Wetter/Herdecke. .

Dreizehn Teilnehmer hatte das Feuerwehr-Forum der WESTFALENPOST, von der Feuerwehrfrau bis zum Rechtsdezernenten, vom Dörken-Geschäftsführer bis zum Feuerwehr-Chef. Dreizehn Stimmen, ein Problem: Die Zukunft der Freiwilligen Feuerwehr in Wetter und Herdecke. Am Anfang steht eine Frage, die sich alle stellen müssen, wenn man auf die Mitgliederzahlen der Wehren schaut: Stellen Sie sich vor es brennt, und keiner kommt. „In der Verantwortung steht ganz klar die Politik, die muss dafür Sorge tragen, dass eine Feuerwehr funktioniert“, sagt Ralf Tonetti, Leiter der Freiwilligen Feuerwehr Wetter. Doch er beruhigt auch: „Es wird so einfach nicht passieren, dass keiner kommt. Am Ende lässt sich diese Dienstleistung kaufen. Für uns ist das nicht der Wunsch, aber sicher die letzte Lösung.“

Freiwillig oder nicht?

Ist eine hauptamtliche Wehr überhaupt darstellbar in Städten wie Wetter und Herdecke? Lars Heismann, Rechtsdezernent der Stadt Herdecke, und Margot Wiese, Fachbereichsleiterin Ordnung in Wetter haben Zahlen parat: „Es gibt Hochrechnungen, dass das etwas zwei bis zweieinhalb Millionen Euro im Jahr zusätzlich kosten würde. Das ist sicherlich kaum darstellbar“, sagt Heismann. Auch in Wetter rechnet man, dass alleine das Personal 1,5 Millionen Euro kosten würde. Und, so Wiese: „Man darf nicht vergessen, dass auch bei der Einrichtung einer Pflichtwehr ehrenamtliche Kräfte hinzukommen müssten.“

Was sagen Betroffene?

Dörken als Industrieunternehmen mitten in der Stadt, die Evangelische Stiftung Volmarstein mit einem Krankenhaus, Behinderteneinrichtungen und Wohnheimen – wird ihnen mulmig bei dem Gedanken an die Zukunft des Brandschutzes? „Wir machen uns viele Gedanken“, sagt Michael Lietz, Mitglied der Dörken-Geschäftsführung. „Zum einen schauen wir, was man intern verbessern kann, gerade als Chemieunternehmen.“ Doch auch die Wehr hat das Unternehmen im Blick. „Weil wir relativ schnell Hilfe benötigen, ist es wichtig, dass die Feuerwehr in einem bestimmten Zeitfenster vor Ort ist. Sonst wird es eng. Wir haben sechs Mitarbeiter in der Ausbildung zur Feuerwehrkraft bei der Freiwilligen Feuerwehr Herdecke und weitere sechs werden Anfang nächsten Jahres in die Ausbildung gehen. Das Ziel liegt allerdings bei 20 bis 25 Personen.“

Die Evangelischer Stiftung investiert ebenfalls viel in die Vorbeugung, zum Beispiel durch Schulung der Mitarbeiter. Als größter Arbeitgeber in Wetter sieht man sich aber nicht in der Lage, viele Mitarbeiter für die Feuerwehr zu werben. „Wir unterstützen jeden Mitarbeiter, der dort mitwirken will, aber in der Pflege ist das sehr schwierig“, sagt Astrid Nonn, ESV-Sprecherin. „Wir haben mit Behinderten, mit autistischen Kindern zu tun. Die kann man nicht einfach übergeben.“

Wie wird geworben?

Bei Dörken gibt es für die Feuerwehrleute einen Parkplatz direkt am Haus. Lockt man Mitarbeiter damit? Michael Dietz: „Wir haben uns ein paar Dinge überlegt, um den Schritt zur Feuerwehr schmackhaft zu machen. Nur Flyer drucken reicht da nicht. Wir gewähren den Lohnausgleich bei Einsätzen, tragen die Ausbildungs-Kosten und zahlen dabei den Lohn fort.“

Auch Städte und Feuerwehren suchen aktiv nach Nachwuchs. „Ich sehe hier aber auch den Bundes- und Landesgesetzgeber in der Pflicht“, sagt Lars Heismann. Man könne zum Beispiel Anreize schaffen für Arbeitgeber, Feuerwehrarbeit zu unterstützen. Viele Ideen scheiterten aber schon daran, dass man wegen des Gleichbehandlungsgrundsatzes Feuerwehrleuten kaum Privilegien einräumen könne. „Man muss sich überlegen, ob man diese spezielle Art des Ehrenamtes nicht doch bevorzugen sollte“, regt Heismann an und findet Unterstützung beim Sprecher der EN-Feuerwehren, Christian Arndt: „Das ist sicher so, dass das Feuerwehrehrenamt eine Sonderstellung verdient. Der Wille der Stadt Herdecke, das so zu sehen, war da, nur wurden wir sehr schnell gesetzlich ausgebremst.“

Und die Ehrenamtlichen?

Da gibt es Menschen, die nachts aufstehen, um anderen zu helfen. Wie wird die immer enger werdende Personaldecke von den Feuerwehrkräften wahrgenommen? Gibt es nicht auch den Moment, wo sie sagen: Macht es doch alleine . . .

„Es geht auch darum, die Kräfte, die wir haben, zu halten“, sagt Arndt. Man müsse die Realität sehen. „Auf dem Papier sind wir 100 Mann, doch von den 100 arbeiten konkret 40. Das heißt, es kommen immer dieselben zum Einsatz. Und die müssen sie bei der Stange halten.“ Die Stadt Herdecke habe mit ihrem Ehrenamtssparbuch richtig reagiert und 20 000 Euro zur Verfügung gestellt. Ein Parkplatz beim Unternehmen sei ein Benefit, aber der Parkplatz sei auch erforderlich, damit der Mann oder die Frau rechtzeitig bei der Wache seien.

Margot Wiese sieht vor allem ein Problem bei der Tagesverfügbarkeit. „Da hat Wetter reagiert, um mehr Leute tagsüber für den Einsatz zu haben. Wir haben eine Stelle für eine zweiten Gerätewart ausgeschrieben und die stellvertretende Wehrführung ist beim Wachleiter Rettungsdienst angesiedelt worden. so dass derjenige auch vor Ort ist.“

Was ist leistbar?

Die Katze im Baum, die Ölspur auf der Straße, hilflose Personen hinter der verschlossenen Tür – muss immer die Feuerwehr ausrücken?

Für Christian Arndt sind das Themen, die heiß diskutiert werden. „Doch ich kann nicht am Telefon beurteilen, was passiert ist. Da muss eine Ersterkundung her, dann muss entschieden werden, ist es eine Feuerwehrsache oder nicht.“ Der Herdecker Wehrführer Hans-Jörg Möller sieht noch weitere Probleme: „Bei der hilflosen Person hinter der Haustür geht es nicht nur darum, die Türe zu öffnen. Das könnte ein geschulter Rettungsdienst sicher auch. Aber wer kümmert sich anschließend um die Wohnung, der Sanitäter muss sich um den Menschen kümmern. Zu kontrollieren, ob der Herd aus ist, oder sonst eine Gefahr besteht, dafür hat der Rettungsdienst keine Zeit.“ Und: „Die Zahl der Fälle steigt“, weiß Nadine Henkel, freiwillige Feuerwehrfrau aus Wetter, die in der Schwelmer Leitstelle Dienst tut. „Die Menschen werden älter, vereinsamen immer mehr. Was früher die Nachbarn übernommen haben, sich umeinander zu kümmern, lässt immer mehr nach.“

Wo bleibt der Bürger?

Immer weniger Menschen kümmern sich um andere. Bringt das noch mehr Probleme mit sich? „Ganz bestimmt, früher hat jemand bei einem heruntergefallenen Ast die Säge in die Hand genommen und das selbst beseitigt. Heute wird die Feuerwehr gerufen“, so die Erfahrung von Christian Arndt. Ralf Tonetti sagt, dass sich diese Entwicklung nicht mehr zurückdrehen lasse. „Die Bagatellen häufen sich. Da fahren neun Leute los und ziehen den Ast von der Straße. Da ist die Stimmung anschließend natürlich nicht so gut, je nachdem wo die Kollegen gerade weg geholt wurden. Ich glaube, bei vielen ist noch gar nicht angekommen, dass wir eine rein freiwillige Feuerwehr sind.“

Können Städte kooperieren?

Hans-Jörg Möller: „Das scheitert am Gesetz. Jede Stadt muss eine Wehr für sich vorhalten. Der EN-Südkreis macht uns allerdings vor, wie man in Randbereichen oder bei bestimmten Alarmstufen zusammen arbeiten kann. Da könnte man sich vorstellen, dass Herdecke wie Wetter fünf Leute für den Tag vorhalten, die dann gemeinsam ausrücken. Allerdings, lässt sich nicht alles auf diesem Weg lösen: „Man muss berücksichtigen, dass Entfernungen Grenzen setzen“, sagt Ralf Tonetti. „In Esborn helfen uns die Herdecker Kollegen wenig. Da ist das Szenario mit den hauptamtlichen Kräften schnell zu Ende.“