Kreis Olpe. . Vor einem Jahr wurde in NRW der erste Integration Point eröffnet. Wir fragten Dr. Bettina Wolf (Arbeitsagentur) nach den Erfahrungen in Olpe und Siegen.
Vor einem Jahr wurde der ersten Integration-Point der Arbeits-Agentur in NRW in Düsseldorf eröffnet. Mit zumindest zahlenmäßig bescheidenem Erfolg. Erst rund 60 Flüchtlinge konnten seither in Jobs vermittelt werden. Wir fragten die Chefin der Arbeitsagentur Siegen/Olpe, Dr. Bettina Wolf, nach den Erfahrungen mit den Integration Points in der hiesigen Region.
Die landesweiten Zahlen der Integration-Points sind offenbar bescheiden. Wo hakt es?
Dr. Bettina Wolf: Die Integration geflüchteter Menschen in den heimischen Arbeitsmarkt braucht Zeit. Darum macht es keinen Sinn, ständig nach Integrationen in sozialversicherungspflichtige Arbeit zu fragen und Vergleiche anzustellen. Rund 700 Geflüchtete nehmen allein dieses Jahr an unseren Maßnahmen teil. Ein Integrationskurs dauert sechs Monate. Unsere Maßnahmen dauern zwischen drei Monaten und einem Jahr. Oft ist ein Sprachkurs oder eine Maßnahme zur Orientierung und Kompetenzfeststellung auch nur ein erster Schritt in einer Maßnahmen-Kette, die notwendig ist, einen Geflüchteten fit zu machen für den Arbeitsmarkt.
Wann haben Sie in Siegen und im Kreis Olpe Integration-Points eingerichtet und welche Zahlen können Sie bis heute vermelden?
Wir sind mit unseren beiden Integration Points im Dezember 2015 gestartet. Seit dem ist die Zahl der geflüchteten Menschen, die wir als Arbeitsagentur gemeinsam mit den beiden Jobcentern betreuen, von rund 550 auf über 2600 gestiegen. Es war also genau richtig, für diese neue und große Kundengruppe gemeinsame Einrichtungen zu schaffen. In den Integration Points geht es darum, die Menschen kennen zu lernen und zu verstehen, welche Voraussetzungen sie für den deutschen Arbeitsmarkt mitbringen. Wir haben inzwischen gelernt, dass bei vielen die Beratung, Qualifizierung und Unterstützung im Vordergrund stehen. Damit bereiten wir die geflüchteten Menschen auf ihre Erwerbstätigkeit bei uns vor. Gerade jetzt starten allein 34 junge Geflüchtete ihre Ausbildung oder die entsprechende Vorbereitung dazu.
Hat die Bundesregierung, aber auch die Agentur das Problem des Deutsch-Lernens schlicht unterschätzt?
Nein, ganz sicher nicht. Es ist doch völlig normal, dass es einige Monate, ja Jahre in Anspruch nimmt, die deutsche Sprache zu lernen. Ich würde innerhalb von einem Jahr auch nicht mal eben Arabisch sprechen und schreiben lernen. Gerade weil die deutsche Sprache für die Integration in den Arbeitsmarkt so wichtig ist, sind Deutschkurse ein wichtiger Bestandteil in allen unseren Maßnahmen. Das geht von Einstiegskursen für Anfänger bis hin zu Sprachkursen für berufliche Fachsprache.
Haben die Bundespolitik, aber auch die Agentur das Bildungs-Potenzial vieler Flüchtlinge überschätzt?
Die geflüchteten Menschen bringen ganz unterschiedliche Bildungsstände mit. Wir haben einerseits Akademiker und Fachkräfte, aber eben auch Analphabeten, die nur wenige Jahre die Schule besucht haben. Die Spannbreite an unterschiedlichen Berufskenntnissen und Erfahrungen ist sehr groß. Es sind jedoch sehr viele junge Menschen zu uns gekommen, die ihre Bildungslaufbahn noch nicht beendet haben. Ein Drittel der Geflüchteten ist unter 25 Jahre alt und ein weiteres Drittel ist zwischen 25 und 35. Sie können von einem 20-jährigen Syrer nicht erwarten, dass er einen Schul- und Berufsabschluss hat. In seinem Land herrscht seit fünf Jahren Krieg.
Haben sich vielleicht auch viele Flüchtlinge überschätzt?
Überschätzt möchte ich nicht sagen, aber einige hatten sicherlich falsche Vorstellungen vom deutschen Arbeitsmarkt. Die Betriebe in Deutschland sind hochgradig technologisiert. Wir reden derzeit viel über die vierte industrielle Revolution, über die Vernetzung von Produkten und Maschinen in der Industrie 4.0. Von dieser hoch entwickelten Industrie sind viele Länder, aus denen die Geflüchteten stammen, weit entfernt.
Ist die Agentur, insbesondere in unserer Region, für ein erneutes Anschwellen der Flüchtlingszahlen gewappnet?
Ja, in Siegen-Wittgenstein und Olpe sind wir sehr gut gewappnet. Unsere beiden Integration Points machen eine sehr gute Arbeit, und unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben in den vergangenen Monaten sehr viel Erfahrung mit geflüchteten Menschen und ihrer Integration in Arbeit und Ausbildung gesammelt.
Was würden Sie sich in der Zusammenarbeit mit den Städten und Gemeinden wünschen?
Mit den meisten Gemeinden und Städten funktioniert die Zusammenarbeit schon sehr gut. Mit gemeinsamen Infoveranstaltungen erreichen wir viele geflüchtete Menschen und können sie über den heimischen Arbeitsmarkt und unsere Fördermöglichkeiten informieren. Teilweise könnten wir die Zusammenarbeit aber noch intensivieren, damit wir keine Zeit verlieren und früh mit der Vorbereitung der Arbeitsmarktintegration beginnen können.