Iserlohn. Carl Wilhelm Tölcke aus Iserlohn war einer der Wortführer der Mai-Revolution von 1849. Professor Arno Herzig beleuchtete sein Leben
Er muss ein beeindruckender Mann gewesen sein, der bereit war für seine Ideale ins Gefängnis zu gehen und das ruhige Leben eines Gerichtsschreibers im beschaulichen Altena mit den Kämpfen auf den Iserlohner Barrikaden und mit Haft tauschte: Carl Wilhelm Tölcke (1817-1893) stand im Mittelpunkt des Vortrages, den Professor Dr. Arno Herzig im Rahmen der Vortragsreihe des Stadtarchivs in der VHS am Bahnhof hielt.
Ein Wiedersehen mit dem früheren Stenner-Studienrat
Für viele Zuhörer war es die Begegnung mit einem geschätzten Bekannten: Professor Herzig war Studienrat am Mädchengymnasium, dem heutigen Stenner-Gymnasium, und hat als Historiker viel zur Erforschung der Stadtgeschichte beigetragen, besonders die Iserlohner Erhebung von 1848/49 hat er umfassend bearbeitet und sich in einem Buch mit der Stellung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins in der deutschen Sozialdemokratie am Beispiel von Wilhelm Tölcke beschäftigt. 1974 bereits hatte Professor Herzig mit Schülerinnen eine Ausstellung im heutigen Stadtmuseum über die Revolution erarbeitet. Er ist ein Kenner der Revolution in der Waldstadt, wie es kaum einen anderen gibt.
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Professor Herzig schilderte Tölckes frühe Jahre: Er wurde am 31. Mai 1817 als Sohn eines Gendarmen in Eslohe geboren und katholisch getauft. „Über seine Kindheit und Jugend ist nur wenig bekannt“, so der Historiker. Bereits mit 15 Jahren begann Tölcke als Gerichtsschreiber, später folgte der Militärdienst, er wechselte ans Gericht nach Altena, es folgte die Hochzeit – der spätere Revolutionär hatte sieben Kinder. Tölcke machte 1844 in Altena bei den sich neu bildenden politischen Vereinen mit, die sich noch als Turn- oder Gesangsvereine tarnten, um nicht verboten zu werden. 1848 gründete er den Konstitutionellen Bürgerverein, dem vor allem Handwerker und Arbeiter beitraten. „Tölcke vertrat keine radikal-demokratischen Positionen, er lehnte die Republik ab und sprach sich für eine konstitutionelle Monarchie aus“, so Professor Herzig.
1848 sei Tölcke wegen seiner politischen Tätigkeit unter einem Vorwand aus dem Justizdienst entlassen worden. „Das schadete ihm aber weder gesellschaftlich noch sozial. Unter den Menschen aus den einfachen sozialen Schichten hatte er viele Anhänger gefunden“, so der Historiker. Tölcke habe sich bei den revolutionären Irrungen und Wirrungen im Mai 1848 als „hervorragender Taktiker“ erwiesen. „Er verstand unter Revolution eine Revolution von oben. Das Volk sollte im Staat auf gesetzlichem Wege die Macht gewinnen und diese erhalten“, erläuterte Herzig Tölckes Revolutionsverständnis.
Den „Mai-Gefangenen“ wurde in Wesel der Prozess gemacht
Als die preußischen Truppen am 10. Mai 1849 die Stadt Iserlohn erstürmten und die Revolution grausam niederschlugen, floh Tölcke und wurde steckbrieflich per Haftbefehl gesucht. Er habe zunächst versucht, Deutschland als politischer Flüchtling zu verlassen und nach Amerika auszuwandern, diese Pläne hätten sich jedoch zerschlagen, im August stellte sich Tölcke den Behörden und wurde im Iserlohner Zeughaus inhaftiert. Am 30. Dezember wurden die sogenannten „Mai-Gefangenen“ in die Festungsstadt Wesel gebracht, wo ihnen der Prozess gemacht wurde.
In seiner Verteidigungrede bewies der Altonaer, der später mit seiner Familie in Iserlohn sesshaft wurde, Rückrat und sagte: „Ich fordere von den Geschworenen Gerechtigkeit, aber keine Gnade“. Er hatte Erfolg: Tölcke wurde tatsächlich freigesprochen. In der nächsten Zeit vertrat der Gerichtsschreiber zunächst die Positionen des gemäßigten Bürgertums, später wandte er sich dem Sozialismus zu und wurde „Lassalianer“, so Professor Herzig. Er habe politische Ambitionen entwickelt und für Deutschland „nach einem starken Mann“ gerufen. Sein Glaube an Preußen sei ungebrochen gewesen, aber immer mehr sei die soziale Frage in den Mittelpunkt gerückt.
Vom Revolutionär zum Politiker
1865 schloss er sich dem Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein an und wurde sogar zeitweise dessen Vorsitzender. Aus dem Revolutionär war ein Politiker geworden, der, wie Herzig sagte, „Vater der westfälischen Demokratie“. Tölcke habe fast 30 Jahre in der Waldstadt gelebt und von dort aus die Geschicke der deutschen Parteienlandschaft mitgestaltet. 1875 setzte er sich für den Zusammenschluss der bis dahin konkurrierenden deutschen Arbeiterparteien ein. „Für ihn war die Sozialdemokratie die einzige Nachfolgerin der Revolution von 1848“, so Professor Herzig. Daran habe Tölcke zeit seines Lebens keine Zweifel gelassen.
Warum gibt es keine Tölcke-Straße in Iserlohn?
Seinen Vortrag schloss der Historiker mit der Feststellung, dass noch immer keine Straße nach Carl Wilhelm Tölcke benannt worden sei, obwohl das schon vor langer Zeit angeregt worden sei. Ein Vorschlag, der durchaus auf große Zustimmung bei den Anwesenden traf.
Hinweis: Der für den 20. Februar geplante Vortrag über Caspar Butz kann nicht stattfinden und wir zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt.