Herdecke. .

Nur noch stundenweise kann Jürgen Stolle die Wohnung und damit seine pflegebedürftige Frau verlassen. Deswegen versucht er, seine kleinen Freiräume daheim sinnvoll zu nutzen. Manchmal backt der 71-Jährige - sehr zur Freude seiner Enkelkinder. „Das kann ich gut“, versichert er und ergänzt: „Hat mir meine Mutter beigebracht.“ Letztens aber stand „Aufräumen“ auf seinem Tagesplan. Und dabei fielen dem Herdecker echte Schätzchen aus vergangener Zeit in die Hände.

Unter anderem einige beinahe hundert Jahre alte Hagener Zeitungen von 1916 mit Berichten, die Titel tragen wie „Von den Kriegsschauplätzen“. „Und hier“, sagt Stolle und zeigt auf eine kleine Todesanzeige von Eduard Stolle, „das war mein Onkel.“ Gefallen als Wehrmann im Kriegsjahr 1916 in einem Feldlazarett. „Dass die Zeitungen nicht auseinanderfallen, ist schon ein Wunder“, meint der Herdecker, dessen Vater Willi damals gerade drei Jahre alt war. „Mein Vater hat anfangs als Friseur- und Perückenmachergehilfe gearbeitet, später war er bei der Stofffärberei Habig beschäftigt“ , berichtet der 71-Jährige. Ganz besonders gern erinnert sich an die Zeit, als Vater Willi und Mutter Lotte - beide leidenschaftliche Kegler - ihn regelmäßig mit auf die Kegelbahn nahmen: „Da war ich noch ein kleiner Junge und hab’ bei Beckmann auf der Heide in Hagen die Kegelpinne wieder aufgesetzt. Alfred Liebig aus Herdecke war übrigens auch oft dabei.“

Mit Bus oder Bahn zum Training

Keine Frage, damals wurde der Grundstein für Jürgen Stolles Sportlerkarriere gelegt. Über 25 Jahre heimste er nämlich als Sportkegler Pokale und Urkunden ein; war vier Mal Jugendvereinsmeister, später Vereinsmeister und sogar Mitglied in der Ländermannschaft. Unzählige Urkunden, Ehrennadeln, Fotos, und Zeitungsausschnitte zeugen noch heute von seinem Können auf der Bahn. „Die sind mir beim Aufräumen auch alle in die Hände gefallen“, schmunzelt er. In seinem Verein, dem Eisenbahner Sportverein Hagen, spielte er übrigens Seite an Seite mit Hans-Dieter Weber, dem ehemaligen und unvergessenen Vize-Bürgermeister Herdeckes. „Der war ja mein Alter“, sagt Jürgen Stolle und betont: „Den Dieter haben wir in der Mannschaft immer gebraucht.“ Jedes Wochenende seien sie damals mit dem ESV Hagen unterwegs gewesen. „Und mittwochs hatten wir Training. Ein Auto hatte ich damals nicht; also bin ich dem Bus oder der Straßenbahn zur Fehrbelliner Straße nach Hagen gefahren.“ Ob er sich an weitere Kegler aus Herdecke erinnern kann? „Klar“, antwortet Stolle, „die Brüder Helmut und Peter Dierska haben auch gekegelt. Allerdings waren die nicht beim ESV, sondern bei Germania.“

Unfall macht das Kegeln schwer

Viele Jahre hat Jürgen Stolle nun schon keine Kugel mehr in die Hand genommen, und dass nicht nur, weil seine Frau Ingeborg nahezu rund um die Uhr auf seine Hilfe angewiesen ist.

Die Folgen eines Unfalls schränken die Beweglichkeit seines rechten Beines erheblich ein; für einen Kegelsportler denkbar schlecht. Nur einmal, als er mal wieder auf seiner Lieblings-Urlaubsinsel Borkum weilte, da hat sich Jürgen Stolle sich noch mal überreden lassen, die Kugel zu werfen. Und den ahnungslosen Veranstaltern gezeigt, was eine Harke ist. . .