Herdecke. Ist das Cuno-Kraftwerk in Herdecke für den Stromkreislauf systemrelevant? Die Bundesnetzagentur hat darüber noch nicht entschieden. Für Amprion ist diese Gas- und Dampfturbinenanlage wie andere auch verzichtbar. Betreiber Enervie hält dagegen.
Die bekannte Nachricht: Die Bundesnetzagentur, der für Westdeutschland zuständige Übertragungsnetzbetreiber Amprion mit Sitz in Dortmund und Enervie verhandeln weiter über die Kraftwerks-Stilllegungen des Hagener Energieversorgers Enervie, darunter die seit September abgemeldete Gas- und Dampfturbinenanlage in Herdecke. Aktueller Stand: Es ist noch nicht geklärt, ob diese systemrelevant ist.
Denn in Zeiten der Energiewende ist die Gemengelage kompliziert. Die staatliche Behörde muss bis spätestens 1. Oktober entscheiden, ob die Enervie-Tochter Mark-E alle oder einige Anlagen abschalten darf und ob es Ausgleichszahlungen gibt. Amprion positioniert sich eindeutig: „Nördlich des Mains sind alle Kraftwerke nicht systemrelevant“, sagt ein Sprecher und deutet damit an, dass etwa das moderne und verlustbringende Cuno-Kraftwerk für den Stromkreislauf nicht benötigt wird. „Aus deren Sicht ist das verständlich, die müssen die Energieversorgung im bundesweiten Übertragungsnetz aufrecht erhalten und schauen zunächst nicht auf eine Insellage wie bei uns“, entgegnet Andreas Köster von Enervie.
Deren Kraftwerke, so bestätigt eine Mitarbeiterin der Bundesnetzagentur, seien bei der Behörde unter der Rubrik „geplante vorläufige Stilllegung“ angezeigt. Heißt: Werden sie benötigt, stehen sie bereit.
Was beim Cuno-Kraftwerk erst an drei Tagen in diesem Jahr der Fall war. „Die Anfrage zur Netzstabilisierung kam kurzfristig“, so Enervie-Sprecher Köster. Die Marktlage sei weiter so schwierig, dass sich die Anlage am Harkortsee fast immer im Bereitschaftsmodus befindet, aber aus dem „temporären Konservierungszustand“ binnen weniger Tage hochfahren könnte. Mangels Aufträgen schaltete Mark-E die Gas- und Dampfturbinen in 2013 auch mal wochenweise komplett ab.
Immerhin hat Enervie aus den Verhandlungen den Eindruck gewonnen, dass ihre Kraftwerke in Herdecke, Werdohl und Kabel doch systemrelevant seien und daher nicht abgeschaltet werden dürfen. Was aber mehrere Fragestellungen nach sich zieht. Konkret: Über die Kuppelstelle in Hagen-Garenfeld, wo Amprion und Enervie wechselseitig Strom einspeisen können, garantiert Amprion eine Durchleitungskapazität von etwa 600 Megawatt Leistung. In der Spitze können dort, wenn beispielsweise Industriebetriebe viel Energie brauchen, aber bis zu 950 Megawatt nötig werden, so Köster. Die Differenz bzw. Bereitstellung eines Puffers könnte das Cuno-Werk mit seiner Leistungsfähigkeit von 400 Megawatt auffangen. Sollten also vorläufig stillgelegte Enervie-Kraftwerke endgültig abgeschaltet werden, drohe schlimmstenfalls ein Black-out, Haushalte säßen im Dunkeln. „Daher ist für uns klar, dass unsere Kraftwerke für den Strom in der Region nötig sind.“
Und das liebe Geld? In dem Jahr des Stillstands beschert der Kraftwerkspark Enervie Verluste von ca. 40 Millionen Euro. Tendenz steigend, so Köster. Die Bundesnetzagentur muss auch klären, ob es für die Bereitstellung der Kraftwerke Ausgleichszahlungen gibt und wer diese übernimmt. Enervie argumentiert, dass Amprion für die Netzstabilität verantwortlich sei und daher auch die Kosten tragen müsse. In dem Fall würden die Kosten auf mehrere Millionen Kunden umgelegt, Enervie dagegen müsste den Strompreis für „nur“ ca. 400 000 Kunden erhöhen, was für einen normalen Haushalt 50 Euro mehr im Jahr bedeuten und für Industriebetriebe sechsstellig werden könnte.