Olpe/Sondern. . THW Olpe und DRK bauen derzeit mit alleinstehenden jungen Flüchtlingen ein Floß. Ehsanullah Hassanzada erinnert dies an seine Flucht übers Meer.
- Ehsanullah Hassanzada (16) berichtet über seine waghalsige Reise in die Freiheit
- Gelungene Ferienaktion von THW und DRK Olpe mit jungen Flüchtlingen in Sondern
- Selbst gebautes Floß soll in wenigen Tagen fertig sein und auf der Bigge zu Wasser gehen
Zusammen mit neun anderen Bewohnern des Hauses Veith in Sondern hat Ehsanullah Hassanzada in den vergangenen Tagen gehämmert, geschraubt und gestrichen. Ein Drittel ihres Floßes ist nun fertig. Gemeinsam mit dem 16-jährigen Afghanen, den alle nur Ehsan nennen, und den anderen jungen Flüchtlingen haben Freiwillige des Technischen Hilfswerks Olpe und Mitarbeiter des Roten Kreuzes mit angepackt.
Die Arbeiten sind Teil einer Ferienaktion in der Einrichtung des DRK-Kreisverbands Olpe. Am Mittwoch sollen die zwei noch fehlenden Teile fertig sein. Wenn die Farbe getrocknet ist, soll das Floß in der Bigge zu Wasser gelassen werden.
Ehsan schießen beim Bau des rotweiß gestrichenen Wasserfahrzeugs Erinnerungen in den Kopf: „Ich habe in den vergangenen Tagen bei jedem Stück Holz, das ich verbaut habe, an die Erlebnisse in dem Schlauchboot gedacht.“ Das Schlauchboot, das er meint, wurde vor Monaten nicht in der Bigge, sondern an der türkischen Mittelmeerküste zu Wasser gelassen – keine schönen Erinnerungen.
Per Boot nach Lesbos
„Wir mussten das Boot selbst aufpumpen“, erzählt Ehsan. Stundenlang habe es gedauert, bis es nach Mitternacht endlich voll mit Luft war. Unbehagen bereitete ihm damals nicht nur der Seegang, sondern auch das, was Ehsan an der Bootswand entdeckte: „Da waren zwei Löcher“, sagt er, „die dann einfach mit Tesafilm überklebt wurden.“ Aber deswegen aufgeben und den Rückweg in die gefährliche Heimat antreten? Nicht mit Ehsan, der zwischen Dutzenden anderen Männern an der Bootswand kauernd damals dachte: „Es ist besser hier im Boot auf dem Meer zu sterben, als wieder zurück zu gehen.“
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Das Mittelmeer hat er längst hinter sich gelassen. Über die Balkanroute bahnte sich der junge Mann, der fast noch ein Kind ist, den Weg in Richtung Mitteleuropa nach Deutschland. Ehsan wohnt seit Anfang März in einer von vier Wohngruppen im Haus Veith – zusammen mit 40 anderen jungen Männern. Zuvor hat er in der Kreissporthalle in Olpe gelebt. Sein Deutsch ist bereits jetzt so gut, dass man sich ohne Probleme mit ihm unterhalten kann. Ab der kommenden Woche besucht er das Berufskolleg in Olpe. „Wenn du eine Ausbildung haben willst, musst du einen Abschluss haben“, sagt er.
Ehsans Heimat ist ein kleines Dorf in der Nähe von Mazar-e Sharif in Afghanistan. Dort, wo die Bundeswehr noch bis Ende 2014 stationiert war. Über die Situation in der rund 4900 Kilometer entfernten Region sagt er: „Die afghanische Armee ist schwach und kann die Menschen nur schwer schützen.“ Deswegen ist er im September vergangenen Jahres alleine aufgebrochen – ohne seine Eltern, ohne seine drei Schwestern und ohne seinen kleinen Bruder.
Familie bleibt zurück
Ehsans Eltern wollten ihm die Chance auf ein Leben in Sicherheit geben. „Sie haben Kühe und einiges von ihrem Land verkauft, damit ich nach Europa aufbrechen konnte“, erzählt er. Die Flucht ist teuer und finanziell für die ganze Familie nicht zu stemmen. Deswegen sollte der 16-Jährige sein Glück alleine suchen. Die Mutter habe ihm beim Abschied gesagt: „Wenn du hierbleibst, stirbst du. “
Seine Flucht führte Ehsan zunächst in den Iran. Auf das Auto in dem er ein Stück mitgefahren ist, wurde geschossen. Wegelagerer wollten das Fahrzeug stehlen. Ein erster Ausnahmezustand auf seiner Reise. Der zweite folgte im Mittelmeer. Drei Stunden dauerte die Überfahrt auf die griechische Insel Lesbos. Der Motor streikte, es gab nur ein Paddel, die Menschen mussten mit den Armen und Händen Rudern. Neben dem 16-Jährigen saßen noch rund 70 weitere Menschen in dem Schlauchboot.
Ob ihm nicht mulmig ist, wenn er und die anderen in ein paar Tagen das selbstgebaute Floß ausprobieren wollen? „Nein“, antwortet er, „hier fahre ich gerne auf dem Boot.“ Auf der Bigge. In Sicherheit. Fern der Heimat, in die er auch nicht zurückkehren möchte.