen umgeht, ist heute nicht mehr da, weil der Staat, die Regierungen kein Interesse mehr dran hatten. Weil Deutschland gut damit gelebt hat, dass nach dem Abkommen von Dublin nur direkte Einwanderer hier bleiben durften und das sind in einem Binnenland nicht so viele.
Die Löcher in der Betreuung werden von den Ehrenamtlichen gestopft. Es müssen jetzt Strukturen geschaffen werden, die dauerhaft sind, die Flüchtlinge direkt mit den Menschen vor Ort zusammen bringen. Wichtig ist eine dezentrale Unterbringung wie bei uns in Lennestadt. Wenn der Mensch im Mittelpunkt steht, kann Integration funktionieren und wir können auch mehr dazu beitragen.
Was muss sich in der Politik grundlegend ändern?
Politik muss bürgernäher werden, aber ein Problem ist, dass sie so kompliziert geworden ist. Ich glaube, dass sich Berufspolitiker - vielleicht sogar unbewusst - nach wenigen Jahren davon abkoppeln, wo sie vorher gearbeitet haben und welche Probleme vor Ort herrschen. Für viele Politikerinnen und Politiker wird Politik nach einigen Jahren zum Hauptberuf ohne Rückkehroption ins frühere Leben beziehungsweise ins frühere Berufsleben. Ich hätte diese, ich würde wieder meinen Hof betreiben. Wenn man diese aber nicht hat, macht man Politik auch, um Geld zu verdienen, um davon zu leben. Ich finde, dadurch verliert man seine Unabhängigkeit.