Herdecke. . Anlässlich des „Gedenktags an die Opfer des Holocaust“, der seit 1996 am 27. Januar, dem Tag der Befreiung des Lagers Auschwitz durch die Rote Armee 1945, begangen wird, erinnert Autor Willi Creuteznberg an weitere Holcaust-Opfer aus Herdecke.
Im vergangenen November wurde in einer dreiteiligen Serie unserer Zeitung an den 9. November 1938, die darauf folgende Vertreibung und das weitere Schicksal der jüdischen Familien Grünewald, Neuhaus und Speyer aus Herdecke erinnert. Anlässlich des „Gedenktags an die Opfer des Holocaust“, der seit 1996 am 27. Januar, dem Tag der Befreiung des Lagers Auschwitz durch die Rote Armee im Jahr 1945, begangen wird, soll nun weiterer Opfer des Holocaust, die aus Herdecke stammen beziehungsweise eng mit Herdecke verbunden waren, gedacht werden.
Schicksal von Klara und Walter Marx
Wer die Gräber auf dem jüdischen Teil des Friedhofes Zeppelinstraße betrachtet, dem fallen die Namen Marx, Blumenthal und Speyer wegen der Anzahl und Gestaltung ihrer Grabsteine sofort ins Auge. Intensive Nachforschungen in den vergangenen Monaten haben gezeigt, dass auch aus den Familien Marx und Blumenthal Opfer des Holocaust zu beklagen sind.
Die Familie Marx war in Herdecke alteingesessen. Louis Marx übernahm bereits um 1865 die Textil- und Möbelhandlung von Salomon Reifenberg an der Ecke Hauptstraße und Wetterstraße. Sein Sohn, Ernst Marx, übernahm das Geschäft 1901 und betrieb es bis zu seinem Tod im Jahre 1920.
Spur verliert sich in Auschwitz
In den folgenden Jahren starben zwei seiner Kinder, Sohn Friedrich 1924, Tochter Charlotte 1928. Beide sind in Herdecke auf dem Friedhof an der Zeppelinstraße beerdigt. Witwe Klara Marx zog 1932 im Alter von 60 Jahren von Herdecke in die Stresemannstraße nach Hagen, wo der jüngste Sohn, Walter Ernst Ludwig Marx, geboren am 4. Februar 1905 in Herdecke, einige Zeit mit ihr zusammen wohnte. Später zog er nach Köln, wo er als Elektriker arbeitete. Von dort wurde er am 22. Oktober 1941 nach Litzmannstadt (Lodz) deportiert und am 8. Mai 1942 in Chelmno ermordet.
Klara Marx, seine Mutter, wurde am 29. Juli 1942 von Dortmund nach Theresienstadt deportiert und wurde am 15. Mai 1944 nach Auschwitz gebracht. Danach gibt es kein Lebenszeichen mehr von ihr. Noch zwei weitere Herdecker desselben Nachnamens, Hermann Marx (geboren am 16. März 1870) und Joseph Marx (geboren am 16. September 1875), deren verwandtschaftliche Beziehung allerdings unklar ist, wurden Opfer der Nationalsozialisten: Hermann Marx wurde mit seiner Frau Helene von seinem letzten Wohnort Bonn am 15. Juni 1942 nach Theresienstadt deportiert und kurz darauf in Treblinka ermordet. Joseph Marx, zuletzt in Hagen wohnhaft, ist am 6. März 1943 im Gefängnis Bochum zu Tode gekommen. Die Umstände sind ungeklärt.
Max und Lilly Blumenthal
Auch die Familie Blumenthal war eine alteingesessene Herdecker Metzger- und Kaufmannsfamilie. Der Metzger Moritz Blumenthal, 1853 in Herdecke geboren, und seine Frau Jakobine bekamen zwischen 1882 und 1891 fünf Kinder, die Töchter Rosa und Eugenie und die Söhne Walter, Gustav und Max. Alle drei Söhne haben im Ersten Weltkrieg an der Front Dienst geleistet. Die Töchter Rosa und Eugenie betrieben ab etwa 1910 in der Hauptstraße 3 ein Textil- und Manufakturwarengeschäft, das später Eugenies Ehemann Siegfried Neuhaus übernahm. Moritz Blumenthal war seit 1870 Mitglied im TSV Herdecke, von 1906 bis 1912 Stadtverordneter in der III. Abteilung und bis 1933 jahrelang Obernachbar der Kampsträter Nachbarschaft.
Bei der Machtübernahme der Nazis 1933 war die Mutter schon lange tot, vier der Kinder hatten Herdecke verlassen, nur der Vater und die Tochter Eugenie mit ihrer Familie lebten noch in Herdecke. Moritz Blumenthal hat nur die Anfangsjahre der Nationalsozialisten erlebt, erstarb 1935 im Alter von 82 Jahren.
Seine Tochter Eugenie floh 1939 mit ihrer Familie nach England, ebenso wieder Bruder Gustav und die Schwester Rosa, die in Herne lebte und schon einige Jahre Witwe war. Das Schicksal von Walther, der 1902 nach Hamburg verzogen war, ist bisher ungeklärt.
Im KZ Sachsenhausen ermordet
Max, der jüngste Sohn von Moritz Blumenthal, der schon 1910 nach Berlin gezogen war, konnte den Nazis nicht entkommen. Nach einem Brandanschlag einer jüdisch-kommunistischen Widerstandsgruppe am 18. Mai 1942 gegen eine Propagandaausstellung im Berliner Lustgarten wurden 500 Berliner Juden willkürlich festgenommen, 250 von ihnen sofort ermordet, 250 ins KZ Sachsenhausen geschafft und dort am 27./28. Mai 1942 umgebracht.
Max Blumenthal gehört zu den Opfern, die im KZ Sachsenhausen erschossen worden sind. Lilly Blumenthal, seine aus Dortmund stammende Frau, wurde am 5. Juni 1942 von Berlin nach Theresienstadt deportiert und schließlich im Oktober 1944 in Auschwitz ermordet.