Herdecke. . Mit ihrer ebenfalls erfolgreichen Schwester Annette wuchs Inga Humpe in Herdecke auf, wo sie ihr Abitur machte. Vor dem Konzert am 20. März im FZW Dortmund erinnerte sich die Sängerin an ihre Kindheit. Ein Interview über Musik, Konditorei und Familie.
Zweiraumwohnung ist wieder auf Tour: Am Donnerstag, 20. März, tritt das Elektro-Pop-Duo von Inga Humpe und ihrem Partner Tommi Eckart im Dortmunder FZW auf und stellt Lieder der aktuellen Platte „Achtung fertig“ vor. Im Vorfeld nahm sich die 58-jährige Sängerin, die in Hagen geboren wurde und in Herdecke mit ihrer ebenfalls erfolgreichen Schwester Annette aufwuchs, Zeit für die Fragen von Redakteur Steffen Gerber über ihre Musik, Kindheit und Zukunftspläne.
Hallo Frau Humpe, verwundert habe ich gelesen, dass Sie nicht gerne Texte schreiben. Beim Blick auf Ihre Karriere und Ihren Lebensweg haben Sie aber doch bestimmt einiges zu erzählen, speziell aus der Boom-Stadt Berlin, oder nicht?
Inga Humpe: Es ist nicht so, dass ich nicht grundsätzlich gerne texte, aber es gibt Zeiten, in denen jedes Wort schwer wird und kein Ausweg in Sicht ist, keine Lösung. Das kennt aber jeder, der sich mit Worten beschäftigt. Die letzten zehn Prozent sind besonders schwer und brauchen viel Zeit und Abstand. Etwas Neues zu erzählen, ist allerdings nach ca. 100 Texten nicht immer ganz leicht. Und ich brauche dann Abstand zu meinem eigenen Leben.
Nach den vielen Erfolgen mit Zweiraumwohnung: Wie wichtig ist Ihnen kommerzieller Erfolg? Oder steht – mit Verlaub – in Ihrem Alter nur noch der Spaß an der Sache im Vordergrund?
Inga Humpe: Der Spaß stand schon immer im Vordergrund, heute und gestern. Ich mache genau die Musik, die ich machen möchte. Dass es dazu noch Geld und Applaus gibt, finde ich großartig. Daher freue mich über jeden, dem die Musik etwas gibt. Mit Alter hat das alles wenig zu tun... Die Erfahrung, die ich mittlerweile habe, macht alles etwas leichter.
Gibt es musikalische Pläne außerhalb der Zweiraumwohnung? Soloprojekte oder ein erneutes Duett mit Udo Lindenberg?
Inga Humpe: Wir werden im Dezember 2014 in Bochum mit Steven Sloane und Moritz Eggert noch einmal das Mahler-Zweiraumwohnung-Konzert aufführen – darauf freue ich mich sehr. (2011 führte das Sinfonieorchester des hessischen Rundfunks mit dem Bochumer Generalmusikdirektor Sloane, Komponist Eggert und Zweiraumwohnung die 5. Sinfonie von Gustav Mahler auf. Der genaue Wiederholungstermin steht noch nicht fest, d. Red.)
Vermissen Sie manchmal die Einfachheit der 80-er Jahre oder die Partyzeit der 90-er? Und hören Sie heute immer noch viel Techno?
Inga Humpe: Inspiration für Musik gibt es in jedem Jahrzehnt. Wir holen sie aus den 70-ern, 80-ern, 90-ern und 0-ern. Wenn ich bestimmte Technotracks höre, habe ich genau das selbe Gefühl wie auf der Party, als ich diese Tracks zum ersten Mal gehört habe. Musik ist ein Speicher für Gefühle. Und die jungen Leute, die ich kenne, finden Technomusik altmodisch!
Sie wuchsen mit Schwester Annette, mit der Sie 2005 für Ihr Lebenswerk geehrt wurden, in Herdecke auf. Sprechen Sie oft über Musik?
Inga Humpe: Meine Schwester und ich haben ein rein privates Verhältnis. Und über die 1Live-Krone haben wir uns sehr gefreut.
Wie musikalisch ging es in Ihrem Elternhaus zu?
Inga Humpe: Mein Vater war musikalisch, meine Mutter konnte Klavier und Orgel spielen. Die Eltern haben uns mit Musik aufwachsen lassen und eine Faszination zur Musik vermittelt, Musik war etwas sehr Besonderes.
Ihr Vater hatte eine Konditorei in Herdecke. Wie wuchsen Sie auf?
Inga Humpe: Ich habe eine sehr rosige Erinnerung an meine Kindheit - jeden Morgen Torte essen und fantastische Kindergeburtstage im Café meiner Eltern. Die waren immer zu hause, und ich konnte zwischen Backstube und Laden hin und her, wie ich wollte. Immer viele Leute im Geschäft - das war spannend!
Ihre Herdecker Jugend haben Sie mal „verwirrende Jahre“ genannt. Woran lag das?
Inga Humpe: In der Pubertät wurde es etwas schwierig. Mädchen wurden damals noch sehr streng bewertet, heute allerdings ebenso, wie das Beispiel Miley Cyrus zeigt.
Leben entdramatisieren
Auch auf dem siebten Album von Zweiraumwohnung geht es Ihnen darum, das Leben zu entdramatisieren. Entsteht diese Leichtigkeit durch die Musik oder steckt diese in Ihrer Persönlichkeit? Wann werden Sie schwermütig?
Inga Humpe: Ich bin durchaus melancholisch, das ist ein Gefühl, das ich als Bereicherung empfinde und als wirklich, schließlich sind wir endlich.
Welche Bezeichnung für Ihre Musik gefällt Ihnen am besten: Elektro-Chanson, Wellness-Pop oder „Wärmestube der deutschen Elektronik“?
Inga Humpe: Natürlich Wärmestube der deutschen Elektronik.
Der Elektro-Pop mit Synthi-Klängen von Zweiraumwohnung wirkt immer noch jung und hip. Hält Sie diese Art von Musik, die durch die technischen Möglichkeiten ja immer modern gehalten werden kann, selber jung?
Inga Humpe: Musik machen ist anregend im Kopf, weil die Gehirnaktivitäten rechts und links dabei stärker beansprucht werden. Außerdem hören wir sehr viel Musik abseits der Charts, da ist viel Neues, Verwunderliches dabei, was wir als Einfluss auf unsere Ideen gern zulassen und einen gewissen „Trott“ verunmöglicht – das ist etwas, was ich als erfrischend empfinde.
Das musikalische Talent sollen Sie und Ihre Schwester Annette von Ihrer Mutter geerbt haben. Wer hat Ihr Gesangstalent entdeckt?
Inga Humpe: Ich habe bei meiner Musiklehrerin Frau Schmidt mein Gesangstalent entdeckt – ich durfte immer vorsingen.
Der Vater war in Herdecke bekannt durch die Konditorei und seinen trockenen Humor. Was haben Sie von ihm mit auf den Weg bekommen und genommen?
Inga Humpe: Mein Vater war ein sehr ungewöhnlicher Mann – er kochte und spülte, er hatte nie männliche Profil-Probleme. Ich bin sehr froh, dass ich so einen modernen Vater hatte und denke gern an ihn.
Als Jugendliche haben Sie sich in die Stadt Berlin verliebt und wollten unbedingt weg aus Herdecke. War es wirklich so schlimm für Sie in der Kleinstadt? Ließ sich Ihr Freiheitsdrang nur woanders ausleben?
Inga Humpe: Auf jeden Fall! Das ist ja nicht Herdeckes „Schuld“, sondern es gab einfach irgendwann viel weniger Möglichkeiten dort für jemanden wie mich. Die Provinz ist allerdings ein sehr guter Nährboden für Popmusiker, das ist auf der ganzen Welt so – merci Herdecke! The world sounds like herdecke...
Sie wollten damals, so sagten Sie es neulich bei der Sendung „Durch die Nacht mit…“ ein Weltstar werden. Sehen Sie sich heute eigentlich als Star? Wenn ja, worin äußert sich das?
Inga Humpe: Ich sehe mich nicht als Star. Ich habe viele von den Träumen verwirklicht, die ich als junges Mädchen kaum auszusprechen wagte. Es gibt aber jede Menge unerreichte Sachen: Welthits, Frauengleichstellung, Anti-Gewalt-Programme, Mindestlohn... bitte die Liste weiterführen!
Karten im Vorverkauf
Das Konzert von Zweiraumwohnung im FZW Dortmund, Ritterstraße 20, beginnt am Donnerstag, 20. März, um 20 Uhr. Im Vorprogramm tritt Marco Barotti auf. Karten kosten im Vorverkauf 25 Euro (zzgl. Gebühren).
Weitere Informationen und Kartenvorverkauf > auf der Internetseite des FZW.